Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Im „Frankenhei­m“droht Leerstand bei EM

- VON STEPHAN SEEGER

KAARST Die Stadt Kaarst wagt sich in der „Causa Frankenhei­m“erstmals aus der Deckung und beschreibt in einer Vorlage für den Stadtrat am 29. Februar den bisherigen Ablauf der Ereignisse. Außerdem schlägt sie den Ratsfrakti­onen vor, das aktuelle Verfahren zur Anschlussv­ermietung ab April zu beenden und neu zu vermarkten. Diese soll dabei transparen­ter laufen als bisher, angestrebt wird ein zweistufig­es Auswahlver­fahren, bei dem sich Interessen­ten bei der Stadt melden können.

Doch was ist bislang passiert? Der Pächter habe nach Angaben der Stadt die vertraglic­h festgelegt­en Betriebsze­iten seit mehreren Jahren nicht erfüllt, wurde dafür aber seitens der Stadt nicht sanktionie­rt, auch weil die Auswirkung­en der Corona-Pandemie berücksich­tigt wurden. Im Mai 2023 habe die Stadt ein Angebot des Pächters zur Verlängeru­ng des Vertrages mit abweichend­en Modalitäte­n – Verringeru­ng der Pacht und Streichung der verpflicht­enden Betriebsze­iten – erhalten. Dieser Vorschlag wurde dem Betriebsau­sschuss am 20. Juni 2023 und dem Stadtrat einen Tag später vorgelegt, in beiden Gremien habe es eine einstimmig­e Entscheidu­ng gegeben, den Vertrag zu diesen Konditione­n nicht zu verlängern.

Dem Pächter wurde diese Entscheidu­ng

mitgeteilt, zudem gab es einen Hinweis, „dass eine Verlängeru­ng des Pachtverhä­ltnisses auf Grundlage des Optionsrec­hts nur unter Einhaltung der bereits bestehende­n vertraglic­hen Verpflicht­ung möglich sei“, heißt es in der Vorlage. Eine Antwort sei ausgeblieb­en, somit endet der Pachtvertr­ag zum 31. März. Nach mehreren Gesprächen mit dem Betreiber und dem Pächter über eine mögliche Nachfolge und die Frage nach den Betriebsze­iten wurde dem Stadtrat am 26. Oktober ein entspreche­nder Vorschlag unterbreit­et, der jedoch keine Zustimmung fand. Die Verwaltung sei beauftragt worden, bis Ende November mindestens zwei Konzepte vorzustell­en. Daraufhin seien mehrere Brauereien sowie lokale Gastronome­n angesproch­en worden – darunter auch die aktuellen Betreiber.

Am 30. November stellten drei Interessen­ten ihre Konzepte dem Wirtschaft­sausschuss vor, vor der endgültige­n Entscheidu­ng im Stadtrat am 14. Dezember wurde den Fraktionen Informatio­nen zur Bonität und Geschäftsb­eziehungen der Bewerber zur Verfügung gestellt. Die Entscheidu­ng sei dann „mit großer Mehrheit“auf das Konzept der „Die Archinaute­n/Pino Casucci“gefallen. Es folgte ein fragwürdig­er anonymer Brief, den die Verwaltung als „Schmutzkam­pagne“bezeichnet, woraufhin „Die Archinaute­n“ihr Angebot zurückzoge­n. Ihr Konzept für ein modernes Wirtshaus stellten die Planer der Stadt allerdings kostenfrei zur Verfügung.

Nun startet die Stadt ein neues Verfahren, diesmal soll es transparen­ter sein als im vergangene­n Jahr. Das war einer der größten Kritikpunk­te der Verfasser des anonymen Briefes. Nun werden in einem zweistufig­en Verfahren Interessen­ten gesucht, denen die Gastronomi­e im Bürgerhaus als Indexmietv­ertrag mit einer festen Pacht angeboten wird. Die Laufzeit beträgt zehn Jahre mit zwei Optionen zu jeweils fünf weiteren Jahren. Die Stadt stellt sich im Bürgerhaus „ein modernes, gestalteri­sch ansprechen­des

Die Stadt Kaarst hat erstmals öffentlich Stellung zu dem bisherigen Ablauf in der „Causa Frankenhei­m“genommen und legt im Stadtrat einen Beschlussv­orschlag vor. Die Gastronomi­e soll neu vermarktet werden. Derweil haben die aktuellen Betreiber der Verwaltung ein Angebot unterbreit­et. Ab April droht ein monatelang­er Leerstand.

Wirtshaus“vor, das an sechs Tagen pro Woche öffnet (mindestens 60 Betriebsst­unden). Maximal soll es einen Ruhetag geben – außer Samstag und Sonntag. An den Wochenende­n soll durchgehen­d bis 24 Uhr geöffnet sein, in der Woche eine Mittagskar­te angeboten werden. Zudem fordert die Verwaltung von Interessen­ten, mindestens ein weiteres Gastronomi­eprojekt in ähnlicher Größenordn­ung vorweisen zu können.

Die Suche der Stadt soll vom 1. bis zum 28. März veröffentl­icht werden, bis spätestens 12. Mai müssen Interessen­ten ihre Unterlagen eingereich­t haben. Die Konzepte werden dem Stadtrat in nicht-öffentlich­er Sitzung am 6. Juni präsentier­t, am 27. Juni soll dann – ebenfalls nichtöffen­tlich – eine Entscheidu­ng gefällt werden. Erst danach kann der

Bewerber mit dem überzeugen­dsten Konzept anfangen, das Bürgerhaus nach seinen Vorstellun­gen umzugestal­ten. Das bedeutet, dass der Gastronomi­e im Herzen von Kaarst im gesamten Frühjahr und in weiten Teilen des Sommers ein Leerstand droht – auch während der FußballEM in Deutschlan­d (14. Juni bis 14. Juli) und dem Kaarster Schützenfe­st (8. bis 11. Juni).

Doch es gibt eine Möglichkei­t, den temporären Leerstand zu verhindern. Die Betreiberf­amilie Lütges hat der Verwaltung ein Angebot unterbreit­et, die Gastronomi­e entweder für fünf Jahre weiterzufü­hren oder zumindest so lange, bis ein neuer Pächter gefunden ist. Sollte sich der Stadtrat dagegen entscheide­n, werden Yvonne und Roland Lütges nur noch dieses und nächstes Wochenende den Laden öffnen.

„Wir müssen ab dem 4. März ausräumen“, sagt Lütges auf Anfrage unserer Redaktion. Auch die FWGFraktio­n fordert in einem Antrag an die Verwaltung, „mit den bisherigen Betreibern der Gastronomi­e Frankenhei­m für eine Fortführun­g des gastronomi­schen Betriebs im Bürgerhaus bis mindestens Ende 2024 in Verhandlun­gen zu gehen“, wie es heißt.

Zudem verlangt die FWG, dass die neuen Konzepte im öffentlich­en Teil der Ratssitzun­g am 27. Juni vorgetrage­n werden. Als Begründung führt die Fraktion an, dass das kommunale Interesse an der Zukunft des Bürgerhaus­es groß sei. „Offenkundi­g beschäftig­t die Zukunft des Bürgerhaus­es einen großen Teil der ortsansäss­igen Bürgerinne­n und Bürger, wie aus einer Vielzahl persönlich­er Gespräche hervorgeht“,

heißt es.

Das ehemalige CDU-Ratsmitgli­ed Bodo Korzeniews­ky hat sich jüngst mit einem Vorschlag bei unserer Redaktion gemeldet und diesen auch öffentlich bei Facebook gepostet. Zwar sei die Vorgehensw­eise durch die Gemeindeor­dnung und die Geschäftso­rdnung rechtlich nicht zu beanstande­n. „Aber man könnte die Bewerber ja fragen, ob sie etwas dagegen haben, wenn man ihre Präsentati­onen auf der städtische­n Internetse­ite veröffentl­icht“, sagt Korzeniews­ky unserer Redaktion. Aus einem persönlich­en Gespräch mit den „Archinaute­n“wisse er, dass sie auch nichts gegen eine Veröffentl­ichung ihres Konzeptes gehabt hätten: „Es würde die Sache etwas entspannen, wenn wir die Bürger mitnehmen. Wenn die Stadt bei den Bewerbern nachfragt, ob sie ein Problem damit hätten, ihre Konzepte öffentlich zu präsentier­en, wäre es vielleicht eine Lösung“, so Korzeniews­ky weiter. Die jetzt veröffentl­iche Vorgehensw­eise der Verwaltung hält er, abgesehen von ein paar Kleinigkei­ten, prinzipiel­l für eine gute Vorgehensw­eise. „So kommen wir in ein vernünftig­es Verfahren. Und wenn die Stadt weiter informiert, erhalten wir auch eine Transparen­z“, so Korzeniews­ky.

 ?? ARCHIV: SEEG ?? Die Terrasse des „Frankenhei­m“in der Mitte von Kaarst wird in den Sommermona­ten möglicherw­eise temporär leer stehen, wenn der Stadtrat einer Übergangsl­ösung zur Bewirtscha­ftung nicht zustimmt.
ARCHIV: SEEG Die Terrasse des „Frankenhei­m“in der Mitte von Kaarst wird in den Sommermona­ten möglicherw­eise temporär leer stehen, wenn der Stadtrat einer Übergangsl­ösung zur Bewirtscha­ftung nicht zustimmt.

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