Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Herr der Linien

Wenn es auf den Gleisen und Straßen ein Problem gibt, beginnt für Pascal Schulz in der Leitstelle der DVG die Arbeit.

- VON MARC LATSCH

DUISBURG/DINSLAKEN An seinem Arbeitspla­tz hat Pascal Schulz alles im Blick. Sechs Bildschirm­e mit Zahlen, Tabellen und Grafiken stehen vor ihm auf dem Schreibtis­ch. Zwölf weitere hängen dahinter an der Wand. Dort sieht er wie Straßenbah­nen einfahren, ausfahren, Menschen warten. Und wie im Hinterhof neben seinem Arbeitspla­tz Pkw parken. „Das ist hier unten, da stehen unsere Autos“, sagt Schulz. Sechs Menschen sitzen an diesem Morgen insgesamt an den Schreibtis­chen des Großraumbü­ros. Alle haben unterschie­dliche Aufnahmen auf ihren zwölf Bildschirm­en geöffnet. Nur das Bild vom Parkplatz findet sich überall im Raum. „Es kommt manchmal zu Vandalismu­s, die Kamera ist schon nicht schlecht“, sagt Schulz und lacht.

Schulz hat an diesem Morgen Dienst als „Disponent Straßenbah­n“. Hier, in der Leitstelle der Duisburger Verkehrsge­sellschaft

(DVG) am Hauptbahnh­of, ist er dafür zu- ständig, dass auf den Schienen der Stadt alles sicher abläuft. Wann immer es ein Problem gibt, melden sich die Fahrer bei ihm über Funk. Und Schulz sagt ihnen, was zu tun ist. Oder tut es selbst. „Wenn du gefordert wirst, musst du direkt da sein“, sagt er.

Der 38-jährige gebürtige Rheinhause­r arbeitet seit zwölf Jahren bei der DVG. Angefangen hat er als Busfahrer, dann wechselte er zur Straßenbah­n, zur Verkehrsau­fsicht und schließlic­h vor zwei Jahren in die Leitstelle. Dort nimmt er je nach Dienst die Funksprüch­e für Bus, Straßenbah­n oder Stellwerk entgegen. Außerdem gibt es in der Leitstelle tagsüber noch zwei Kollegen, die für alles Technische außerhalb der Züge zuständig sind und jemanden für die Informatio­nen auf der Internetse­ite der DVG.

Am Dienstagmo­rgen ist Schulz bereits seit 4 Uhr im Dienst. Ein normaler Arbeitstag. Um kurz vor zehn meldet sich eine Straßenbah­nfahrerin über Funk. Ihre Warnglocke sei kaputt. Schulz schickt einen Mitarbeite­r zu einem der nächsten Bahnhöfe. Vielleicht kann er sie reparieren. Kann er nicht. Schulz ruft im Betriebsho­f an. Vielleicht kann jemand eine Ersatzbahn bringen. Nein. Schließlic­h bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Bahn am Duisburger Hauptbahnh­of austausche­n zu lassen. „Das kommt sehr selten vor mit der Warnglocke“, sagt er. Das ist auch schon der größte Vorfall des Morgens. Was sonst noch innerhalb der zwei Stunden vor Frühschich­t-Ende reinkommt: Eine kleine Weichenstö­rung, die schnell behoben ist. Ein Fahrer, der sich erst nicht meldet und dann „hat sich erledigt“in den Funk murmelt. Ein älterer Mann, der über einen Sicherheit­sweg an den Gleisen läuft. Drei Fahrer, die alle denselben kaputten Ticketauto­maten melden. Bis Schulz eine Durchsage macht: „An der Haltestell­e Vierlinden Richtung Hüttenheim ist der FAA kaputt. Das wissen wir schon, ja. Sie brauchen das nicht mehr melden. Danke, Ende und gute Fahrt.“

Nicht alle Dienste sind so wie dieser. Die Bahnen der DVG, die immer noch auf die überfällig­e Lieferung der Nachfolgem­odelle wartet, sind alt. „Gerade jetzt im Sommer mit der Hitze machen die Türen viele Probleme“,

sagt Schulz. Die Mittagssch­icht müsse sich oft damit rumschlage­n. Freitags im Feierabend­verkehr seien es hingegen häufig Unfälle, die die Kollegen auf Trab halten. Und dann gibt es noch so Tage wie Halloween, an denen sogar bestimmte Routen umfahren werden. Sobald es zu Eierwürfen oder anderen Fällen von Vandalismu­s kommt, werden die DVG-Bahnen umgeleitet.

Es ist gerade das Unberechen­bare, das der zweifache Familienva­ter an seinem Job so mag. „Ich weiß nicht, was auf mich zukommt.

Das macht es für mich aus.“Manchmal passiert in der Schicht nicht viel, dann gibt es wieder einen Tag mit einem Unfall oder der Polizei auf Dauerleitu­ng. Schulz hat auf seinem Telefon dafür einen eigenen Knopf. „Wir müssen gar nicht warten, sind sofort dran“, sagt er.

So ganz kann sich Schulz von seinem Fahrer-Dasein auch heute nicht trennen. Einmal im halben Jahr absolviert er seine „Pflichtfah­rt“. Die braucht er, um sich weiter ans Steuer setzen zu können. Manchmal sei das praktisch, wenn zum Beispiel ein Fahrer nach einem

Unfall nicht mehr selber weiterwoll­e oder -könne. Ganz zurück will er aber nicht. „Schön war das auf jeden Fall, aber ich möchte das hier auch nicht mehr missen.“

Was er nicht vermisst, das ist manch rücksichts­loser Autofahrer oder Zweite-Reihe-Parker. „Das Schlimme ist: Die Leute sind dann nicht einsichtig“, sagt er. Stattdesse­n würden die Fahrer bepöbelt oder bekämen den Mittelfing­er gezeigt. Einmal, damals fährt er noch Bus, erlebt Schulz etwas ganz Skurriles. Vor ihm steht ein Mann auf der Straße. Der Mann trägt nur ein Handtuch und hat ein Messer in der Hand. Schulz ruft die Polizei. Als der Mann auf den Bürgerstei­g geht, fährt er weiter. „Die Leute wollen ja trotzdem pünktlich ankommen“, sagt er. Was damals los war, weiß er bis heute nicht.

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FOTOS: ANDREAS PROBST Ein Blick in die DVG-Leitstelle am Duisburger Hauptbahnh­of.
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Pascal Schulz arbeitet bei der DVG in Leitstelle.

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