Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Laumanns Appell ist richtig und beweist Mut
Der Fortschritt ist eine Schnecke, aber auch die kommt voran. Und so ist es eine gute Nachricht, dass NRW nun die Impfzentren weiter öffnet. Da die Priorisierungsgruppe 3 groß ist und der Impfstoff knapp, blieb Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann nichts anderes übrig, als innerhalb der Gruppe 3 zu priorisieren. Das ist nur halb gelungen: Gut ist es, dass nun Mitarbeiter im Lebensmittelhandel einen Termin ausmachen können. Sie sichern die Versorgung durch alle Lockdowns hindurch und können nicht im Homeoffice sitzen. Wenig überzeugend ist, dass Steuerfahnder, Richter und Staatsanwälte auf der Liste stehen. Da sind elementar wichtige Gruppen wie Müllwerker, Bestatter oder Apotheker gewiss größeren Infektionsgefahren ausgesetzt. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Finanzund Justizministerium Lobbyarbeit für ihr Personal gemacht haben. Das ist nicht sehr geschickt.
Mit seiner klaren Ansage an die über 60-Jährigen hat Laumann hingegen Mut bewiesen. Er appelliert an Ältere, den Impfstoff von Astrazeneca zu nehmen. Das wird viele Debatten auslösen, weil „Astra“sein Imageproblem nicht mehr loswird. Doch zu Recht betont Laumann, dass dies ein guter, wirksamer Impfstoff ist, was auch die Impfung von Millionen Briten zeigt. Zudem sind die Nebenwirkungen bei Älteren viel geringer. Hier geht es, wie Laumann richtig sagt, um Solidarität: Wer als über 60-Jähriger auf Biontech besteht, nimmt Jüngeren, die kein Astrazeneca bekommen können, den Impfstoff weg. Gewiss: Es bleibt jedem überlassen, ob und womit er sich impfen lässt. Doch wenn Ältere, die jetzt vor Millionen anderen an die Reihe kommen, Astrazeneca ablehnen, sollten sie ihr Recht auf eine prioritäre Impfung verwirken und sich hinten anstellen. Im Sommer wird es genug Impfstoff geben, sodass alle aussuchen können.
BERICHT NRW LEGT ÄLTEREN ASTRAZENECA NAHE, TITELSEITE