Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Apotheker fürchten Apothekensterben
Die meisten Dormagener Apotheken wollen sich am bundesweiten Protesttag am 14. Juni beteiligen und damit auf die drohende Unterversorgung der Patienten aufmerksam machen. Die Apotheken bleiben an diesem Tag geschlossen.
DORMAGEN Am 14. Juni werden (fast) alle Apotheken im gesamten Stadtgebiet geschlossen bleiben, denn die Apothekerinnen und Apotheker und deren Mitarbeitenden nehmen Teil am landesweiten Aktionstag und demonstrieren in Düsseldorf gegen Unterfinanzierung, Fachkräftemangel, mangelnde Wertschätzung und ausufernde Bürokratie.
Aktuell findet ein Flyer große Resonanz, den Jessica Weber, Inhaberin der Martinus-Apotheke in Zons, entworfen und in den sozialen Netzwerken veröffentlicht hat sowie an ihre Kunden verteilt. „Ohne Apotheke vor Ort ist alles doof“, steht dort geschrieben. Weber will damit auf das Apothekensterben aufmerksam machen, das derzeit um sich greift. „Alle 22 Stunden schließt in Deutschland eine Apotheke“, sagt sie. „Wenn wir das nicht aufhalten, wird die Lage noch dramatischer.“Der Apothekerverband rechne sogar mit noch größerer Dynamik. „Von flächendeckender Versorgung kann dann keine Rede mehr sein“, warnt die Pharmazeutin.
Dass der Flyer solch große Resonanz hervorruft, damit habe sie nicht gerechnet. Aber die Kunden reagieren durchweg positiv, auch auf die Protestaktion und die damit verbundene Schließung am 14. Juni – ein Notdienst wird in der Apotheke in Hackenbroich besetzt sein. Apotheken aus ganz Deutschland nehmen an dem Protest teil. „So etwas hat es in der Geschichte der letzten 30 Jahre in den Apotheken noch nicht gegeben“, so Weber. „Es zeigt, wie dramatisch die Lage ist.“Seit 2013 habe es keine Honorarverbesserung für die Apotheker gegeben, dieses Jahr sei das Honorar sogar noch etwas gesenkt worden und das bei steigender Inflation. Dazu kommen höhere Lohnkosten, Fachkräftemangel, steigende Verantwortung und hoher Aufwand wie bei den Lieferengpässen. „Ich habe zwei Mitarbeiterinnen im Backoffice, die sich den ganzen Tag um nicht lieferfähige Medikamente kümmern“, berichtet Weber. „Das ist so ein immenser Arbeitsaufwand, da muss etwas passieren.“
Auch Carola Bley, Inhaberin der Rathaus Apotheke in der Innenstadt, und ihr Team werden an dem Protest teilnehmen. „Es geht uns dabei darum, die Zukunft der Apotheken vor Ort sicherzustellen. Bis heute haben wir immer wieder Schwierigkeiten durch Lieferengpässe“, erzählt Bley. Auch finanziell seien die Apotheken heute nicht minder belastet und steigende Kosten, bspw. durch Inflation, seien laut den Apothekern nur schwierig bis gar nicht zu kompensieren. „Wir sind 365 Tage im Jahr rund um die Uhr erreichbar, wir geben unser Bestes für eine hervorragende Versorgung vor Ort und damit das so bleiben kann, muss sich etwas ändern.“
Ähnliches sagt auch Benjamin Leuffen von der Mühlenbusch-Apotheke in Nievenheim. Gerade auf dem Land sei die Versorgung durch Apotheken wichtig, weil die Wege für die Patienten weiter seien als in den Innenstädten. „Es ist wichtig, dass das in die Köpfe kommt“, meint er. Auch Notdienste zu verteilen, sei schwieriger, je weniger Apotheken dem Netz angehören. Zum einen würden die Notdienste auf weniger Köpfe verteilt, zum anderen die Strecken bis zur nächsten Notdienst-Apotheke für Patienten länger. „Es knarzt und quietscht im System schon einige Jahre, da hat sich einiges aufgestaut“, so Leuffen. Die Frustration bei den Kollegen sei groß. Der Medikamentenmangel sei nur ein großes Thema. „In der Grippewelle kamen Kunden aus Mönchengladbach oder Köln, die nach 25 Telefonaten bei uns einen Antibiotika-Saft für ihr krankes Kind erhalten konnten. Bei dieser Entwicklung kann man nur mit dem Kopf schütteln.“
Der Flyer von Jessica Weber bringt die Probleme auf den Punkt. Ohne Apotheke vor Ort gibt es keine persönliche (Medikations-)Beratung, keinen schnellen Lieferservice, keine Anfertigung individueller Rezepturen und so weiter. „Wir beraten
Kunden individuell und häufig und raten ihnen im Zweifelsfall auch, einen Arzt aufzusuchen, zum Beispiel bei Insektenstichen, die sich entzündet haben. Das gehört zum Service und ist wichtig“, sagt Benjamin Leuffen.
Wie schwer es ist, Nachfolger zu finden, zeigt das Beispiel der Apotheke in Stürzelberg, die Ende 2022 altersbedingt schloss. „Für viele Kunden aus Stürzelberg ist das ein Problem“, sagt Jessica Weber. Auch Benjamin Leuffen hat vermehrt Kundschaft aus dem Ortsteil. „Wir konnten es ganz gut auffangen“, sagen beide, aber es bedeutet auch mehr Lieferfahrten bei knappem Personal. Nichtsdestotrotz machen die Apotheker ihren Job aus Leidenschaft. „Ich bin nach wie vor sehr gerne Apotheker“, so Leuffen. „Der Kundenkontakt ist wichtig und macht mir großen Spaß. Ich hoffe, dass die Politik einen Rahmen schafft, damit wieder mehr Menschen diesen Beruf ergreifen, denn wir brauchen Perspektiven für Kunden, wir brauchen Landärzte und Apotheken.“Auch Jessica Weber hofft auf einen erfolgreichen Protest. „Ich versuche das immer positiv zu sehen und weiß, dass die Kunden auf unserer Seite sind. Wir brauchen den Druck aus der Bevölkerung, damit sich etwas ändert.“
„Alle 22 Stunden schließt in Deutschland eine Apotheke. Das müssen wir aufhalten“Jessica Weber Apothekerin