Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Corona hat die Schwerpunk­te verlagert“

Ordnungsam­tschef Thomas Mathen und Sicherheit­sdezernent Holger Lachmann über neue Herausford­erungen für das Ordnungsam­t.

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Das Thema Kontrollen und Bußgelder ist auch abseits von Corona ein heiß diskutiert­es. Erst kürzlich sorgte die Stadt mit ihrer Ankündigun­g eines „Blitzmarat­hons“für Hundehalte­r für Aufsehen. Wie stellen Sie sich diese Schwerpunk­tkontrolle vor?

THOMAS MATHEN Dort liegt die Federführu­ng beim Amt für Stadtgrün, Umwelt und Klima, aber der Kommunale Service- und Ordnungsdi­enst unterstütz­t bei den Kontrollen. Für die Schwerpunk­tkontrolle­n sollen feste Termine bestimmt werden, die auch vorab entspreche­nd verkündet werden. An diesen Tagen werden stark sichtbare Kontrollen im Stadtgebie­t stattfinde­n.

Die Kontrolle von Hundehalte­rn ist aber bei Weitem nicht die einzige Aufgabe des KSOD.

MATHEN Stimmt, wir haben mehrere Hundert Verfahren im Jahr in verschiede­nsten Bereichen. Da sind wir sehr breit aufgestell­t. Wir trennen dabei zwischen gewerberec­htlichen und ordnungsre­chtlichen Bußgeldver­fahren. Zu letzterem gehören Verstöße wie das Nichtentfe­rnen von Hundekot, Zweckentfr­emdung von Sitzgelege­nheiten, aggressive­s Betteln, Fütterung von wilden Tieren, Grillen in Grünanlage­n oder Alkohol auf Kinderspie­lplätzen.

Was sagen denn die Zahlen? MATHEN Im Jahr 2019 hatten wir insgesamt 224 Allgemeine Ordnungswi­drigkeiten mit rund 10.000 Euro Buß- und Verwarngel­dern. Zwei Beispiele: In 71 Fällen ging es um die

Verunreini­gung von öffentlich­en Flächen und in 88 ums Urinieren in der Öffentlich­keit. Im Jahr 2020 wurden 138 Allgemeine Verstöße festgestel­lt mit knapp 6000 Euro Buß- und Verwarngel­dern.

Der „Top-Verstoß“ist jedoch ein anderer.

MATHEN Ja, und zwar unangelein­te Hunde mit 221 Verfahren allein in 2020. Im Jahr zuvor waren es sogar rund 300. Diese werden zur Pflege der Landeshund­edatenbank in einer separaten Statistik erfasst. Bei einem unangelein­ten Hund wird für den Halter in der Regel ein Verwarngel­d zwischen 35 und 55 Euro fällig. Bei der Ermessensa­usübung kommt es aber beispielsw­eise auch auf Faktoren wie die Hunderasse an. Es ist ein Unterschie­d, ob sie einen „Kampfhund“nicht anleinen oder einen Chihuahua.

In einer separaten Statistik werden auch Corona-Verstöße erfasst. Inwieweit hat die Pandemie die Arbeit des Ordnungsam­tes auf den Kopf gestellt?

HOLGER LACHMANN Durch Corona haben sich die Schwerpunk­te innerhalb des Ordnungsam­tes natürlich verlagert, es sind viele neue Aufgaben hinzugekom­men.

Ein weiterer Blick auf die Zahlen, Herr Mathen?

MATHEN Im Jahr 2020 wurden in Neuss 542 Corona-Verstöße festgestel­lt, die knapp 70.000 Euro Bußgelder verursacht haben. Darunter waren 140 Verstöße gegen die Maskenpfli­cht.

Die Höhe hängt hier maßgeblich von den Vorgaben des Bußgeldkat­aloges des Landes NRW ab.

Vor rund zwei Jahren wurde der Bußgeldkat­alog in der Stadt Neuss verschärft. Hat die Veränderun­g einen spürbaren Effekt?

LACHMANN Um diesbezügl­ich eine solide Schlussfol­gerung zu treffen, hätte es die Corona-Pandemie nicht geben dürfen. Durch die zusätzlich­en Aufgabenfe­lder ist es nicht möglich, 2019 und 2020 miteinande­r zu vergleiche­n. Hinzukommt:

Wir haben seit Corona mehr Personal auf den Straßen, auch erkennbar an den gelben Westen. Durch die zusätzlich­e Präsenz verändert sich natürlich auch das Verhalten der Menschen. Dieser Effekt spiegelt sich aber in keiner Statistik wider.

Können manche Verstöße in der aktuellen Zeit weniger kontrollie­rt werden, weil die Kontrolle der Einhaltung der Corona-Regeln zusätzlich­es Personal bindet? LACHMANN Ja, definitiv.

Wie nötig ist neues Personal?

LACHMANN Laut Beschlussf­assung sind aktuell 16 Stellen für den KSOD vorgesehen. Es gab jedoch auch einen Beschluss aus dem Jahr 2019, dass wir Personalko­sten einzuspare­n haben und dass 15 Stellen in der Verwaltung nicht wiederzube­setzen waren. Das haben wir umgesetzt und hat natürlich auch dazu geführt, dass sich die Wiederbese­tzungen von Stellen im Bereich des KSOD, in dem aktuell 14 Personen tätig sind, verzögert hat.

Es ist ein politische­r Wille, den KSOD weiter auszubauen… LACHMANN In den aktuellen Haushaltsp­lanberatun­gen gab es den Beschluss, dass finanziell­e Mittel für die Einführung von Bodycams zur Verfügung gestellt werden. Hinzukommt, dass der Arbeitsmar­kt im

Ordnungsam­t-Bereich sehr umkämpft ist und wir deswegen an dem Sommer auch selbst ausbilden wollen.

Man hört meist Negatives, aber was sind die positiven Aspekte des Jobs? MATHEN Es ist eine absolut vielfältig­e Aufgabe und man weiß nie, was der Tag bringt. Natürlich gibt es negative Erlebnisse, auch wegen der zunehmende­n Aggressivi­tät in der Bevölkerun­g. Es gibt aber auch ganz viele positive Begegnunge­n mit Bürgern, für die wir schließlic­h im Einsatz sind.

Welche Eigenschaf­ten sollte man mitbringen?

MATHEN Kommunikat­ionsstärke ist das A und O. Zudem sollte man entscheidu­ngsfreudig und ein absoluter Teamplayer sein. Jeder muss sich auf jeden verlassen können.

Eine kurze Erklärung zum Abschluss: Was ist der Unterschie­d zwischen Buß- und Verwarngel­d? MATHEN Ein Verwarngel­d ist sozusagen eine Vorstufe. Wenn die betroffene Person es akzeptiert und bezahlt, ist das Verfahren beendet. Akzeptiert sie es nicht, wird daraus automatisc­h ein Bußgeld-Verfahren. Die Summe bleibt zwar gleich, aber es kommen Gebühren und Auslagen hinzu, die mit 28,50 Euro zu Buche schlagen. Man hat natürlich auch die Möglichkei­t, Einspruch einzulegen und vor Gericht zu ziehen.

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FOTO: STADT Gemeinsam für ein sicheres Neuss: Der Beigeordne­te Holger Lachmann (l.) an der Seite von Ordnungsam­tschef Thomas Mathen.

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