Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Start in einen neuen Lebensabschnitt
Seit Mittwoch ist klar, dass Säbelfechter Max Hartung vom TSV Bayer Dormagen im Sommer Geschäftsführer der Sportstiftung NRW wird. Doch zuvor will er noch bei Olympia in Tokio auf der Planche Höchstleistungen abliefern.
DORMAGEN Max Hartung ist ein junger Mensch, der gerne seine Meinung sagt und auch eine Haltung in der Öffentlichkeit vertritt. Als Präsident des von ihm mit auf den Weg gebrachten Vereins „Athleten Deutschland“hat der Weltklasse-Säbelfechter aus den Reihen des TSV Bayer Dormagen erst kürzlich klar Stellung bezogen, als die deutschen Turnerinnen inklusive der Dormagenerin Sarah Voss bei der EM in Basel eine Aktion gegen Sexualisierung im Sport initiierten und als es darum ging, mit Blick auf Corona die Schutzkonzepte für Athleten bei sportlichen Großereignissen zu hinterfragen. Dazu passt auch, dass er 2020 rund um die Verschiebung der Olympischen Spiele von Tokio erklärte, er würde aus Rücksicht auf die Bevölkerung und den globalen Gesundheitsschutz nicht antreten. Auch zu Rassismus und anderen gesellschaftlich relevanten Themen, die den Sport tangieren, wird er von Medienvertretern gerne befragt.
Daraus hat sich in vielen Jahren ein Gesamtbild ergeben, dass jetzt offenbar dazu beigetragen hat, dass er einen wichtigen Schritt in einen neuen Lebensabschnitt vollziehen konnte. „Sicher haben mir meine Erfahrungen und mein Netzwerk geholfen. Aber auch meine Haltung, die ich in der Öffentlichkeit verbreite, ist offenbar gut angekommen. Das freut mich besonders“, sagt der 31-jährige Max Hartung mit Blick auf den vergangenen Mittwoch, als das Kuratorium der Stiftung Sport NRW ihn zum neuen Geschäftsführer dieser für den Leistungssport im bevölkerungsstärksten Bundesland so wichtigen Institution wählte. Seit über 20 Jahren unterstützt die Stiftung mit Sitz in Köln aussichtsreiche Athleten auf dem Weg in die Spitze finanziell, fördert Sportinternate und arbeitet auch eng mit dem Landesportbund und den Olympiastützpunkten zusammen. In den vergangenen Jahren hat die Stiftung aber auch einen weiteren Schwerpunkt gesetzt, nämlich unter dem Stichwort „Zwillingskarriere“das berufliche Fortkommen der Leistungssportler zu unterstützen.
Maßgebliche Triebfeder dahinter ist der bisherige Geschäftsführer Jürgen Brüggemann, der von Beginn an die Entwicklung der Stiftung begleitet, sich Ende Juli aber in den Ruhestand verabschiedet. Dass das so kommt, wusste Hartung schon länger. Als die Stelle des Geschäftsführers
bei der Sportstiftung NRW dann aber offiziell ausgeschrieben wurde, sah er eine Chance, die er auf keinen Fall verstreichen lassen wollte. Obwohl sein Fokus aktuell eigentlich auf der Vorbereitung auf seine dritten Olympischen Spiele nach London und Rio de Janeiro liegt. „Mein ursprünglicher Plan war, mich nach Tokio mit meiner beruflichen Zukunft zu beschäftigen. Aber ich habe mich dann doch entschieden, das vorzuziehen, weil es einfach eine große Chance ist, weiter für die Belange der Sportler zu arbeiten“, erklärt Hartung.
Aber auch wenn sein Weg nach Stationen als Athletensprecher des Deutschen Fechter-Bundes, als Vorsitzender der Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), als Mitglied im Aufsichtsrat der Stiftung Deutsche Sporthilfe und Gründungspräsident des Athleten Deutschland e.V. irgendwie vorgezeichnet scheint, ist ihm die Geschäftsführerposition bei der Sportstiftung NRW nicht in den Schoß gefallen. Max Hartung musste sich wie alle anderen dem Bewerbungsverfahren stellen. Am Ende bekam er unter 160 Kandidaten den Zuschlag. Neben seinem extremen Einsatz als Leistungssportler auf Weltklasse-Niveau schloss Hartung zwar auch ein Studium in Politik, Soziologie und Wirtschaft an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen mit dem Bachelor ab und möchte auch noch ein berufsbegleitendes Studium zum Master of Business Administration beenden, doch die Aussicht, in gar nicht allzu ferner Zeit eine Vollzeitstelle zu bekleiden, fühlt sich für ihn auch noch ein wenig fremd an. „Dinge, die ich lange Zeit verdrängt habe, werden jetzt ganz konkret. Dann habe ich sogar einen eigenen Schreibtisch, alles irgendwie ganz furchtbar erwachsene Dinge“, sagt Hartung und lacht dabei.
In der Heimat gibt es keine Zweifel daran, dass Max Hartung bestens für seinen neuen Job geeignet ist. Als Leistungssportler hat er dort nicht nur von der Stiftung Sport der Sparkasse Neuss und des Rhein-Kreises Neuss sowie von den aus der Privatwirtschaft hervorgegangenen Partnern für Sport und Bildung profitiert, sondern eben auch die Sportstiftung NRW hat ihn auf dem Weg nach ganz oben unterstützt. „Es ist einfach positiv, jemanden auf diesem Posten zu haben, der die Sorgen und Nöte der Athleten kennt“, sagt Olaf Kawald, der Hartung als Trainer und Fechtkoordinator des TSV Bayer Dormagen schon begleitet, seit der mit acht Jahren erstmals den Säbel in die Hand nahm. Auch Landrat Hans-Jürgen Petrauschke sowie Kreisdirektor und Kreis-Sportdezernent Dirk Brügge halten Hartung für eine gute Wahl, „weil er mit den Akteuren im Sport auf Landes- und Bundesebene vertraut und im nationalen und internationalen Sport sehr gut vernetzt ist“.
Mit ganz konkreten Plänen, Zielen und Visionen für den neuen Job hat sich der 31-Jährige noch nicht beschäftigt. „Ich trete in große Fußstapfen. Wenn eine tragende Säule wie Jürgen Brüggemann in Ruhestand geht, muss es das erste Etappenziel sein, einen guten Übergang hinzubekommen“, betont Hartung, der zwar schon Ideen hat, sich jetzt aber zunächst voll auf Olympia konzentrieren will. Denn obwohl durch die Corona-Pandemie auch die Vorbereitung völlig anders ist, möchte er dort als Fechter den bestmöglichen Max Hartung präsentieren. „Deswegen packe ich jetzt erstmal alle Gedanken an den neuen Job in eine Kiste.“Gleichwohl ist ihm klar, dass nach Olympia eine weitere wichtige Weichenstellung ansteht. Das Wort Karriereende will er zwar noch nicht in den Mund nehmen, doch er weiß, dass er deutlich kürzertreten muss. „Aber vielleicht kann ich ja etwas zurückgeben, indem ich helfe, die neue Generation in Dormagen zu unterstützen. Das würde ich gerne tun“, sagt Hartung. Ein Leistungssportler mit einer ganz besonderen Haltung eben.