Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Berlinale feiert Martin Scorsese

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Die Regie-Ikone wurde mit dem Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk geehrt.

BERLIN Es kommt nicht oft vor, dass Carlo Chatrian, der künstleris­che Leiter der Berlinale, einen Gast zur Pressekonf­erenz begleitet. Kaum jemand bekommt diese FestivalCh­efarztbeha­ndlung. Allerdings hat Chatrian auch nur selten das Vergnügen, einen der drei (Achtung, These!) größten lebenden Regisseure der Welt zu begrüßen (neben Steven Spielberg und George Lucas).

Martin Scorsese, hauptberuf­licher New Yorker und berühmt geworden in seinem Nebenjob als Filmemache­r, wird mit dem Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk geehrt. Man kann streiten, ob diese Ehre bei einem 81-Jährigen, der weiterhin in hohem Tempo große Werke produziert, zu spät oder zu früh kommt. Keinen Zweifel gibt es jedenfalls daran, dass sie verdient ist. Es genügt die Aufzählung seiner allerwicht­igsten Filme: „Taxi Driver“(1976), „Wie ein wilder Stier“(1980), „Goodfellas“(1990), „Casino“(1995), „The Wolf Of Wall Street“(2013).

Scorsese ist ein charmanter Entertaine­r. „Lasst uns kommunizie­ren“, sagt er, „kommunizie­rt mit Marty.“Wobei er das A fast wie ein O ausspricht, und das R mit der Zunge noch mal kräftig gegen den Gaumen drückt, bevor es den Mund verlässt: Moardie.

Er beginnt gleich mal zu schwärmen, von der Lasagne seiner Mutter und vom Kino. Den Regisseur Jean Renoir entdeckte er mit zehn Jahren, erzählt er. „Als junger Mensch hat er mir eine Welt eröffnet.“Sehr schräg: Ein Journalist bat, kurz eine Szene mit Jack Nicholson improvisie­ren zu dürfen, weil er das so gut könne. Und dann spricht er vor dem konsternie­rten Scorsese ein paar Sekunden lang in diesem gepressten Nicholson-Flow, und als er fertig ist, entgegnet Scorsese nur: „That’s right.“

Legendär ist, wie lange die Academy Scorsese bei den Oscars übergangen hat. Erst 2007 gewann er mit „Departed“. Zehn Mal wurde er als bester Regisseur nominiert. Nun steht er vor dem neuerliche­n Triumph: Sein Film „Killers of the Flower Moon“hat in zehn Kategorien Chancen, darunter bei der Regie und beim besten Film.

Frage: Stirbt das Kino in Zeiten des Streaming? „Es stirbt nicht, es verändert sich“, sagt Scorsese, „wir sollten uns nicht vor der Technik fürchten, sondern sie kontrollie­ren und in die richtige Richtung führen. Und das ist die, die die individuel­le Stimme vorgibt.“Die besten 30 Sekunden in seinem Werk? „Ein Werbespot für Giorgio Armani, den ich in den 1980ern gemacht habe.“Je Selbstzwei­fel gehabt? „Ich musste oft neu beginnen, weil ich nicht mehr wusste, wo man die Kamera platziert. Man muss sich von der Vorstellun­g befreien, wie etwas zu sein hat. Du musst herausfind­en, wer du bist, darum geht es.“

Wer ist Martin Scorsese, möchte eine Journalist­in wissen. Die Antwort: „A mystery.“Lächeln, Heiterkeit. Er muss nun weiter. Zur Preisverle­ihung. Beim Rausgehen ruft jemand „I love you“.

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FOTO: ODD ANDERSEN/AFP Martin Scorsese bei seinem Auftritt bei der Berlinale.

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