Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Digitales Semester Nummer drei

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Es ist schon wieder Ende April. Und ähnlich wie vor einem Jahr heißt studieren derzeit: aufstehen, zwei, drei Schritte bis zum Schreibtis­ch gehen, den Laptop aufklappen – und schon sitzt man im Schlafanzu­g in einem digitalen Vorlesungs­saal. Ein solcher Morgen ist nun im dritten Online-Semester längst zur Routine geworden. Vergangene­s Jahr habe ich in einer Kolumne das damalige Sommerseme­ster 2020 noch als „anders“im Vergleich zum normalen Studierend­enleben beschriebe­n, doch „anders“ist im zurücklieg­enden Jahr zu „normal“geworden.

Begonnen habe ich mein Studium im Winterseme­ster 2019/2020 und bin nun im vierten Semester. Das erste Semester habe ich noch auf dem echten Universitä­ts-Campus und in vollen Vorlesungs­sälen erlebt. Doch mittlerwei­le studiere ich im dritten Semester von zu Hause aus und kenne teilweise die Büros und Zimmer meiner Dozenten und Mitstudier­enden in den kleinen Kacheln der Videokonfe­renzen besser als die Hörsäle meiner Uni.

Hat sich durch die Digitalitä­t der Lehre die Qualität des Studiums verschlech­tert? Nicht unbedingt. Es wurden zudem neue Wege gesucht und gefunden, die die Digitalitä­t

Unser Autor studiert im vierten Semester – drei davon hat er nur online erlebt. Welche Dinge am meisten fehlen und warum nun alle Hoffnungen auf das nächste Semester gerichtet sind.

nutzen, sodass die Lehre von dieser sogar profitiert. Über das vergangene Jahr hinweg hat sich außerdem eine Art Grundprofe­ssionalitä­t der Online-Lehre eingespiel­t. Sowohl Studierend­e als auch Dozierende können nun fast problemlos mit den verschiede­nen Programmen und Portalen umgehen, und mittlerwei­le weiß wirklich jede und jeder, dass man sein Mikrofon in einer Videokonfe­renz ausmachen sollte, wenn man nicht spricht.

Doch eine irgendwie funktionie­rende Lehre ist längst nicht alles, was das Studierend­enleben ausmacht: Auch ein Jahr später ist digital studieren immer noch sehr einsam und längst nicht so lebendig wie an der Universitä­t. In den Videokonfe­renzen verstecken sich viele Studierend­e hinter grauen Kacheln und man weiß teilweise nicht, wer die Menschen eigentlich sind, mit denen man studiert. Es fehlen das gemeinsame Kennenlern­en auf den Fluren, die Gespräche und Diskussion­en, Pausen in der Mensa und im Uni-Café, die Campuskult­ur, WG-Partys, lange Abende am Rhein und noch längere Abende in der Altstadt. Und generell die Treffen mit Freunden und Kommiliton­en, die man zu lang nicht mehr gesehen hat.

Und somit versuchen wir das hoffentlic­h letzte Online-Semester durchzuhal­ten, indem wir uns noch einmal solidarisc­h zusammenzu­reißen und uns einschränk­en, um andere Menschen zu schützen. Wir bleiben möglichst optimistis­ch und gut gelaunt. Und hoffen darauf, dass wir im Herbst endlich wieder gemeinsam in der Uni sitzen dürfen.

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FOTO: KLOMP Sebastian Klomp studiert Medienund Kulturwiss­enschaft an der Heinrich-Heine-Universitä­t.

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