Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Fünf Dinge, die Mut machen
MEINUNG Nach mehr als einem Jahr Corona-Krise ist endlich Licht zu sehen: Beim Impfen und Testen geht es voran, der Aufschwung kündigt sich an. Deutschland wird glimpflich davonkommen – auch wenn die Stimmung derzeit anders ist.
ber diesen Fernsehauftritt wird auch Angela Merkel selbst nicht besonders glücklich gewesen sein: Am 2. Februar sitzt die Bundeskanzlerin in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“und stemmt sich gegen die anschwellende Kritik an ihrem Krisenmanagement. Und dann sagt sie einen Satz, den viele Menschen ihr hinterher übelnehmen. Einige Kommentatoren schreiben sogar, nun habe die Dauer-Kanzlerin den Kontakt zu den Bürgern und ihrer Wirklichkeit endgültig verloren. Merkel sagt: „Ich glaube, dass im Großen und Ganzen nichts schiefgelaufen ist.“
Wie bitte? Die Deutschen warteten damals seit Wochen vergeblich auf Impfstoffe, die sie selbst erfunden hatten. Schnelltests oder gar Eigentests waren Utopien, FFP2-Masken eine Rarität, selbst genähte Stofflappen normal. Während Israel, die USA und Großbritannien munter vor sich hin impften, litten die Kontinentaleuropäer unter dem Versagen ihrer Politiker, die es verschlafen hatten, schneller Impfstoffe zu besorgen. Bundesregierung und EU wurden mit Häme überhäuft, aber für Merkel war im Großen und Ganzen alles in Ordnung.
Die Kanzlerin war ihrer Zeit damals gedanklich zu weit voraus; ihre Einschätzung der Lage wirkte falsch, geradezu ignorant. Aber nun? Drei Monate später hat sich die Lage merklich zum Guten verändert. Endlich lässt sich mit Fug und Recht über einige positive Entwicklungen berichten. Der Höhepunkt der schwersten Krise der Nachkriegszeit scheint hinter uns liegen. Schon ab Sonntag gewinnen Geimpfte und Genesene einige Freiheiten zurück.
Impfstoffe Mit bis zu einer Million Impfungen täglich kommen Impfzentren und Hausärzte jetzt an ihre Kapazitätsgrenzen. Fast 30 Prozent der Bürger sind einmal geimpft, knapp zehn Prozent das zweite Mal. Gerade hat der Gesundheitsminister
fast vier Millionen Dosen pro Woche allein vom beliebtesten Hersteller Biontech angekündigt. Biontech hat die Zulassung für Zwölf- bis 15-Jährige beantragt, ab Juni sollen auch sie geimpft werden. In vielen Bundesländern kommen über 60-Jährige relativ leicht an Impftermine, auch Jüngere berichten zunehmend von ihrer ersten Impfung. Wenn es in manchen Ländern, wie etwa in NRW, trotzdem unbefriedigend langsam vorangeht, liegt das nicht mehr an zu wenig Impfstoff, sondern an logistischen Mängeln – und an einer vergleichsweise hohen Bevölkerungszahl. Zudem lassen die Bürger den Astrazeneca-Impfstoff liegen – zu sehr hat sie das Hin und Her bei der Zulassung verunsichert. Fazit: Vom anfänglich beschriebenen „Impfdesaster“kann keine Rede mehr sein. Merkels Versprechen, bis zum Ende des kalendarischen Sommers allen, die wollen, die erste Impfung zu ermöglichen, wird sehr wahrscheinlich eingelöst.
„Es wurden in der Pandemie von Politik und Wirtschaft zahlreiche Fehler begangen. Zu einer ehrlichen Analyse der Pandemie gehört aber die Erkenntnis, dass Deutschland deutlich besser durch diese Krise gekommen ist als die meisten anderen Länder“, sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. „Deutschland gehört weltweit zu den Spitzenreitern bei den Impfungen.“
Tests Ein Schnell- oder PCR-Test war bis Frühlingsbeginn oft ein schwieriges und kostspieliges Unterfangen, aber jetzt gilt: Wer sich testen lassen möchte, kann das recht problemlos tun. Online-Termine für registrierte Schnelltests sind relativ leicht zu bekommen, Arztpraxen, Labore oder Start-up-Unternehmer haben daraus ein einträgliches Geschäft gemacht. Vielerorts kann man sich inzwischen täglich kostenlos testen lassen. Nur in den Schulen läuft das Testen weiterhin nicht rund, vielerorts herrschen Chaos und Unzufriedenheit. Nun sollen Lolli-Tests für Kleinere