Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Impfzentrum: Ärzte kritisieren Fabrikvergleich
30 Impfungen pro Kabine und Stunde würden keine Zeit für Fragen mehr lassen, wenden Mediziner ein.
RHEIN-KREIS (-nau) Schnell, schneller, Impffabrik: Gegen die Vorstellung eines durchrationalisierten Impfzentrums regt sich Widerstand im Kreis der dort tätigen Ärzte. „Es geht hier nicht um die Optimierung von Produktionsabläufen in einer Fabrik, sondern um Menschen“, betont Hans-Georg Paschke aus Grevenbroich. Und Karl-Heinz Munter beeilt sich als Leitender Impfarzt in der Einrichtung hinzuzufügen: „Die Rhein-Kreis-Neusser können gewiss sein, dass unser Impfzentrum auch weiterhin einen effizienten und dennoch empathischen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten wird.“
Verschiedene Medien hatten in der vergangenen Woche darüber berichtet, dass sich der Rhein-Kreis mit Unterstützung von Andreas Syska darum bemüht, Methoden aus der Wirtschaft auf die Organisation des Impfzentrums anzuwenden. Zwölf Impfungen pro Kabine und Stunde waren das Ziel, bevor die Arbeit in der Einrichtung begann, 20 Termine pro Stunde werden aktuell vereinbart und abgearbeitet – und 30 pro Stunde hält Syska für möglich. Er habe, berichtet der Professor für Produktionsmanagement an der Hochschule Niederrhein, sogar schon Impfvorgänge gestoppt, die nach 1.50 Minuten in der Kabine komplett erledigt waren.
Wollte man die Geschwindigkeit auf 30 Impfungen pro Stunde erhöhen, wäre das beinahe der Standard. „Dann darf der zu impfende Patient aber keine Frage mehr stellen“, wendet Paschke ein. „Und auch der Impfarzt hat dann keine Zeit mehr nachzufragen, ob irgendwelche Risiken oder gegebenenfalls Kontraindikationen gegen eine Impfung bestehen.“Es sei richtig gewesen, die Zahl der Registrierstellen zu erhöhen, um Verzögerungen zu verhindern, doch die von Syska anvisierte Zielvorgabe hält Paschke für zu ambitioniert – und an der Realität vorbei. Ältere Menschen, nennt er eine Beispiel, würden es in zwei Minuten gar nicht schaffen, den Arm für die Impfung frei zu machen und sich nachher wieder anzuziehen, „wenn es denn draußen nicht gerade 25 Grad ist“.
Paschke wie auch Munter sprechen sich entschieden dafür aus, dass zügig geimpft wird, aber man müsse auch die Sondersituation berücksichtigen. Die Menschen hätten zum Teil lange auf den Impftermin gewartet und kämen mit großer Erwartung, sagt Munter: „Sie sind hoffnungsvoll, manchmal skeptisch, aber auch ein wenig ängstlich und unsicher, haben Respekt vor der Impfung und natürlich viele Fragen.“Dem versuche das Team des Impfzentrums Rechnung zu tragen. Viele Mitarbeiter in diesem Team, das Munter die Seele des Impfzentrums nennt, hätten ihrem Tätigkeitsbereich auch Ideen entwickelt und so einen eigenen Beitrag für die guten und oft gelobten Abläufe geleistet. Es sei dankenswert, dass Syska hilft, sagt Munter. Aber die jetzige Effizienz sei nicht alleine mit seinen Ratschlägen zu erklären.