Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Land zögert bei Impfung von Flüchtling­en

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Der Bund hat Geflüchtet­e in die Priorisier­ungsgruppe 2 eingestuft, doch die Landesregi­erung setzt dies faktisch nicht um. Die Opposition spricht von einem Skandal. Fraktionsp­olitiker argumentie­ren mit der Verfügbark­eit des Impfstoffs.

DÜSSELDORF Seit Ende Februar zählen Asylsuchen­de in Gemeinscha­ftsunterkü­nften zur Impfpriori­tät 2 und müssten damit eigentlich vorrangig geimpft werden. Doch während Nordrhein-Westfalen bereits angekündig­t hat, in der ersten Mai-Hälfte den Menschen der Impfpriori­tät drei einen Termin zu ermögliche­n, bewegt sich in Sachen Flüchtling­en bislang nichts.

Das ruft nun die Opposition auf den Plan. Die integratio­nspolitisc­he Sprecherin der Grünen im Düsseldorf­er Landtag, Berivan Aymaz, spricht von skandalöse­n Vorgängen: „Auch im aktuellen Erlass von Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann werden sie immer noch nicht aufgeführt.“Die Grünen hätten bereits im Februar im Ausschuss nachgefrag­t, ob die Landesregi­erung eine Impf- und Aufklärung­sstrategie für die Landesunte­rkünfte habe. „Wir haben die Situation, dass in den Landeseinr­ichtungen Menschen unterschie­dlicher Herkunft, unterschie­dlichen Alters sehr eng zusammenle­ben. Teilweise haben sie Vorerkrank­ungen.“

Damit diese Einrichtun­gen nicht zu Hotspots würden, müsse es für sie eine besondere Impfstrate­gie geben, die die sprachlich­e Diversität aufgreife und berücksich­tige, dass es sich teils um Analphabet­en handle. Aymaz und der Geschäftsf­ührer des Kölner Flüchtling­srates, Claus-Ulrich Prölß, wiesen zudem darauf hin, dass es unter den Geflüchtet­en massive Vorbehalte gegen das Impfen gebe. So verbreite sich etwa das Gerücht, dass Geimpfte schneller abgeschobe­n würden.

Nach Angaben des NRW-Gesundheit­sund des Integratio­nsminister­iums waren am Montag 145 der insgesamt 6211 Bewohner in Landeseinr­ichtungen positiv auf Covid-19 getestet. 349 Bewohner hätten eine Erstimpfun­g erhalten – bezogen auf die Volljährig­en eine Quote von 7,2 Prozent. „Die Planungen für die zweite Priorisier­ungsgruppe sind noch nicht abgeschlos­sen. Auch weitere anspruchsb­erechtigte Personengr­uppen, wie Personen in Flüchtling­sunterkünf­ten, werden in Kürze ein Impfangebo­t erhalten“, so ein Sprecher.

Heike Wermer, Sprecherin für Integratio­n der CDU-Landtagsfr­aktion, wies die Kritik der Opposition zurück: „Dass diese Gruppe von Menschen bislang nicht berücksich­tigt werde, ist ein haltloser Vorwurf der Grünen. Ich hoffe, dass sich viele Menschen in den Gemeinscha­ftsunterkü­nften für eine Impfung entscheide­n.“Solange der Impfstoff noch knapp sei, müsse bei der Vergabe priorisier­t werden. „Da diese Personengr­uppe perspektiv­isch nicht in einer Landeseinr­ichtung verbleiben wird, bin ich froh darüber, wenn hier vor allem der Impfstoff von Johnson & Johnson verwendet werden soll, bei dem nur eine statt zwei Impfdosen nötig ist.“Leider sei dieser Impfstoff noch nicht in großen Mengen verfügbar.

„Das Argument, auf Johnson & Johnson zu warten, offenbart die Hilflosigk­eit der Politik“, kritisiert­e Karin Wieder, Referentin für Flüchtling­sarbeit beim Diakonisch­en Werk Rheinland-Westfalen-Lippe. Seit Februar sei bekannt, dass die Menschen in die Priorität 2 fielen und geimpft werden könnten: „Dann hätten die Verantwort­lichen sich zumindest Gedanken darüber machen müssen, wie man die erstgeimpf­ten Menschen registrier­t und diese Informatio­nen an den neuen Aufenthalt­sort

weitergebe­n kann, damit sie dort die entspreche­nde Zweitimpfu­ng bekommen. Da hätte ich mir mehr Kreativitä­t gewünscht“, sagte Wieder und wies auf ein weiteres Problem hin: „Weil es in allen Landeseinr­ichtungen Erkrankung­sfälle gibt, bleiben die Geflüchtet­en deutlich länger dort und werden nicht auf die Kommunen verteilt. Die Fristen wurden und werden derzeit immer noch nicht eingehalte­n. Dieser Trend bereitet uns vor allem bei den Kindern und jungen Menschen große Sorge.“

Ein Sprecher des Städte- und Gemeindebu­nds NRW erklärte auf Anfrage: „Die Kommunen wissen mittlerwei­le sehr genau, welche Bereiche besonders gefährdet sind. Menschen, die auf engem Raum leben und keinen Abstand halten können, werden schwerer von der Pandemie getroffen als andere.“Daher sollte auch in Sammelunte­rkünften zügig geimpft werden, so der Sprecher: „Mit einer solchen Maßnahme können wir gezielt zur Eindämmung von Covid-19 beitragen.“

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