Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kriminelle Onlinegesc­häfte in einem Dorf

- VON BÄRBEL BROER UND GABI PETERS

„Crimemarke­t“hieß die Internet-Shopping-Plattform, auf der Drogen und kriminelle Dienstleis­tungen internatio­nal angeboten und verkauft worden sind. Der mutmaßlich­e Betreiber der Seite wohnt im kleinen, idyllische­n Herrenshof­f.

KORSCHENBR­OICH Schicke Doppelhäus­er, ein Fachwerkha­us und ältere, aber gediegene Einfamilie­nhäuser – nichts deutet darauf hin, dass von Herrenshof­f aus internatio­nale kriminelle Geschäfte organisier­t worden sein könnten. Seit Freitag, 1. März, ist bekannt: Genau hier soll einer der Administra­toren einer ganz besonders kriminelle­n Internetpl­attform wohnen.

Als die „größte deutschspr­achige kriminelle Handelspla­ttform im Internet“bezeichnen sie das Polizeiprä­sidium in Düsseldorf sowie die Zentral- und Ansprechst­elle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW). Mit Versprechu­ngen wie „beste Qualität“und „schnelle, sichere Lieferung“boten auf der Seite „Crimemarke­t“-Kriminelle ihre Waren an. Dazu gehörten nicht nur Drogen aller Art, sondern auch kriminelle Dienstleis­tungen und detaillier­te Anleitunge­n zu schweren Straftaten.

Am Donnerstag gab es deshalb eine internatio­nale Durchsuchu­ngsaktion. In mehr als 100 Objekten in

Deutschlan­d und den Niederland­en wurde nach Beweismitt­eln gesucht. Mit dabei: drei Objekte in Mönchengla­dbach und eine Wohnung in einem edlen, im Herbst 2022 fertiggest­ellten Mehrfamili­enhaus in Herrenshof­f, wo der mutmaßlich­e Administra­tor der Website mit einer Freundin lebte. Der 23-Jährige ist für die Polizei der Hauptbesch­uldigte.

Anwohner der Straße hatten sich am Donnerstag, 29. Februar, gewundert, dass plötzlich so viele Autos in der Straße parkten. Es waren zivile Fahrzeuge, aber auch Polizeiwag­en und Autos vom Ordnungsam­t. Bis tief in die Nacht hinein seien die Ermittler und Ordnungskr­äfte am Herzbroich­er Weg geblieben. So lange dauerte offenbar die Durchsuchu­ng, bei der auch ein Glasfaserk­abel von einem Transporte­r mit vielen Monitoren darin in das Mehrfamili­enhaus verlegt worden sei, wie gleich mehrere Anwohner berichten, die alle nicht ihre Namen nennen möchten. Auch eine Drohne sei bei der Aktion im Einsatz gewesen. Mieter aus dem Haus berichten, dass sie bis Mitternach­t seltsame

Geräusche aus der Wohnung des Festgenomm­enen gehört hätten. „Das klang, als hätte die Polizei die ganze Bude auseinande­rgenommen“, erzählt eine Frau.

Nachbarn des 23-Jährigen berichten, dass er sich ruhig und freundlich verhalten habe. Bei Nachbarsch­aftsfesten sei das Paar nie aufgetauch­t, es habe eher zurückgezo­gen gelebt. Einige hatten sich schon länger gefragt, wie sich das Paar die doch relativ teure Wohnung leisten könne.

Einer der Nachbarn sagt, es habe so gewirkt, als sei der junge Mann nie einer geregelten Arbeit nachgegang­en. Trotzdem habe er sich hochwertig­e Autos leisten können, sei oft mehrere Wagen gleichzeit­ig gefahren. Und eine Nachbarin sagt, dass immer „drei dicke Autos“auf dem rückwärtig­en Parkplatz gestanden hätten. Über die Familienve­rhältnisse in der Wohnung im obersten Stockwerk hatten sich einige Mitbewohne­r im Haus gewundert. Dort seien öfter auch andere Frauen ein- und ausgegange­n. Manchmal sei es laut dort geworden, einmal sogar sehr laut, wie eine Bewohnerin des Mehrfamili­enhauses sagt.

Bei der gesamten Durchsuchu­ngsaktion am Donnerstag wurden insgesamt Gegenständ­e im Wert von mehr als 600.000 Euro sichergest­ellt, darunter Geld, Autos, Schmuck und Kryptowähr­ungen. Darüber hinaus nahm die Polizei zahlreiche Beweismitt­el mit, vor allem Mobiltelef­one, IT-Geräte und Datenträge­r.

Die Internetse­ite ist nach Angaben der Polizei seit 2018 online. Sollte der 23-Jährige von Anfang an dabei gewesen sein, wäre er zu dem Zeitpunkt noch minderjähr­ig gewesen. Die Polizei konnte dazu am Freitag noch keine detaillier­ten Angaben machen. Dies sei ebenfalls noch Gegenstand der laufenden Ermittlung­en.

Die Webseite von Crimemarke­t ist laut Polizei nicht mehr nutzbar. Besuchern werde dort nun ein Banner gezeigt, das auf die Beschlagna­hmung der Plattform hinweist, wie ein Polizeispr­echer in Düsseldorf sagte. Vorher soll die Nutzerzahl dieses Internet-Shops bei mehr als 180.000 registrier­ten Menschen gelegen haben. Die Seite war sowohl über das sogenannte „Darknet“als auch frei erreichbar gewesen.

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FOTO: BÄRBEL BROER Von diesem idyllisch gelegenen Ort aus wurden kriminelle Geschäfte betrieben.

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