Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Eltern bitten: „Lasst die Stele stehen“
Dass Politiker die Stele am Schmetterlingsfeld entfernen wollen, schmerzt ein Ehepaar aus Grevenbroich. Zwei Kinder mussten die beiden dort beerdigen. Deren eingravierte Namen sind für sie ein wichtiger Erinnerungsort.
GREVENBROICH „Bitte lasst die Stele stehen.“Diesen Appell richtet ein Ehepaar an die politisch Verantwortlichen aus Grevenbroich. Denis (32) und Christine (29) – die ihren Nachnamen nicht veröffentlicht wissen wollen – haben zwei Kinder auf dem Schmetterlingsfeld an der Montanusstraße beerdigen müssen. Paul und Mika. Die Namen wurden auf eine kleine Natursteintafel graviert – sie sind die einzig bleibende, sichtbare Erinnerung für das junge Paar. „Das darf uns die Politik nicht nehmen“, sagen die beiden.
Die Stele wurde 2020 nachträglich von der Stadtverwaltung am Rand des schon einige Jahre alten Schmetterlingsfeldes errichtet. Die CDU hat aktuell beantragt, den mit Tafeln versehenen Holzpfeiler zu entfernen oder ihn an einen anderen Standort zu versetzen. Denn das Konzept der Anlage für tot geborene Kinder sehe nun einmal Anonymität vor. „Nicht jedes Kind, das tot zur Welt kommt, hat einen Namen. Das Anbringen einzelner Namen kann für betroffene Eltern einen immensen psychischen Druck bedeuten“, argumentiert der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kaiser.
Eine solche Diskussion tue ihnen weh, sagen Christine und Denis, die mindestens einmal in der Woche zum Stadtmitte-Friedhof fahren, um dort zu gedenken. „Uns bedeutet die gravierte Tafel sehr viel – wir sind stolz, wenn wir die Namen unserer Kinder darauf lesen“, sagt das junge Paar. Nach Meinung der beiden Grevenbroicher sei die Anonymität auf dem Schmetterlingsfeld auch weiterhin gegeben, da es keine Grabsteine gebe, „sondern nur eine kleine Tafel mit Namen, die lediglich am Rande steht – die für uns aber extrem wichtig ist“.
Denis und Christine lernten sich 2011 kennen, 2018 gaben sie sich das Ja-Wort. Schon vor der Hochzeit sei der Wunsch nach Kindern da gewesen. Doch es gab Schwierigkeiten, so dass sich die beiden im vergangenen Jahr zu einer künstlichen Befruchtung entschieden. „Danach lief alles gut“, berichtet die 29-jährige Grevenbroicherin. Doch dann, in der 16. Schwangerschaftswoche, gab es Komplikationen in Form eines Fruchtblasenpolaps. In der Woche darauf kam das Kind zur Welt – und verstarb bei der Geburt. Es war ein Junge, 18 Zentimeter groß, er sollte auf den Namen Paul getauft werden. Ein Schock für das Paar.
„Im Kreißsaal wurden wir gefragt, ob wir unser Kind beerdigen wollen“, schildert Denis. „Mit diesem Thema hatten wir uns vorher noch nicht beschäftigt.“Die Eheleute nahmen Kontakt mit dem Diakon auf, der sie getraut hatte und der ihnen das Schmetterlingsfeld auf dem Grevenbroicher Friedhof empfahl. Dort wurde Paul im Juli beigesetzt.
„Wir haben uns für das Rasenfeld entschieden, weil wir nicht wollten, dass unser Kind irgendwo alleine liegt“, sagt Christine. Als einige Monate später die Gedenkstele errichtet wurde, entschied sich das Ehepaar, den Namen ihres Kindes in eine der Tafeln gravieren zu lassen. „Das war eine schöne Möglichkeit, die uns geboten wurde, und die wir gerne in Anspruch genommen haben“, berichtet die 29-Jährige.
Die junge Grevenbroicherin wurde wieder schwanger, diesmal auf natürlichem Wege, erlitt aber erneut einen herben Rückschlag. Anfang
Februar verlor sie ihr Kind in der neunten Schwangerschaftswoche. Das Herz hatte plötzlich aufgehört zu schlagen. Auch diesmal entschloss sich das Paar für eine Beerdigung auf dem Schmetterlingsfeld. „Mika“ließen sie in den Stein gravieren, weil dieser Name sowohl zu einem Mädchen als auch zu einem Jungen passt. Denn das Geschlecht des tot geborenen Kindes ließ sich nicht bestimmen.
Durch die beiden Schicksalsschläge haben sie an Lebensfreude verloren, sagen die Grevenbroicher. „Die Tafeln mit den Kindernamen ist das einzige, was uns bleibt – und das will uns die Politik jetzt wegnehmen“, beklagt das Ehepaar. „Es sollte doch weitaus wichtigere Themen geben als eine mit einigen Namen versehene Stele.“
Trotz der Aufforderung der CDU, das Holzobjekt zu entfernen, bleibt die Stadt hartnäckig. „Wir halten es aus Pietätsgründen nicht für angebracht, die Stele dort zu entfernen“, sagt Sprecher Stephan Renner. Nicht zuletzt auch, weil Eltern im Rathaus den dringenden Wunsch formuliert hätten, diesen persönlichen Erinnerungsort stehen zu lassen. Ohnehin sehe die Stadt die Politik in dieser Sache nicht zuständig. „Es handelt sich hierbei um ein Geschäft der laufenden Verwaltung.“