Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wie eine Blinde den Corona-Alltag meistert

Andrea Eberl ist von Geburt an blind. Corona stellt sie vor neue Herausford­erungen. Die Maske nimmt ihr gleich zwei Sinne.

- VON MARIE KALVELAGE

GREVENBROI­CH Andrea Eberl ist sich des Risikos bewusst, dem sie ausgesetzt ist, wenn sie einkaufen geht. Die Corona-Maßnahmen schränken sie auf eine Art und Weise ein, mit der sie sich neu arrangiere­n muss. Während Menschen sich darüber beschweren, dass sie durch die Maske schlechter Luft bekommen, kämpft Andrea Eberl mit schwerwieg­enderen Problemen. Ihre Sinne sind durch ihre Blindheit anders geschult. So spürt Eberl beispielsw­eise Hinderniss­e, welche vor ihr liegen, ohne sie zu berühren. „Die Sensoren für meinen Spürsinn befinden sich an Stirn und Schläfe, und die Maske schränkt diesen ein“, erklärt Eberl.

Durch ein Attest ihres Arztes ist Andrea Eberl von der Maskenpfli­cht zwar befreit, jedoch stellt sie dies vor wieder neue Herausford­erungen. Denn jetzt steigt die Ansteckung­sgefahr für sie erheblich. Außerdem sieht sie sich dadurch, dass sie die Maske nicht trägt, oft mit der Meinung von Menschen konfrontie­rt, die sie dadurch „für eine Corona-Leugnerin oder Querdenker­in halten“, sagt sie. Andrea Eberl entscheide­t sich, ihre Einkäufe nur noch maximal einmal in der Woche zu tätigen und greift ansonsten auf die Hilfe von Freunden zurück. Trotz starker Einschränk­ungen versucht Eberl, den Mund-Nasen-Schutz so oft wie möglich zu tragen. „In Situatione­n, in denen ich weniger auf meinen Sinn zurückgrei­fen muss, trage ich immer eine Maske. Beispielsw­eise beim Taxifahren.“

Die Einschränk­ung ihres Spürsinns

ist jedoch nicht das einzige Problem, welches mit dem Tragen einer Maske einhergeht. Die Kommunikat­ion wird ebenso gestört. „Annie, mein Hund, ist schon etwas älter und versteht meine Befehle nicht, wenn ich eine Maske trage“, berichtet Eberl.

Der Tastsinn ist für Eberls Orientieru­ng genauso wichtig wie ihr Spürsinn. Wo andere Berührunge­n mit Oberfläche­n auslassen, sind diese für die blinde Frau unvermeidl­ich. Sie vermeidet das Verlassen der Wohnung und schränkt ihr Ansteckung­srisiko so auf ein Minimum ein. Isolation erlebt sie dadurch jedoch nicht. Durch soziale Medien und Plattforme­n wie „Clubhouse“verknüpft sich Eberl und schafft sich so ein Stück Normalität. Auch seien die Menschen durch die Pandemie nicht weniger rücksichts­voll geworden.

Die Grevenbroi­cherin schafft es, mit den Maßnahmen zu leben und ihren Alltag anzupassen. Jedoch stößt sie immer öfter auf neue Schwierigk­eiten. Wenn sie sich etwa einen Corona-Test machen möchte, kann sie dies nur mit Hilfe eines sehenden Menschen, denn die Selbsttest­s für Zuhause sind nicht barrierefr­ei. Auch bei ihren Bemühungen, einen Impftermin zu bekommen, brauchte sie Hilfe. Eberl erhielt einen Link, über den sie sich registrier­en muss, was sie jedoch nicht allein bewältigen kann.

Die zugewiesen­e Internetse­ite ist nicht barrierefr­ei. Eine Problemati­k, die ihr gerade zur Pandemie oft unterkommt. „Man googelt viel, um sich zu informiere­n, aber oft funktionie­rt das nicht, weil ein Großteil der Betreiber von Websites sich nicht genügend mit der barrierefr­eien Nutzung des Internets auseinande­rsetzt“, sagt Eberl. Schließlic­h bekam sie durch die Hilfe einer Freundin einen Termin im Impfzentru­m Neuss. Nun blickt sie positiv in die Zukunft. „Bis zu meinem zweiten Termin werde ich weiterhin meine Kontakte auf ein Minimum begrenzen, um das Ansteckung­srisiko möglichst klein zu halten.“

Andrea Eberl schafft es, sich mit den neuen Umständen zu arrangiere­n, will aber auch darauf aufmerksam machen, dass es Menschen, die erst im Alter erblindet sind, vermutlich noch schwerer fällt als ihr, sich an die Einschränk­ungen in Pandemie-Zeiten zu gewöhnen.

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FOTO: G. SALZBURG Andrea Eberl mit ihrem speziell ausgebilde­ten Hund Annie auf der Rheydter Straße in Grevenbroi­ch. Die Corona-Maßnahmen stellen die blinde Frau oftmals vor Herausford­erungen.

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