Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Berlinale feiert Martin Scorsese
Die Regie-Ikone wurde mit dem Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk geehrt.
BERLIN Es kommt nicht oft vor, dass Carlo Chatrian, der künstlerische Leiter der Berlinale, einen Gast zur Pressekonferenz begleitet. Kaum jemand bekommt diese FestivalChefarztbehandlung. Allerdings hat Chatrian auch nur selten das Vergnügen, einen der drei (Achtung, These!) größten lebenden Regisseure der Welt zu begrüßen (neben Steven Spielberg und George Lucas).
Martin Scorsese, hauptberuflicher New Yorker und berühmt geworden in seinem Nebenjob als Filmemacher, wird mit dem Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk geehrt. Man kann streiten, ob diese Ehre bei einem 81-Jährigen, der weiterhin in hohem Tempo große Werke produziert, zu spät oder zu früh kommt. Keinen Zweifel gibt es jedenfalls daran, dass sie verdient ist. Es genügt die Aufzählung seiner allerwichtigsten Filme: „Taxi Driver“(1976), „Wie ein wilder Stier“(1980), „Goodfellas“(1990), „Casino“(1995), „The Wolf Of Wall Street“(2013).
Scorsese ist ein charmanter Entertainer. „Lasst uns kommunizieren“, sagt er, „kommuniziert mit Marty.“Wobei er das A fast wie ein O ausspricht, und das R mit der Zunge noch mal kräftig gegen den Gaumen drückt, bevor es den Mund verlässt: Moardie.
Er beginnt gleich mal zu schwärmen, von der Lasagne seiner Mutter und vom Kino. Den Regisseur Jean Renoir entdeckte er mit zehn Jahren, erzählt er. „Als junger Mensch hat er mir eine Welt eröffnet.“Sehr schräg: Ein Journalist bat, kurz eine Szene mit Jack Nicholson improvisieren zu dürfen, weil er das so gut könne. Und dann spricht er vor dem konsternierten Scorsese ein paar Sekunden lang in diesem gepressten Nicholson-Flow, und als er fertig ist, entgegnet Scorsese nur: „That’s right.“
Legendär ist, wie lange die Academy Scorsese bei den Oscars übergangen hat. Erst 2007 gewann er mit „Departed“. Zehn Mal wurde er als bester Regisseur nominiert. Nun steht er vor dem neuerlichen Triumph: Sein Film „Killers of the Flower Moon“hat in zehn Kategorien Chancen, darunter bei der Regie und beim besten Film.
Frage: Stirbt das Kino in Zeiten des Streaming? „Es stirbt nicht, es verändert sich“, sagt Scorsese, „wir sollten uns nicht vor der Technik fürchten, sondern sie kontrollieren und in die richtige Richtung führen. Und das ist die, die die individuelle Stimme vorgibt.“Die besten 30 Sekunden in seinem Werk? „Ein Werbespot für Giorgio Armani, den ich in den 1980ern gemacht habe.“Je Selbstzweifel gehabt? „Ich musste oft neu beginnen, weil ich nicht mehr wusste, wo man die Kamera platziert. Man muss sich von der Vorstellung befreien, wie etwas zu sein hat. Du musst herausfinden, wer du bist, darum geht es.“
Wer ist Martin Scorsese, möchte eine Journalistin wissen. Die Antwort: „A mystery.“Lächeln, Heiterkeit. Er muss nun weiter. Zur Preisverleihung. Beim Rausgehen ruft jemand „I love you“.