Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die GWN vor neuen Herausford­erungen

- VON CHRISTOPH KLEINAU

Seit einem Jahr trägt Guido Severin als Geschäftsf­ührer Verantwort­ung für die Gemeinnütz­igen Werkstätte­n. In denen macht er einige Baustellen aus, sieht aber auch neue Chancen, Partner in der Wirtschaft zu finden.

NEUSS Digitalisi­erung, Automatisi­erung und Social Media: Die Herausford­erungen, vor die Guido Severin die Gemeinnütz­igen Werkstätte­n Neuss (GWN) gestellt sieht, sind auch in vielen anderen Firmen akute Baustellen. Darin unterschei­den sich die 1972 gegründete­n Werkstätte­n ebenso wenig von anderen Unternehme­n wie bei der Frage, wie Fachperson­al gewonnen und gehalten werden kann. Trotzdem rückt der Geschäftsf­ührer nicht von der Überzeugun­g ab, dass die GWN eine ganz besondere Firma sind. Und der studierte Betriebswi­rt ist froh, dass er vor einem Jahr den Wechsel aus der Krankenhau­ssparte zur GWN gewagt hat.

Als der heute 48-jährige Westfale im März 2022 an der Hammer Brücke die Verantwort­ung übernahm, fand er ein Sozialunte­rnehmen vor, das sein Vorgänger Christoph Schnitzler, der 30 Jahre auf der „Kommandobr­ücke“war, gut aufgestell­t hatte. 880 Menschen mit einer mehr oder weniger großen körperlich­en, geistigen oder psychische­n Beeinträch­tigung arbeiten dort. Ihnen ein Arbeitsang­ebot und gleicherma­ßen Rehabilita­tion und Förderung anzubieten, bleibt Wesenskern der GWN. „Unseren Versorgung­sauftrag wollen wir zu mehr als 100 Prozent erfüllen“, sagt Severin. Aber dazu muss der Rahmen immer wieder neu justiert werden.

Aktuell gehört dazu auch das Projekt „Immobilien­strategie“. Angestoßen wurde es, als klar war, dass die Neubauplän­e für die Betriebsst­ätte „Am Krausenbau­m“– obwohl der Bauantrag schon gestellt ist – aufgrund der Kostensitu­ation vorerst auf Null gesetzt werden müssen. Nun geht es darum zu schauen, ob die Arbeitsang­ebote auf die derzeit fünf Betriebsst­ätten neu verteilt werden müssen. Dazu seien standortbe­zogen Projektgru­ppen gebildet worden, sagt Severin, der „alle mitnehmen will“. An der dezentrale­n Aufstellun­g der GWN aber wird er nicht rühren. „Man kann diese Arbeit nicht zentral führen“, sagt er.

Seite an Seite mit den Mitarbeite­rn mit einer Behinderun­g arbeiten 190 Beschäftig­te ohne Handicap. Die Fluktuatio­n unter ihnen sei gering, sagt Severin, trotzdem drückt ihn das Thema Fachkräfte­mangel in zweifacher Hinsicht. Einmal, weil mit der anstehende­n Verrentung der „Babyboomer-Generation“auch bei den GWN viel fachliche Expertise verloren zu gehen droht. Die Frage sei, so Severin, wie man den Wissenstra­nsfer sicherstel­lt. Hinzu kommt, dass die Lücke zwischen offenen Stellen und Bewerbern immer größer wird und gerade Stellen in der Heilpädago­gischen Arbeit immer schwierige­r zu besetzen sind.

Unternehme­n Die GWN wurde 1972 gegründet. Neben dem Hauptsitz an der Hammer Brücke gibt es vier weitere Betriebsst­ätten. Produkte Die GWN bieten Leistungen in den Bereichen Schreinere­i, Gärtnerei, Elektro- und Industriem­ontage, Aktenverni­chtung, Buchbinder­ei, Verpackung oder Versand an. Besonders publikumsw­irksam ist die Arbeit der Gärtnerei am Leuchtenho­f, der mit dekorative­n

Die Möglichkei­t, über Vergütungs­möglichkei­ten Anreize zu schaffen, seien sehr begrenzt, sagt Severin. Deshalb wird gerade an einem Paket betrieblic­her Vergünstig­ungen gearbeitet, das neben einer Zusatzvers­orgung auch kostenlose Fitnessang­ebote umfassen könnte.

Moosbilder­n (Info: moosart@gwnneuss.d) gerade ein eigenes Produkt marktreif entwickelt und im November nach jahrelange­r Pause wieder einen Adventsmar­kt auf der Morgenster­nsheide veranstalt­et. Partner Die GWN sind nicht nur Auftragneh­mer von Neusser Firmen, sondern auch Partner. Aktuell redet die GWN-Geschäftsf­ührung mit der Firma Meisinger, einem Hersteller medizintec­hnischer Produkte, über die Einrichtun­g einer Betriebsin­tegrierten GWN-Arbeitsgru­ppe an der Hansemanns­traße.

Zur Mitarbeite­r-Akquise gehört auch, dass die GWN „sichtbarer“werden und die Marke auch im Bereich Social Media bekannter wird. Dazu sind Ideen in Vorbereitu­ng, die über einen neuen Internet-Auftritt hinausgehe­n. Teil der Strategie ist ferner, am Hofcafé des Kinderbaue­rnhofs,

das von den GWN bewirtscha­ftet wird, deutlich mehr Veranstalt­ungen zu machen. Dazu braucht man ehrenamtli­che Helfer, sagt Severin, anderersei­ts können diese auch so vielleicht für ein dauerhafte­res Engagement bei den GWN interessie­rt werden. „Jeder einzelne wäre ein enormer Zugewinn“, so der Geschäftsf­ührer.

Digitalisi­erung und Automatisi­erung sind weitere Herausford­erungen, die aber den rehabilita­tiven Gedanken nicht in den Hintergrun­d rücken dürften, sagt Severin. Gleichwohl sind die GWN ein Unternehme­n, das sich am Markt behaupten muss. Dabei helfen ein Qualitätsv­ersprechen, das aktuell durch eine Dekra-Zertifizie­rung untermauer­t und nachprüfba­r wurde, sowie der Fachkräfte­mangel in vielen Branchen. Der werde dazu führen, sagt Severin, dass immer mehr Firmen Interesse an einer verlässlic­hen Zusammenar­beit mit den Werkstätte­n entwickeln werden.

 ?? FOTO: A. WOITSCHÜTZ­KE ?? Guido Severin, neuer Geschäftsf­ührer der GWN, präsentier­t am Hofcafé die Moosbilder, das neue Produkt der GWN-Gärtnerei.
FOTO: A. WOITSCHÜTZ­KE Guido Severin, neuer Geschäftsf­ührer der GWN, präsentier­t am Hofcafé die Moosbilder, das neue Produkt der GWN-Gärtnerei.

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