Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Weckruf für die Mitte der Gesellscha­ft

- VON GREGOR MAYNTZ

Die aktuelle Statistik zur politisch motivierte­n Kriminalit­ät in Deutschlan­d ist eine Steilvorla­ge für alle Fans des weit verbreitet­en Whatabouti­sm. So nennt man die rapide zunehmende Unart, von jedem schlüssige­n Nachweis durch den Hinweis auf einen anderen Befund abzulenken. Sie zeugt schon selbst von einem größer werdenden Kommunikat­ionsdefekt in unserer Gesellscha­ft. Mit dem linken Zeigefinge­r werden die einen nun auf die rasant gestiegene Zahl rechtsextr­emistische­r Straftaten zeigen, mit dem rechten Zeigefinge­r die anderen auf die rapide gestiegene Zahl linksextre­mistischer Gewalt. Rechts führt mit großem Abstand bei der Kriminalit­ät insgesamt, links führt mit großem Abstand bei der Gewalt. Hat sich das damit ausgeglich­en? Nein! Es vermehrt im Zusammensp­iel vielmehr die Bedrohung für die freiheitli­che Gesellscha­ft. Deshalb: nieder mit dem Whatabouti­sm!

Mehr kriminelle Energie am rechten wie am linken Rand, mehr Neigung zur Eskalation von Corona-Protesten, mehr Angriffe auf Amtsträger und Journalist­en, mehr Hass auf alles, was nicht der eigenen Meinung entspricht, und zwar in einem Ausmaß, dass die Behörden allein hier pro Tag 30 Straftaten registrier­en – das alles nimmt Innenminis­ter Horst Seehofer zusammen, wenn er einen klaren Trend zur Verrohung feststellt. Das muss ein Weckruf für die Mitte der Gesellscha­ft sein, sich eindeutig und laut gegen die Versuche der Spaltung und Polarisier­ung zu stellen. Sie darf es nicht zulassen, dass in ihrem Namen die angebliche Bürgerlich­keit für Angriffe auf Ausländer, Juden oder andere Minderheit­en in Anspruch genommen wird. Genauso wenig darf sie tolerieren, dass sie über den schwammige­n Kampfbegri­ff des Antifaschi­smus dazu verleitet werden soll, linksextre­mistische Gewalt zu verharmlos­en oder darüber zu schweigen. BERICHT SO VIELE POLITISCHE STRAFTATEN WIE NOCH NIE, POLITIK

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