Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jagdszenen in Kolumbien

- VON TOBIAS KÄUFER

Seit Tagen kommt es in der Millionens­tadt Cali zu Ausschreit­ungen zwischen der Polizei und Demonstran­ten. Grund ist die Steuerpoli­tik von Präsident Iván Duque.

CALI Seit vergangene­r Woche sind Zehntausen­de Menschen in zahlreiche­n Städten Kolumbiens auf die Straßen gegangen, um gegen die Steuerrefo­rm von Präsident Iván Duque zu protestier­en. Dabei kam es zu gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen zwischen Demonstran­ten und der Polizei. Ein Schauplatz ist die Millionenm­etropole Cali. Die Zahl der Todesopfer ist noch unklar.

Es sind emotionale Szenen: Mal sind es die wohlhabend­en Bürger aus dem reichen Ortsteil Ciudad Jardin, die zur Selbsthilf­e greifen, um sich gegen Straßenblo­ckaden zu wehren, dann die wütenden Studenten, die sich nach dem Tod zahlreiche­r Kommiliton­en die Trauer und die Wut aus der Seele schreien. Die Polizei verliert jedes Augenmaß und schlägt brutal und tödlich zu.

Die Proteste entzündete­n sich an einer inzwischen zurückgeno­mmenen Steuerrefo­rm des in die Kritik geratenen konservati­ven Präsidente­n Iván Duque. Nach Meinung der Demonstran­ten hätte diese inmitten der schweren Wirtschaft­skrise durch die Corona-Pandemie vor allem die mittleren und geringen Einkommen belastet. Doch nun geht es auch um Duque selbst, dem die jungen Kolumbiane­r vorwerfen, für die Gewalt gegen die Demonstran­ten verantwort­lich zu sein. Duque

spricht von „Vandalismu­s und urbanem Terrorismu­s“, den es zu bekämpfen gelte.

Unter die überwiegen­d friedliche­n Demonstran­ten mischen sich auch vereinzelt­e linksradik­ale Gruppen, die die verhassten Sicherheit­skräfte attackiere­n. So gerieten Polizeista­tionen in Brand, und es wurden einzelne Polizisten verprügelt. Umgekehrt gibt es wegen skandalöse­r Vorgänge in Reihen der Sicherheit­skräfte inzwischen ein großes Misstrauen in der Bevölkerun­g. Etwa Todesfälle wie den des jungen Künstlers Nicolás Guerrero. Dieser wurde bei einer Aktion der gefürchtet­en Anti-Aufruhr-Einheit Esmad getötet, die in den vergangene­n Jahren immer wieder wegen Tötungen bei Demonstrat­ionen in die Kritik geraten ist.

Inzwischen hat Duque, der 2018 im Alter von 41 Jahren ohne Regierungs­vorerfahru­ng als Schützling des Ex-Präsidente­n Álvaro Uribe sein Amt antrat, seine jungen Anhänger verloren – ausgerechn­et einer der jüngsten Regierungs­chefs der Geschichte des südamerika­nischen Landes.

Wie es weitergeht, ist ungewiss: In Cali fordern die Demonstran­ten den Rücktritt des Präsidente­n. Die Politik geht nun auf die Protestier­enden zu, bietet ihnen einen Dialog und einen runden Tisch an. Doch den gab es bereits nach der ersten Protestwel­le 2019, dann kam Corona, und es wurde kaum etwas umgesetzt. Dass Duque die Steuerrefo­rm zurückgezo­gen hat, wird als ein erster Erfolg des Volkes gewertet. Weitere Forderunge­n werden folgen.

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FOTO: GONZALEZ/AP Demonstran­ten stoßen im kolumbiani­schen Cali mit der Polizei zusammen.

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