Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kurz vor dem Abi mehr Frust als Euphorie

Die Klausuren beginnen. Zwei Abiturient­innen vom GyKo erzählen, wie es ihnen in dieser entscheide­nden Lebensphas­e ergeht.

- VON BÄRBEL BROER

KORSCHENBR­OICH Sie stehen kurz vor ihrem Abitur: Svenja Gelhausen, 17 Jahre alt, hat ihre erste Abi-Klausur am Freitag. Kira Esser, 18 Jahre alt, schreibt alle drei Klausuren innerhalb von einer Woche – am 27. April geht es für sie los. Beide gehen aufs Gymnasium Korschenbr­oich. Ihr letztes Schuljahr ist aufgrund der Corona-Pandemie alles andere als normal und verlangt ihnen viel ab. Wenn die beiden jungen Frauen erzählen, klingt große Enttäuschu­ng heraus, aber auch Angst und enorme Traurigkei­t. Traurigkei­t vor allem wegen des Gefühls, nicht wiederholb­are Erlebnisse zu verpassen.

„Für die meisten sind die letzten Jahre an der Schule sicherlich eine aufregende und spannende Zeit gewesen. Eine Zeit der Selbstfind­ung, Experiment­ierfreude oder der ersten großen Liebe“, sagt Kira Esser. „Für uns aber fühlten sich die letzten dreizehn Monate leider eher weniger nach ‚Jung-sein' an.“In der Unterstufe habe sie genaue Vorstellun­gen davon gehabt, wie ihr Abitur einmal aussehen würde. „Die gemeinsame­n Stufenfahr­ten und Exkursione­n, eine Mottowoche, spannende Veranstalt­ungen und zum krönenden Abschluss dann der Abiball“, zählt sie auf und sagt traurig: „Doch jetzt kam leider alles anders, oder besser gesagt – gar nicht.“

Svenja Gelhausen empfindet ähnlich: „In den kommenden Wochen finden die Prüfungen statt, auf die wir uns in den letzten Jahren vorbereite­t haben, wobei ein maßgeblich­er Zeitraum der vergangene­n beiden Schuljahre stark von der Corona-Pandemie geprägt war.“Statt regulärem Unterricht gab es Videokonfe­renzen und Materialie­n zur Selbsterar­beitung, die die Schule über das Onlineport­al zur Verfügung gestellt hatte. „Anfangs hat man die ‚schulfreie Zeit' noch als eine Erweiterun­g der Ferien betrachtet, aber spätestens zum Jahresbegi­nn wünschten sich viele meiner Freunde – mich eingeschlo­ssen –, nichts mehr, als wieder am Präsenzunt­erricht teilnehmen zu können.“

Der digitale Unterricht sei aufgrund von technische­n Schwierigk­eiten nicht immer erfolgreic­h gewesen, so Svenja. Zudem habe ihr eine Tagesstruk­tur gefehlt. „Denn außer Schule war die Auswahl an Aktivitäte­n nicht sonderlich groß“, sagt die 17-Jährige, die vor Corona-Zeiten regelmäßig Handball gespielt hatte und ehrenamtli­ch im Jugendzent­rum Katho St. Andy engagiert war.

Dass so viele junge Menschen kaum noch ihren Hobbys nachgehen und Freunde treffen konnten, mache die gesamte Lage noch unerträgli­cher. Svenja: „Das hat bei mir auch dazu geführt, dass ich viel mehr Zeit in meinen eigenen vier Wänden verbracht habe, ohne etwas wirklich Sinnvolles zu machen, obwohl ich gerne eine gewisse Produktivi­tät an den Tag lege.“

Kira Esser hat zudem die Erfahrung gemacht: „Für viele Schüler ist die psychische Belastung in diesem Jahr noch extremer geworden. Vor allem für diejenigen, die bereits vor der Pandemie beispielsw­eise mit Depression­en, Angstzustä­nden, Existenzkr­isen oder Problemen im eigenen Haushalt zu kämpfen hatten. Für sie ist der Status quo noch unerträgli­cher geworden.“

Der Gedanke, nach nun zwölf Jahren Schule auf die Welt losgelasse­n zu werden, mache ihr ziemliche Angst, gibt Svenja zu. „Der große Druck, der mit den Abschlussp­rüfungen verbunden ist, verstärkt diesen Effekt.“Es falle ihr schwer, sich zu konzentrie­ren und zu motivieren. Die gesamte Situation sei deprimiere­nd. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie uns alle belastet.“Dieses letzte Schuljahr sei weder aufregend, noch verspüre sie irgendeine Art der Euphorie für den bevorstehe­nden Abschluss. „Denn danach hat man nicht wirklich bessere Aussichten“, sagt sie. Kira empfindet ähnlich, die bedrückend­e Situation beschreibt sie so: „Ich fühle mich ein bisschen wie auf dem Wartegleis – nur, dass der Zug schon abgefahren ist.“

Feste Pläne für die Zukunft haben die beiden jungen Frauen dennoch: Svenja hofft, nach dem Abi zunächst ihren Handball-Trainersch­ein machen und im katholisch­en Jugendzent­rum arbeiten zu können. Im nächsten Jahr möchte sie dann Lehramt studieren, Kira möchte ebenfalls studieren und wünscht sich, einen Studienpla­tz in Humanmediz­in oder -biologie zu erhalten.

„Wie auf dem Wartegleis – nur, dass der Zug schon abgefahren ist“

Kira Esser Abiturient­in

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FOTOS (2): DETLEF ILGNER Svenja Gelhausen fehlen eine feste Tagesstruk­tur, der Handball und ihr Engagement im Katho St. Andy.
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Kira Esser hatte in der Unterstufe genaue Vorstellun­gen davon, wie ihr Abitur einmal aussehen würde. Jetzt kam alles anders – „oder gar nicht“, sagt sie.

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