Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Pater in Sorge um seine Heimat Indien
Pater Anto aus Korschenbroich telefoniert regelmäßig mit Verwandten und Freunden. Im südlichsten Bundesstaat Tamil Nadu ist die Lage nicht so furchtbar wie im Norden. Aber ein Lockdown kommt. In der Folge werden viele Menschen Hunger leiden.
KORSCHENBROICH Es sind entsetzliche Bilder und Nachrichten, die derzeit aus Indien kommen: Überfüllte Krankenhäuser, qualvoll sterbende Menschen, fehlende Sauerstoffgeräte und immer wieder neue Corona-Höchststände. Pater Anto, Subsidiar im Pastoralteam der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Korschenbroich, beobachtet die Entwicklungen mit großer Sorge. Denn es ist sein Heimatland, das derzeit von dieser Corona-Katastrophe heimgesucht wird.
Viele Menschen sprechen ihn derzeit an und fragen, wie es seinen Verwandten und Freunden ergehe. „Dann erkläre ich, dass ich aus dem Süden Indiens komme“, sagt Pater Anto. Dort sei die Corona-Situation nicht so furchtbar wie beispielsweise in Neu-Delhi im Norden des Landes. Es gebe einen großen Unterschied zwischen dem nördlichen und südlichen Teil des Landes, sagt er. „Die Probleme bei uns sind noch nicht so schlimm.“
„Bei uns“– damit ist Tamil Nadu gemeint, der südlichste Bundesstaat Indiens. Im Distrikt Kanyakumari, wo das Arabische Meer, der Indische Ozean und die Straße von Bengalen ineinander übergehen, ist Anto Michael Raj, wie er mit ganzem Namen heißt, aufgewachsen. Seine sechs Schwestern sowie seine Mutter – der Vater ist länger tot – leben hier. „Eigentlich fahre ich jedes Jahr für ein paar Wochen in die Heimat“, sagt der 36-Jährige. Vergangenes Jahr habe er drei Mal gebucht. Doch jedes Mal musste die Reise coronabedingt ausfallen. Auch in diesem Jahr sieht es nicht danach aus, als ob er nach Tamil Nadu reisen könnte.
Regelmäßig telefoniert er mit seiner Familie. Bis Ende April galt ein „halber Lockdown“in seiner Heimatstadt. In der Zeit von 8 bis 19 Uhr durften die Menschen arbeiten und einkaufen. „Ab ersten Mai gilt ein verschärfter Lockdown“, so Pater Anto. Dann sind alle Geschäfte geschlossen. Da die meisten Menschen nur Tagelöhner sind, verdienen sie dann kein Geld, erzählt er weiter. „Sie werden große Probleme haben. Denn wer arbeitet, unterstützt meist die Familie.“Viele werden Hunger leiden – davon ist er überzeugt. Regelmäßig schickt er Geld in die Heimat, damit sich Verwandte und Freunde Reis und andere Lebensmittel kaufen können.
Die Krankenhäuser sind nicht gut vorbereitet. Es fehle Sauerstoff und Impfstoff. Vor Monaten gab es Letzteres noch. „Doch da wollten sich viele nicht impfen lassen. Sie waren der Meinung: Ich bin doch gesund, da brauche ich keine Impfung.“Es liege auch daran, dass viele Menschen sehr ungebildet seien. Häufig diskutiere er mit Freunden und Verwandten darüber, wie gefährlich diese Pandemie ist. „Aber sie verstehen es meist nicht. In Indien leben viele Menschen nur für sich. Es gibt zuviel Egoismus, zu wenig Solidarität.“
Inzwischen nehme aber auch die Panik im Süden Indiens zu, sagt er. Die dramatischen Bilder aus Neu-Delhi und dem Bundesstaat Maharashtra schockieren. Dieser reichste Bundesstaat Indiens mit der Metropole Mumbai verzeichnet aktuell laut Statista knapp 700.000 Corona-Infektionen – und das sind nur die offiziellen Daten. Zum Vergleich: In Tamil Nadu gibt es knapp 90.000 aktive Fälle.
Noch sei die Versorgung der Patienten sichergestellt, hat Pater Anto erfahren. Auch die Krankenhäuser seien nicht überlastet, weiß er. Aber die Angst in seiner Heimat vor der im Norden wütenden Corona-Doppelmutante und deren geradezu apokalyptischen Ausmaßen wächst.
Auch er sei zunehmend beunruhigt, sagt Pater Anto. Umso mehr freue ihn, wie viele Menschen in Korschenbroich Anteil nehmen. „Sie wollen wissen, wie es in meiner Heimat aussieht. Sie beten für die Menschen in Indien. Das tut gut.“