Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ansturm von Geimpften auf Radiologie

- VON IRIS WILCKE

Vor allem Frauen sind besorgt über Nachrichte­n, dass der Impfstoff Astrazenec­a Thrombosen fördern kann. Viele lassen das untersuche­n, positive Befunde blieben aus.

NEUSS Am Tag, an dem die ersten Meldungen zu einer möglichen Häufung von sogenannte­n Sinusthrom­bosen nach einer Coronaimpf­ung mit dem Impfstoff von Astrazenec­a in der Presse waren, ging es los: „Wir hatten direkt vier, fünf Anrufe von hausärztli­ch niedergela­ssenen Kollegen, die dringend Patienten vorstellen wollten“, erinnert sich Professor Hinrich Wieder, Facharzt für Radiologie und Nuklearmed­izin. Bislang aber fiel der Befund der Untersuchu­ngen am Zentrum für Radiologie und Nuklearmed­izin in Nachbarsch­aft zum Rheinland-Klinikum immer negativ aus.

Sinusthrom­bosen, bei denen sich Blutgerinn­sel in jenen Gefäßen des Gehirns bilden, die Blut vom Gehirn zum Herzen zurückleit­en, sind deutlich seltener als die bekannten Beinvenent­hrombosen oder Lungenembo­lien, waren aber nach Impfungen mit dem Wirkstoff des britisch-schwedisch­en Hersteller­s vermehrt aufgetrete­n – meist in Verbindung mit einer abgesenkte­n Anzahl von Blutplättc­hen (Thrombozyt­openie). Dieses Vorkommen wurde inzwischen als „sehr seltene Nebenwirku­ng“in die Fach- und Gebrauchsi­nformation, also die sogenannte Packungsbe­ilage, des Impfstoffs aufgenomme­n. Bis zum 21. April wurden dem Paul-Ehrlich-Institut, das für die Überwachun­g der Qualität, Wirksamkei­t und Sicherheit von Impfstoffe­n in Deutschlan­d

verantwort­lich ist, 63 Fälle von Sinus- und Hirnvenent­hrombosen nach Impfung mit dem Astrazenec­a-Impfstoff gemeldet, darunter 49 Frauen und 14 Männer. Zwölf Fälle, alle ohne die genannte Thrombozyt­openie, traten nach der Impfung mit dem Wirkstoff von Biontech auf. Dagegen stehen mehrere Millionen Menschen, die ohne schwerwieg­ende Nebenwirku­ngen geimpft wurden.

Die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur EMA und das Paul-Ehrlich Institut (PEI) gehen davon aus, dass diese Nebenwirku­ng bei einem von 100.000 Geimpften auftreten kann, das sind 0,001 Prozent der Impfungen. Das PEI weist darauf hin, dass „COVID-19 mit einem Risiko für schwere Verläufe mit Krankenhau­saufenthal­ten und Tod verbunden ist“. Oder, einfach ausgedrück­t: Jede Impfung ist besser, als Corona.

Heftige Kopfschmer­zen, die über das bekannte Maß hinausgehe­n, aber auch Krampfanfä­lle oder Lähmungen könnten auf eine solche Thrombose hinweisen. „Bei uns waren es überwiegen­d junge Frauen, die von den Hausärzten zur Abklärung geschickt wurden,“erinnert sich Wieder und ergänzt „wir hatten in einer Woche ungefähr die Anzahl, die wir sonst in einem Jahr zum Ausschluss dieser eher seltenen Erkrankung haben“. Er vermutet, dass die Patienten durch die Presseberi­chte verunsiche­rt waren und ihren Körper daher besonders beobachtet hätten.

Diagnostis­ch kann man den Verschluss der Hirngefäße durch eine Magnetreso­nanztomogr­aphie (MRT) des Kopfes oder auch per Computerto­mographie (CT) sichern. An den Standorten des Zentrums für Radiologie und Nuklearmed­izin Rheinland (ZRN), bei dem Professor Wieder Gesellscha­fter ist, in Neuss, Dormagen und Grevenbroi­ch hat sich zum Glück keine der Verdachtsd­iagnosen bestätigt.

Der Wirkstoff von Astrazenec­a wurde zu Beginn der Impfkampag­ne im Rhein-Kreis Neuss im Februar vor allem an Angehörige der priorisier­ten Berufsgrup­pen verimpft. Termine für die Neusser Bürger, die in diesen Tagen ihren zweiten Astrazenec­a-Termin gehabt hätten, sind vom Impfzentru­m um drei Wochen verschoben worden. Die über 60-jährigen bekommen dann Astrazenec­a, die unter 60-jährigen nur dann, wenn sie es ausdrückli­ch wünschen. Andernfall­s erfolgt die zweite Impfung mit einem mRNA-Impfstoff. Am Termin ändert sich aber nichts.

 ?? FOTO: M. ZANIN ?? In einer Woche registrier­te Professor Hinrich Wieder mehr Abklärungs­untersuchu­ngen auf Thrombose-Verdacht als sonst in einem Jahr.
FOTO: M. ZANIN In einer Woche registrier­te Professor Hinrich Wieder mehr Abklärungs­untersuchu­ngen auf Thrombose-Verdacht als sonst in einem Jahr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany