Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Pferdemist treibt Abfallfahrzeuge an
Am Niederrhein wird Pferdemist in Biogas umgewandelt, um Fahrzeuge der Entsorgungsgesellschaft mit Treibstoff zu versorgen.
Bevor sich die Abfallfahrzeuge der EGN Entsorgungsgesellschaft Niederrhein am Morgen auf ihre Tour durch die Region machen, fahren sie an der Tankstelle in Hoisten vor. Innerhalb von zwei bis drei Minuten tanken sie 80 bis 100 Kilogramm Biogas und machen sich dann auf den Weg – angetrieben von Pferdemist. Denn das Biogas wird bei der Königs Pflanzenenergie GmbH aus Pferdeäpfeln gewonnen.
Rund 1300 der insgesamt etwa 6000 Pferde im Rhein-Kreis Neuss steuern dafür ihren Mist bei: In der Biogasanlage wird er in Compressed Natural Gas (CNG) verwandelt. Dahinter verbirgt sich eine chemische Einsicht über Pferdemist: Durch den Kontakt mit Luft startet im Mist bereits ein bakterieller Abbauprozess, bei dem CO2 und Methan freigesetzt werden. Biogasanlagen kommen diesem Prozess zuvor und sorgen für eine kontrollierte Vergärung. Biogas entsteht. In der Neusser Biogasaufbereitung wird das Verfahren einer Aminwäsche genutzt, um das Methan sauber zu waschen. Danach erreicht es Erdgasqualität.
Genau diesen Prozess machen sich die EGN und die Königs Pflanzenenergie GmbH zunutze, um Jahr für Jahr die Klimabilanz immer deutlicher zu verbessern. Denn mit der CNG-Nutzung schließt sich ein Kreislauf: Die Pferde am Niederrhein fressen Gras, das CO2 aus der Luft bindet. Oder sie lassen sich Stroh schmecken, das vorher als Getreide auf dem Feld Kohlendioxid gebunden hat. Der Mist der Pferde wird dann in der Biogasanlage in Gas verwandelt, das Gas treibt die Wagen an und setzt das CO2 wieder frei, das die Pflanzen zuvor gespeichert haben.
Bei der EGN reiht sich das Bio-Methan in ein Konzept ein, das verschiedene zukunftsfähige Antriebe im Blick hat. Mindestens 25 Prozent aller neu zu bestellenden Entsorgungsfahrzeuge sollen künftig mit alternativen, emissionsarmen Antriebssystemen ausgerüstet sein. Derzeit sind Pressmüllwagen mit Erdgasantrieb in der Niederlassung Dormagen und Abroll-Containerfahrzeuge mit Erdgasantrieb in den Niederlassungen Neuss und Hürtgenwald im Einsatz. Im Servicebereich setzt die EGN auf Elektro-Fahrzeuge, die an betriebseigenen Ladesäulen betankt werden. In weiteren Tests mit batterieelektrischen Muldenkippern und Müllsammelfahrzeugen sammelt das Unternehmen seit dem Frühling Erfahrungen. Im Sommer wird es eine Machbarkeitsstudie mit
Tests und Tourenmessungen geben. „Mit der Strategie möchten wir Fahrzeuge und Infrastruktur voranbringen“, erklärt Richard van Horrick von der EGN.
Und dabei setzt das Unternehmen gemeinsam mit Partnern in der Region eben auch auf kreative Lösungen – wie den Pferdemist. „In der Umgebung befindet sich mit den vielen Pferdehöfen dafür viel Potenzial“, betont Daniel Königs, der in seiner Biogasanlage die Voraussetzung für die Nutzung des Pferdemists als Treibstoff schafft. Jedoch sei das Tankstellennetz bisher noch recht dünn, ergänzt er. Die Entsorgungsgesellschaft Niederrhein ist fürs Erste aber gut versorgt: Mit der Pflanzenenergie Königs und einer zweiten Tankstelle in Düren hat sie lokale Zulieferer gefunden, die ausreichend Biogas zur Verfügung stellen.
Warum nutzt die EGN Entsorgungsgesellschaft Niederrhein Pferdemist als Fahrzeugantrieb? RICHARD VAN HORRICK Schon vor etwa vier Jahren wurde uns klar, dass sich die Zeit der konventionellen Kraftstoffe dem Ende zuneigt. Wir begannen mit ersten Überlegungen für Alternativen und haben dabei verschiedene zukunftsfähige Antriebe im Blick gehabt. Mindestens 25 Prozent aller neu zu bestellenden Entsorgungsfahrzeuge sollen künftig mit alternativen, emissionsarmen Antriebssystemen ausgerüstet sein. Eine Möglichkeit ist der Antrieb mit Biogas. Wir zeigen damit, dass man schnell auf eine klimaneutrale und sogar auf eine klimapositive Technik umsteigen kann.
Wie sieht der aktuelle Stand aus? VAN HORRICK Wir haben bisher drei Wagen im Einsatz, die mit Biogas betankt werden. Noch in diesem Jahr sollen drei weitere dazukommen. Im kommenden Jahr planen wir mit weiteren fünf Fahrzeugen, die mit Biogas fahren. Parallel testen wir batterieelektrische Muldenkipper und Wagen mit Wasserstoffantrieb. Mit dieser breiten Strategie wollen wir uns für die Zukunft gut aufstellen.
Welche Vorteile bietet die Umstellung auch finanziell?
VAN HORRICK Die Mehrkosten halten sich in Grenzen. Im Gegensatz zu konventionellen Treibstoffen ist Biogas bis 2025 steuerbegünstigt und zusätzlich von der CO2-Steuer befreit. Der Anschaffungspreis für die Fahrzeuge wird voraussichtlich steigen. Wir gehen allerdings davon aus, dass der Preis für Elektrowagen deutlich stärker steigen wird.