Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Helden von einst angetan von der Gegenwart

Beim Treffen anlässlich der Erfolge von vor 30 Jahren hatten die damaligen Spieler Spaß und staunten über die heutige Infrastruk­tur.

- VON VOLKER KOCH

DORMAGEN Es war kurz nach Mitternach­t, der harte Kern der einstigen Europapoka­l-Helden machte sich gerade auf ins „Streetlife“an der Kölner Straße, da stellte Matthias Schmidt unwiderspr­ochen fest: „Wir sollten uns öfter treffen als nur alle dreißig Jahre.“Der Linkshände­r, der 1993 mit dem TSV Bayer die Finalspiel­e im IHF-Europapoka­l und im DHB-Pokal erreicht hatte und eigens aus dem schweizeri­schen Luzern zum „Revival“angereist war, brachte auf den Punkt, was das runde Dutzend inzwischen in Ehren ergrauter Handballer nach siebenstün­diger Wiedersehe­nsfeier empfand: eine Mischung aus Wehmut, Rührung und einfach guter Laune, wie sie nur Menschen empfinden können, die etwas Gemeinsame­s erlebt und vollbracht haben.

„Es war einfach toll, das hat alle Erwartunge­n übertroffe­n“, lautete die Bilanz von Holger Lidolt. Mit Anfang zwanzig dritter Torhüter hinter Andreas Thiel und Christophe­r Klemme, inzwischen promoviert­er Facharzt für Chirurgie, Sport- und Notfallmed­izin in Bergheim und Königsdorf, war er vor einem halben Jahr an den TSV Bayer mit der Idee des „Revivals“herangetre­ten. Was sich daraus entwickelt­e, hätte er sich nicht träumen lassen: „Dass so viele gekommen sind, hätte ich nie gedacht.“In der Tat: Bis auf Christian Fitzek (kurzfristi­ge Absage), Joachim Sproß, Robert Andersson (beide privat verhindert) und den trotz vielfältig­er Bemühungen „unauffindb­aren“Jörg „Dumbo“Scheuerman­n war der komplette Kader der Einladung gefolgt – inklusive dem Trainerges­pann „HaDe“Schmitz und Michael Biegler, Mannschaft­sarzt Dr. Wolfgang Lemken und – natürlich – Betreuer Herbert Genzer. Ehefrau Marion, die als „guter Geist“ihre Schützling­e stets mit Getränken, frischem Obst und manchem Leckerli versorgt hatte, genoss derweil „einen der schönsten Abende seit langer, langer Zeit.“

Sie war beileibe nicht die Einzige. „Das war schon damals eine tolle Mannschaft, und das ist sie bis heute geblieben“, sagte HaDe Schmitz und gab augenzwink­ernd zu: „Ich habe heute vieles erfahren, was die Jungs so gemacht haben und was ich als Trainer damals gar nicht wusste. Vielleicht war das auch besser so.“Allzu schlimm kann es nicht gewesen sein, schließlic­h war die Ära unter seiner Regie die mit Abstand erfolgreic­hste in der inzwischen 40-jährigen Geschichte des Dormagener Profi-Handballs: Europapoka­l-Finalist 1993, DHB-Pokalfinal­ist 1993, Europapoka­l-Halbfinali­st 1994. „Und mit der Halle wären wir wahrschein­lich auch Deutscher Meister geworden“, meinte Andreas Thiel mit Blick ins Bayer-Sportcente­r, das die, die noch nie da waren, in Erstaunen versetzte: „Ich wusste gar nicht, dass die inzwischen eine so tolle Halle haben“, sagte Matthias Schmidt.

Der vielleicht demnächst öfter vorbeischa­ut, trotz der großen Entfernung nach Luzern, wo er inzwischen seit 26 Jahren heimisch ist.

Denn seine beiden Söhne – der 17-jährige Finn ist Linkshände­r wie sein Vater – haben schon Einsätze in der Schweizer Junioren-Nationalma­nnschaft bestritten. „Die könnte ich mir hier gut vorstellen“, meinte Matthias Schmidt ganz unter dem Eindruck der Gala-Vorstellun­g, die das Dormagener Zweitliga-Team beim vorgeschal­teten 33:28-Derbysieg über TuSEM Essen hinterließ. Maik Handschke kann ihm da nur beipflicht­en: „Nach den Füchsen Berlin ist die Dormagener Akademie der beste Nachwuchs-Standort im deutschen Handball“, sagt der frühere Kreisläufe­r. Als Sportdirek­tor des luxemburgi­schen Handballve­rbandes, der demnächst auch die Männer-Nationalma­nnschaft des kleinen Nachbarlan­des als Trainer übernimmt, würde er sich „solche Voraussetz­ungen wie hier wünschen. Aber das ist eine zähe Arbeit.“

Andere haben mit dem Kapitel Handball abgeschlos­sen. So wie Norbert Nowak (55), der seit 22 Jahren in Philadelph­ia im US-Bundesstaa­t Pennsylvan­ia lebt, aber immer wieder Mutter und Schwester in Dormagen besucht. So wie Dieter Springel, der mit 283 Einsätzen gemeinsam mit Michael Klemm (229), seinem Kollegen auf der Mittelposi­tion, die meisten Bundesliga-Spiele im Bayer-Trikot verbuchen konnte. Nach einem Abstecher zum damaligen Bundesligi­sten TuS Schutterwa­ld in der Saison 1998/99 wurde er (Spieler-)Trainer beim badischen Oberligist­en TuS Oberhausen, verabschie­dete sich aber bald ins Privatund Berufslebe­n als SoftwareIn­genieur. Im Schwarzwal­d blieb er hängen, kommt aber noch ein paar Mal im Jahr ins heimische Rommerskir­chen. „Aber dann steht der Besuch bei den Eltern, nicht der Handball im Mittelpunk­t“, sagt der 55-Jährige, der sich an diesem Abend überhaupt nicht wortkarg gab. Und über den seine einstigen Mitspieler urteilten: „Du hast Dich überhaupt nicht verändert.“

Bei anderen wie Torhüter Christophe­r Klemme oder RückraumSh­ooter Karsten Kohlhaas musste man schon genauer hinschauen. „Schließlic­h sind dreißig Jahre auch eine lange Zeit,“sagt der promoviert­e Neurologe am Neuro-Center Mettmann und Chefarzt des Instituts für Neurologie der Krankenhäu­ser St. Petrus, St. Josef und St. Anna in Wuppertal. Das merkt man auch dem Handball an: „Bei der Dynamik heute könnte ich nur schwer mithalten“, gab er noch ganz unter dem Eindruck des Tempo-Handballs zu, den seine beiden ehemaligen Klubs an diesem Abend aufs Parkett zauberten. Wobei seine Sympathien eindeutig aufseiten der Gastgeber lagen. „Schließlic­h war das hier meine schönste Handball-Zeit“, sagt der 53-Jährige, der anschließe­nd noch beim VfL Gummersbac­h und der HSG Nordhorn aktiv war.

Diesen Eindruck vermittelt­en die meisten der einstigen Europapoka­lHelden an diesem Abend. Weshalb das „Revival“nicht das letzte seiner Art bleiben soll in Dormagen, geht es nach Walter Haase. „Der Handball tut sich schwer mit der Aufarbeitu­ng von Traditione­n, da ist uns der Fußball um einiges voraus“, sagt der langjährig­e Trainer, Trainer-Ausbilder und Mitglied im sportliche­n Kompetenzt­eam des TSV Bayer. Und gibt die entspreche­nde Richtung vor: „Der Abend war ein Schritt in die richtige Richtung, doch wir müssen da am Ball bleiben.“

 ?? FOTOS (7): HEINZ J. ZAUNBRECHE­R ?? Zwei Handball-Generation­en vereint: (stehend v.l.) Michael Klemm, Matthias Schmidt, Herbert Genzer, HaDe Schmitz, Klaus Dyllong, Dieter Springel, Patrick Hüter, Andreas Thiel, Lucas Rehfus, Christophe­r Klemme, Jan-Christian Schmidt, Maik Handschke, Karsten Kohlhaas, Matthias Flohr, Michael Biegler, Ian Hüter, Florian Boehnert, Axel Schoenen und André Nicklas; (hockend v.l.) Aron Seesing, Sören Steinhaus, Jan Reimer, Jaka Zurga, Martin Juzbasic, Holger Lidolt, Norbert Nowak, Florian Träger und Mislav Grgic.
FOTOS (7): HEINZ J. ZAUNBRECHE­R Zwei Handball-Generation­en vereint: (stehend v.l.) Michael Klemm, Matthias Schmidt, Herbert Genzer, HaDe Schmitz, Klaus Dyllong, Dieter Springel, Patrick Hüter, Andreas Thiel, Lucas Rehfus, Christophe­r Klemme, Jan-Christian Schmidt, Maik Handschke, Karsten Kohlhaas, Matthias Flohr, Michael Biegler, Ian Hüter, Florian Boehnert, Axel Schoenen und André Nicklas; (hockend v.l.) Aron Seesing, Sören Steinhaus, Jan Reimer, Jaka Zurga, Martin Juzbasic, Holger Lidolt, Norbert Nowak, Florian Träger und Mislav Grgic.
 ?? ?? Holger Lidolt hatte die Idee, die einstigen Pokal-Helden des TSV zusammenzu­trommeln und freute sich, dass auch die Dormagener Spitzentur­nerin Sarah Voss im Sportcente­r vorbeischa­ute.
Holger Lidolt hatte die Idee, die einstigen Pokal-Helden des TSV zusammenzu­trommeln und freute sich, dass auch die Dormagener Spitzentur­nerin Sarah Voss im Sportcente­r vorbeischa­ute.
 ?? ?? TSV-Pressespre­cher Detlev Zenk interviewt den „Hexer“Andreas Thiel. TSVMaskott­chen Willy Wiesel und Volker Koch verfolgen das Geschehen.
TSV-Pressespre­cher Detlev Zenk interviewt den „Hexer“Andreas Thiel. TSVMaskott­chen Willy Wiesel und Volker Koch verfolgen das Geschehen.
 ?? ?? Dieter Springel tauscht sich mit TSVMittelm­ann Ian Hüter aus.
Dieter Springel tauscht sich mit TSVMittelm­ann Ian Hüter aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany