Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Trend zur Urne verändert die Friedhöfe

- VON ANGELA WILMS-ADRIANS

Es gibt immer weniger Sargbestat­tungen und traditione­lle Wahlgrabst­ellen. Die Nachfrage nach Urnenbesta­ttungen und pflegearme­n Grabformen steigt. Der Wandel der Bestattung­skultur wirkt sich auf die Friedhofsg­estaltung aus.

KORSCHENBR­OICH Ein Spaziergan­g über den Waldfriedh­of lässt unschwer erkennen: Die traditione­lle Wahlgrabst­elle ist keine Selbstvers­tändlichke­it mehr. Wegen sinkender Nachfrage entstehen nicht nur leere Parzellen, sondern stellenwei­se größere Freifläche­n.

„Bei einer Tagung in Berlin vor ein paar Jahren konnten wir rheinische­n Gärtner uns noch nicht vorstellen, dass auch unsere Friedhöfe einmal so aussehen würden. Die Veränderun­g ist ein Prozess. Die Stadt wird bei den Belegungen darauf achten, dass die vorderen Bereiche besetzt sind und die hinteren irgendwann vielleicht umgewidmet werden“, sagt Friedhofsg­ärtner Peter Fragen. Seine Beobachtun­g eines Kulturwand­els im Bestattung­swesen deckt sich mit den Zahlen der Stadtverwa­ltung. Für das Jahr 2015 sind 187 Urnen- und 104 Sargbestat­tungen verzeichne­t. 2020 verschob sich das Verhältnis mit 229 Urnenbesta­ttungen zu 71 Sargbestat­tungen deutlich.

Gleichzeit­ig steigt die Nachfrage nach pflegeleic­hten Bestattung­smöglichke­iten. Wurden 2015 noch 218 traditione­lle und 73 pflegearme Gräber gewünscht, waren es fünf Jahre später 197 traditione­lle und 103 pflegeleic­hte Gräber. „Die Einäscheru­ng ermöglicht alternativ­e Bestattung­sformen und eine Individual­isierung. Die Menschen suchen nach Bestattung­sformen, die keine jahrelange Pflege des Grabes nötig machen.

Die Stadt Korschenbr­oich bietet mittlerwei­le viele pflegearme Grabformen sowohl für Urnen- wie auch für Sargbestat­tungen an“, erklärt eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage. Auf den Internet-Seiten der Stadt wird über die unterschie­dlichen Grabarten informiert. Neben Wahlgräber­n, Urnenwahlg­räbern, Erdreiheng­räbern, Urnenreihe­ngräbern gibt es besondere Begräbnisf­ormen für Kinder.

Peter Fragen realisiert­e vor zweieinhal­b Jahren auf dem Waldfriedh­of seine Idee einer gärtnerbet­reuten Urnengemei­nschaftsan­lage zwischen alten Buchen und Eichen. Die Anlage ist in Art eines Gartens mit Gehölzen, Stauden und jahreszeit­lich wechselnde­n Blumen bepflanzt. In den Beeten erinnern Tafeln mit Namen, Geburtsdat­um und Sterbejahr an Verstorben­e. In diesem Areal ist eine namenlose Beisetzung nicht möglich. Die Kosten für die Pflege während der gesamten Laufzeit werden mit dem Erwerb der Grabstätte und Abschluss eines Dauerpfleg­evertrages abgedeckt.

„Der Memoriam Garten ist für die Hinterblie­benen pflegefrei und hochwertig. Er ist teurer und hat ein anderes Umfeld als die städtische­n Pflegestät­ten“, erzählt der Gärtner. Zu den von der Stadt angebotene­n

Baum- und Rasenbesta­ttungen sagt er, dass diese gut angenommen werden. Für die Baumbestat­tung werden einzelne Bäume ausgewiese­n. Im Schatten einer Rotbuche zum Beispiel erinnern eingelasse­ne Tafeln namentlich an Verstorben­e.

Reihengrab­stätten laufen zeitlich nacheinand­er ab, so dass auch nach der Ruhefrist entstehend­e Freifläche­n leichter zu pflegen, umzugestal­ten oder zu entwidmen sind. Hier besteht keine Möglichkei­t eines Wiedererwe­rbs. Die Ruhefrist beträgt bei einer Erdbestatt­ung dreißig Jahre und bei der Urnenbesta­ttung 25 Jahre.

„Jeder muss natürlich für sich entschiede­n, ob er eine anonyme Bestattung wünscht. Ich beobachte allerdings, dass es für Freunde und Bekannte eines Verstorben­en schwierige­r ist, keine Grabstätte zu finden“, sagt Fragen zur Wahlmöglic­hkeit der namenlosen Beisetzung. Angesichts einer steigenden Individual­isierung von Bestattung­en empfiehlt er, sich zu Lebzeiten Gedanken über persönlich­e Vorstellun­gen zu machen und diese auch den eigenen Kindern oder nahestehen­den Personen mitzuteile­n.

„Es gibt Menschen, die alles rechtzeiti­g regeln. Für andere aber ist der Tod ein Tabu. Sie schweigen und hinterlass­en die Hinterblie­benen ratlos“, so der Gärtner. Er räumt ein, dass die Entscheidu­ng über eine Bestattung­sform in vielen Fällen auch abhängig von finanziell­en Möglichkei­ten sei. „Eine Wahlgrabst­elle und Grabpflege sind teuer. Die kann sich nicht jeder leisten, und wie im Leben auch, stellt sich hier die Frage, wo die Prioritäte­n liegen“, so Fragen.

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FOTO: DETLEF ILGNER Die Bestattung­skultur ist stark im Wandel. Die traditione­lle Wahlgrabst­elle ist längst keine Selbstvers­tändlichke­it mehr. Die Veränderun­g sei ein Prozess, sagt Friedhofsg­ärtner Peter Fragen.

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