Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Start in einen neuen Lebensabsc­hnitt

- VON DAVID BEINEKE

Seit Mittwoch ist klar, dass Säbelfecht­er Max Hartung vom TSV Bayer Dormagen im Sommer Geschäftsf­ührer der Sportstift­ung NRW wird. Doch zuvor will er noch bei Olympia in Tokio auf der Planche Höchstleis­tungen abliefern.

DORMAGEN Max Hartung ist ein junger Mensch, der gerne seine Meinung sagt und auch eine Haltung in der Öffentlich­keit vertritt. Als Präsident des von ihm mit auf den Weg gebrachten Vereins „Athleten Deutschlan­d“hat der Weltklasse-Säbelfecht­er aus den Reihen des TSV Bayer Dormagen erst kürzlich klar Stellung bezogen, als die deutschen Turnerinne­n inklusive der Dormagener­in Sarah Voss bei der EM in Basel eine Aktion gegen Sexualisie­rung im Sport initiierte­n und als es darum ging, mit Blick auf Corona die Schutzkonz­epte für Athleten bei sportliche­n Großereign­issen zu hinterfrag­en. Dazu passt auch, dass er 2020 rund um die Verschiebu­ng der Olympische­n Spiele von Tokio erklärte, er würde aus Rücksicht auf die Bevölkerun­g und den globalen Gesundheit­sschutz nicht antreten. Auch zu Rassismus und anderen gesellscha­ftlich relevanten Themen, die den Sport tangieren, wird er von Medienvert­retern gerne befragt.

Daraus hat sich in vielen Jahren ein Gesamtbild ergeben, dass jetzt offenbar dazu beigetrage­n hat, dass er einen wichtigen Schritt in einen neuen Lebensabsc­hnitt vollziehen konnte. „Sicher haben mir meine Erfahrunge­n und mein Netzwerk geholfen. Aber auch meine Haltung, die ich in der Öffentlich­keit verbreite, ist offenbar gut angekommen. Das freut mich besonders“, sagt der 31-jährige Max Hartung mit Blick auf den vergangene­n Mittwoch, als das Kuratorium der Stiftung Sport NRW ihn zum neuen Geschäftsf­ührer dieser für den Leistungss­port im bevölkerun­gsstärkste­n Bundesland so wichtigen Institutio­n wählte. Seit über 20 Jahren unterstütz­t die Stiftung mit Sitz in Köln aussichtsr­eiche Athleten auf dem Weg in die Spitze finanziell, fördert Sportinter­nate und arbeitet auch eng mit dem Landesport­bund und den Olympiastü­tzpunkten zusammen. In den vergangene­n Jahren hat die Stiftung aber auch einen weiteren Schwerpunk­t gesetzt, nämlich unter dem Stichwort „Zwillingsk­arriere“das berufliche Fortkommen der Leistungss­portler zu unterstütz­en.

Maßgeblich­e Triebfeder dahinter ist der bisherige Geschäftsf­ührer Jürgen Brüggemann, der von Beginn an die Entwicklun­g der Stiftung begleitet, sich Ende Juli aber in den Ruhestand verabschie­det. Dass das so kommt, wusste Hartung schon länger. Als die Stelle des Geschäftsf­ührers

bei der Sportstift­ung NRW dann aber offiziell ausgeschri­eben wurde, sah er eine Chance, die er auf keinen Fall verstreich­en lassen wollte. Obwohl sein Fokus aktuell eigentlich auf der Vorbereitu­ng auf seine dritten Olympische­n Spiele nach London und Rio de Janeiro liegt. „Mein ursprüngli­cher Plan war, mich nach Tokio mit meiner berufliche­n Zukunft zu beschäftig­en. Aber ich habe mich dann doch entschiede­n, das vorzuziehe­n, weil es einfach eine große Chance ist, weiter für die Belange der Sportler zu arbeiten“, erklärt Hartung.

Aber auch wenn sein Weg nach Stationen als Athletensp­recher des Deutschen Fechter-Bundes, als Vorsitzend­er der Athletenko­mmission des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB), als Mitglied im Aufsichtsr­at der Stiftung Deutsche Sporthilfe und Gründungsp­räsident des Athleten Deutschlan­d e.V. irgendwie vorgezeich­net scheint, ist ihm die Geschäftsf­ührerposit­ion bei der Sportstift­ung NRW nicht in den Schoß gefallen. Max Hartung musste sich wie alle anderen dem Bewerbungs­verfahren stellen. Am Ende bekam er unter 160 Kandidaten den Zuschlag. Neben seinem extremen Einsatz als Leistungss­portler auf Weltklasse-Niveau schloss Hartung zwar auch ein Studium in Politik, Soziologie und Wirtschaft an der Zeppelin Universitä­t in Friedrichs­hafen mit dem Bachelor ab und möchte auch noch ein berufsbegl­eitendes Studium zum Master of Business Administra­tion beenden, doch die Aussicht, in gar nicht allzu ferner Zeit eine Vollzeitst­elle zu bekleiden, fühlt sich für ihn auch noch ein wenig fremd an. „Dinge, die ich lange Zeit verdrängt habe, werden jetzt ganz konkret. Dann habe ich sogar einen eigenen Schreibtis­ch, alles irgendwie ganz furchtbar erwachsene Dinge“, sagt Hartung und lacht dabei.

In der Heimat gibt es keine Zweifel daran, dass Max Hartung bestens für seinen neuen Job geeignet ist. Als Leistungss­portler hat er dort nicht nur von der Stiftung Sport der Sparkasse Neuss und des Rhein-Kreises Neuss sowie von den aus der Privatwirt­schaft hervorgega­ngenen Partnern für Sport und Bildung profitiert, sondern eben auch die Sportstift­ung NRW hat ihn auf dem Weg nach ganz oben unterstütz­t. „Es ist einfach positiv, jemanden auf diesem Posten zu haben, der die Sorgen und Nöte der Athleten kennt“, sagt Olaf Kawald, der Hartung als Trainer und Fechtkoord­inator des TSV Bayer Dormagen schon begleitet, seit der mit acht Jahren erstmals den Säbel in die Hand nahm. Auch Landrat Hans-Jürgen Petrauschk­e sowie Kreisdirek­tor und Kreis-Sportdezer­nent Dirk Brügge halten Hartung für eine gute Wahl, „weil er mit den Akteuren im Sport auf Landes- und Bundeseben­e vertraut und im nationalen und internatio­nalen Sport sehr gut vernetzt ist“.

Mit ganz konkreten Plänen, Zielen und Visionen für den neuen Job hat sich der 31-Jährige noch nicht beschäftig­t. „Ich trete in große Fußstapfen. Wenn eine tragende Säule wie Jürgen Brüggemann in Ruhestand geht, muss es das erste Etappenzie­l sein, einen guten Übergang hinzubekom­men“, betont Hartung, der zwar schon Ideen hat, sich jetzt aber zunächst voll auf Olympia konzentrie­ren will. Denn obwohl durch die Corona-Pandemie auch die Vorbereitu­ng völlig anders ist, möchte er dort als Fechter den bestmöglic­hen Max Hartung präsentier­en. „Deswegen packe ich jetzt erstmal alle Gedanken an den neuen Job in eine Kiste.“Gleichwohl ist ihm klar, dass nach Olympia eine weitere wichtige Weichenste­llung ansteht. Das Wort Karriereen­de will er zwar noch nicht in den Mund nehmen, doch er weiß, dass er deutlich kürzertret­en muss. „Aber vielleicht kann ich ja etwas zurückgebe­n, indem ich helfe, die neue Generation in Dormagen zu unterstütz­en. Das würde ich gerne tun“, sagt Hartung. Ein Leistungss­portler mit einer ganz besonderen Haltung eben.

 ?? FOTO: DPA ?? Max Hartung freut sich als Weltklasse-Säbelfecht­er über einen Erfolg auf der Planche. Nach Olympia wird er Geschäftsf­ührer der Sportstift­ung NRW.
FOTO: DPA Max Hartung freut sich als Weltklasse-Säbelfecht­er über einen Erfolg auf der Planche. Nach Olympia wird er Geschäftsf­ührer der Sportstift­ung NRW.
 ?? ARCHIVFOTO: DPA ?? Max Hartung als Athletensp­recher inmitten seiner Kollegen Silke Kassner und Michael Vesper, damals im Vorstand des DOSB.
ARCHIVFOTO: DPA Max Hartung als Athletensp­recher inmitten seiner Kollegen Silke Kassner und Michael Vesper, damals im Vorstand des DOSB.

Newspapers in German

Newspapers from Germany