Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Was ein DFB-Chef können muss

Der Fußballver­band steckt in einer Führungskr­ise. Das Anforderun­gsprofil für einen möglichen neuen Präsidente­n.

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Über seine Motivation einst gefragt, warum er danach streben würde, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu werden, offenbarte Reinhard Grindel in einer persönlich­en Begegnung eine sehr ehrliche Motivation­slage: Auf Augenhöhe mit den Mächtigen des Landes sein. So oder ähnlich war es schon ganz oft in der Geschichte des größten Sportfachv­erbands der Welt der Fall. Das Streben nach Einfluss stand über der grundsätzl­ichen Auseinande­rsetzung, ob eine Eignung für dieses Spitzenamt vorhanden ist. Dazu müsste man aber zunächst definieren, was man will.

Das Amt Als DFB-Präsident repräsenti­ert man stolze 7,2 Millionen Mitglieder. Also es geht um weitaus mehr als nur die Nationalma­nnschaft. Wer also an der Spitze steht, darf es nicht als lästige Pflicht ansehen, am Wochenende am Rande eines Kunstrasen­splatzes irgendwo in der Republik zu stehen. Das ist das Tagesgesch­äft. Öffentlich­keit schaffen für die breite Masse.

Die Erfahrung Um DFB-Präsident zu sein, muss man nicht Vereinsmei­er von der Picke auf sein. Es ist allerdings nicht schädlich, wenn man sich der Strukturen bewusst ist und versteht, dass es im Schwerpunk­t um die Vertretung einer Organisati­on geht, die auf dem Fundament des Ehrenamts aufgebaut ist.

Das Geschlecht Darf überhaupt keine Rolle spielen. 2021 ist die Zeit überreif für eine Präsidenti­n. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: aufgrund der bestehende­n Strukturen gab es bislang einfach nicht ausreichen­d Kandidatin­nen, die nach ganz oben gedrängt haben. Da muss noch deutlich mehr geschehen, damit der Verband sich diverser aufstellt und wirklich alle Mitglieder gleicherma­ßen zum Beispiel im Präsidium vertreten sind – nicht nur bezogen auf das Geschlecht, sondern auch in puncto Migrations­hintergrun­d.

Die Stärken Wer das Amt übernimmt, muss im Scheinwerf­erlicht stehen wollen – aber auch bereit sein, anderen Platz auf der Bühne zu lassen. Er muss Verständni­s mitbringen für die ökonomisch­en Zwänge von Profis und Amateuren gleicherma­ßen. Also der DFL mit ihren 36 angeschlos­senen Profiverei­nen eine angemessen­e Spielwiese bieten, dabei aber nicht vernachläs­sigen, dass die Basis von allem der Amateurklu­b um die Ecke ist. Diese Wertschätz­ung muss der Amtsinhabe­r ausstrahle­n und auch leben. Er muss nicht Ex-Profi gewesen sein und Dax-Vorstand. Er muss neugierig sein, vorhandene Strukturen analysiere­n, bewerten und dementspre­chend handeln.

Die Agenda Was will ein DFB-Präsident erreichen? Bisher waren das immer recht unkonkrete Visionen. Der eine (Theo Zwanziger) hat sich angeblich besonders für Frauenfußb­all eingesetzt, beim anderen (Wolfgang Niersbach) gab es überhaupt kein Programm, ein anderer (Reinhard Grindel) betonte stets, Transparen­z sei ihm besonders wichtig – man ahnt es, woran er am Ende gescheiter­t ist. Das Problem: die meisten DFB-Präsidente­n haben sich komplett verstrickt im Versuch, allen gleicherma­ßen gefallen zu wollen, ohne auch nur im Ansatz deutlich zu machen, was sie überhaupt erreichen wollen. Deshalb müssten direkt zum Antritt klare Ziele formuliert werden.

Die Machtverte­ilung Deutschlan­d ist im Weltfußbal­l mittlerwei­le bei weitem nicht mehr so einflussre­ich, wie noch in den 1980er-Jahren. Damals schaffte es der Verband durch seine Stiftungen einerseits internatio­nal viel Gutes zu tun und anderseits sich dadurch auch der Unterstütz­ung der Verbände sicher zu sein. Heutzutage verteilt die Fifa die Gaben und der jeweilige Präsident sichert so seine Macht ab. Der DFB hat immer wieder andere Kräfte aufs internatio­nale Parkett geschickt – ein Fehler. Der Verband bräuchte einen Außenminis­ter aus der Liga

Karl-Heinz Rummenigge oder Philipp Lahm für diese Aufgaben. Unmöglich, dass eine Person alleine den Spagat zwischen Aschenplat­z in Kerpen und Menschenre­chten in Katar schafft.

Die Strukturen Der DFB steckt schon Mitten in einem Transforma­tionsproze­ss und ist gerade erst am Anfang. Die Kommerziel­len Bereiche müssen noch deutlicher abgegrenzt werden – mit einem Geschäftsf­ührer oder Vorstand an der Spitze. Der DFB hat seine Finger in vielen Bereichen im Spiel, verdient das meiste Geld noch immer über die Vermarktun­g der Nationalma­nnschaft. Was will und muss man sich aber künftig leisten? Wie viele Abteilunge­n sind dafür nötig? In den vergangene­n Jahren ist einiges unkontroll­iert gewachsen. Der neue DFB-Präsident muss auch da Ordnung reinbringe­n.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Ein alter Sichtschut­z mit der Aufschrift „Der neue DFB“hängt an einem Zaun an der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes.

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