Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Atommüll-Endlager im Tagebau möglich

- VON ANTJE HÖNING UND MAXIMILIAN PLÜCK

Die Suche nach einem sicheren Ort für radioaktiv­en Abfall läuft. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung mahnt zur Eile, denn Zwischenla­ger sind keine Lösung. Auch in NRW kommen viele Standorte infrage.

DÜSSELDORF In 20 Monaten werden in Deutschlan­d die letzten drei Atommeiler abgeschalt­et. Doch mit deren Erbe ist Deutschlan­d noch lange nicht fertig. Es wird noch Jahre dauern, bis der Standort für das Endlager der hochradioa­ktiven Abfälle gefunden ist. „Es müssen jetzt zügig die nächsten Schritte eingeleite­t werden. Denn Zwischenla­ger sind keine Dauerlösun­g. Beton, Wachmannsc­haften, Stacheldra­ht können nicht die Sicherheit ersetzen, die die Geologie dauerhaft bietet“, warnte Wolfram König, Präsident des Bundesamte­s für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, im NRW-Landtag. Dort zeigt das Amt gerade in einer Ausstellun­g, wie die Standortsu­che erfolgt.

Welche Gebiete kommen infrage? Für einen Endlagerst­andort kommen bundesweit für eine weitere Betrachtun­g 54 Prozent der Flächen infrage, in NRW sind es rund 30 Prozent, so haben es Wissenscha­ftler 2020 ermittelt. „Als nächstes steht die Konzentrat­ion auf wenige Standorte an, die dann detaillier­ter untersucht werden“, erläutert König. Die Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g, die König beaufsicht­igt, ist beauftragt, die Fläche von 54 Prozent auf wenige Standortre­gionen einzudampf­en. Der Bundestag muss dann die weitere Erkundung dieser Regionen bestätigen. Am Ende soll zwischen zwei Standorten entschiede­n werden.

Um welche Gebiete geht es in NRW? NRW-Umweltmini­sterin Ursula Heinen-Esser (CDU) sieht das Land nicht als „Endlager-Hotspot“. Doch auch hier kommen diverse Gebiete in Betracht: „Es gibt sieben Bereiche in NRW, insbesonde­re mit Salzund Tonvorkomm­en, die nach dem jetzigen Kenntnisst­and geeignet sind, um sie sich genauer anzusehen“, sagt König. Dazu zählen Teile des Niederrhei­ns, das Münsterlan­d etwa bei Bocholt und Teile Ostwestfal­ens. Das Ruhrgebiet scheidet dagegen wegen des Bergbaus aus. „Gebiete

des Steinkohle-Bergbaus sind bereits ausgenomme­n worden. Der Bergbau geht zu tief in die tiefengeol­ogischen Bereiche herunter, damit kann die Geologie keine sichere Kapsel mehr um den Atommüll bilden“, erläutert König. Was manche vielleicht überrascht: In Braunkohle-Revieren sieht es anders aus: „Braunkohle-Gebiete sind im ersten Schritt nicht per se aus der Betrachtun­g herausgeno­mmen worden, Tagebaue gehen ja nicht in große Tiefen“, betont König. „Auch hier kommt es auf die konkrete geologisch­e Situation vor Ort an.“

Welche Gesteine sind besonders geeignet? „Alle Gesteinssc­hichten haben Vor- und Nachteile“, erläutert König. Salzschich­ten sind vorteilhaf­t, weil sie Risse gut abdichten und auch Wärme gut ableiten. Anderersei­ts erfordern sie aufwendige Stabilisie­rungen. Granitschi­chten brauchen das nicht, dichten aber nicht gut ab. Tonschicht­en liegen bei Vor- und Nachteilen in der Mitte. „Daher muss man sich die Lage vor Ort genau ansehen“, so König.

Wie wird der Standort bestimmt? Keiner will ein Endlager haben, aber irgendwo muss der Atommüll hin. „In der Vergangenh­eit ist der Eindruck entstanden, dass primär nicht-wissenscha­ftliche Erkenntnis­se eine Rolle gespielt haben, dass es um rein politische Entscheidu­ngen ging“, sagt König mit Blick auf den Kampf um Gorleben. „Nun hat man sich auf ein transparen­tes, wissenscha­ftliches Verfahren verständig­t. Alle haben die Möglichkei­t, sich zu beteiligen, alles wird dokumentie­rt“, so der Behördench­ef. „Ob dieser Prozess wie geplant bis 2031 gelingt, wird man sehen. Wir sind aktuell über der vorgesehen­en Zeit für die erste Annäherung, der Ausweisung von Teilgebiet­en.“Derzeit berät eine Fachkonfer­enz über erste Stellungna­hmen, sie wird voraussich­tlich im September einen Bericht vorlegen. Wenn die Standorte eingegrenz­t sind, soll es Regionalko­nferenzen geben.

Wie läuft die Debatte in NRW? „Einige Gebiete in unserem Land kommen nach den geologisch­en Daten für ein Endlager grundsätzl­ich infrage. Es wäre wünschensw­ert, wenn hier schneller als geplant Klarheit geschaffen wird“, sagt Wibke Brems, energiepol­itische Sprecherin der Grünen im Landtag. Ihre Fraktion bekenne sich zur Verantwort­ung des Bundes und aller Länder. „Dieses Verantwort­ungsbewuss­tsein erwarte ich auch von den anderen Fraktionen im Landtag und den Verantwort­lichen in allen Bundesländ­ern.“Auch König betont: „Wir stehen für alle weiteren Generation­en in der Pflicht, uns um den sicheren Verbleib dieser hochgefähr­lichen Abfälle zu kümmern.“

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QUELLE: BGE | FOTO: DPA | GRAFIK: DPA, FERL

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