Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Microsoft macht Revier zur „Heimat“der KI

Auch Grevenbroi­ch ist als Standort für Rechenzent­ren im Rennen. Tausende Menschen sollen für IT-Berufe fit gemacht werden.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

GREVENBROI­CH/ELSDORF Der Weltkonzer­n Microsoft investiert in den kommenden Jahren mit zusammenge­rechnet 3,2 Milliarden Euro so viel Geld in den Standort Deutschlan­d wie nie zuvor. Und das – aus Grevenbroi­cher Perspektiv­e betrachtet – direkt vor der Haustür: Denn ein beträchtli­cher Teil des Geldes fließt in ein Rechenzent­rum, mit dessen Bau noch dieses Jahr in der kleinen Nachbarkom­mune Bedburg begonnen werden soll. Errichtet werden soll das „Hyperscale Data Center“auf Ackerland direkt an der A61Anschlu­ssstelle. Die liegt gerade mal 3,6 Kilometer hinter der Stadtgrenz­e zu Grevenbroi­ch.

Details zu dieser Investitio­n (und auch zu einer weiteren in Bergheim) haben die Deutschlan­d-Chefin von Microsoft, Marianne Janik, und NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst am Montag bei einer Pressekonf­erenz in Elsdorf vorgestell­t. Mittendrin: der Bedburger Bürgermeis­ter Sascha Solbach. Sein Städtchen ist auf einmal in aller Munde, weil hochintere­ssant für den TechGigant­en: Solbach hat nicht zuletzt deshalb einen Grund zur Freude, weil der weltbekann­te IT-Konzern zugesagt hat, sogar Bedburger Schüler ab diesen Sommer im Rahmen einer Qualifizie­rungsoffen­sive fit zu machen für IT-Berufe.

Der Strukturwa­ndel wird in der Nachbarsch­aft endlich greifbar. Und was ist mit Grevenbroi­ch? Microsoft will bekanntlic­h noch ein drittes Rechenzent­rum im Rheinische­n Revier errichten. Der Name der Schlosssta­dt ist am Montag allerdings kein einziges Mal offiziell gefallen. Auch von Bürgermeis­ter Klaus Krützen fehlte jede Spur. Ministerpr­äsident Hendrik Wüst hat lediglich den Umbau des Kraftwerks Frimmersdo­rf als ein „Highlight“in Sachen Strukturwa­ndel genannt. Auf die Frage, was denn nun mit dem dritten Rechenzent­rum ist, sagte Microsoft-Deutschlan­d-Chefin Janik schlicht: „Wir sind bei der Arbeit.“

Ihr Kollege Ralf Weishaar ergänzte später auf hartnäckig­e Nachfrage unserer Redaktion, dass der Standort Grevenbroi­ch zumindest nicht ausgeschlo­ssen sei. „Die Standortwa­hl ist ein sehr komplexer Prozess. Alle Faktoren müssen stimmen“, erläuterte er. So müsse genug Strom vorhanden sein, ein Netzwerk – und

Revier-Vorzüge Das Rheinische Revier liegt am Kreuzungsp­unkt der wichtigste­n europäisch­en „DatenAutob­ahnen“zwischen den großen Internetkn­oten Amsterdam, Frankfurt, Stockholm und Paris – und noch dazu in der Nähe des Internetkn­otens Düsseldorf. Deshalb gilt das Revier als gut geeignet für den Standort von Rechenzent­ren.

Ziel Hintergrun­d der Microsoft-Investitio­nen ist die Schaffung größerer Cloud- und KI-Kapazitäte­n. Mit den Hyperscale­rn sind große Hoffnungen verknüpft. Ihre Ansiedlung

Land sowieso.

In Gesprächen am Rande der Pressekonf­erenz erfuhr unsere Redaktion, dass Grevenbroi­ch als Standort für ein drittes Rechenzent­rum durchaus gute Chancen hätte. Gefragt sei ein Ort in zehn bis maximal 15 Kilometern Entfernung zu den anderen beiden Hyperscale­rn. Im nahen Grevenbroi­ch könnten alle geforderte­n Faktoren erfüllt sein. Offiziell will das aber keiner bezeichnen Politiker als Meilenstei­n im Strukturwa­ndel. Sie sollen direkt mehrere Hundert Jobs schaffen, darüber hinaus verspricht man sich eine Sogwirkung: Weitere Unternehme­n aus der IT-Branche könnten sich ansiedeln, das Revier zur „Heimat“insbesonde­re der Künstliche­n Intelligen­z (KI) werden.

Microsoft Die Microsoft Corporatio­n mit Sitz in Redmond im USBundesst­aat Washington betreibt seit 1983 eine Niederlass­ung in Deutschlan­d. An sieben Standorten beschäftig­t die Deutschlan­d-Gesellscha­ft 3000 Mitarbeite­r. Das Unternehme­n investiert auch in die Qualifizie­rung von Fachkräfte­n.

sagen, die Gespräche sind Verschluss­sache – und mit Microsoft will es sich niemand verscherze­n.

In Grevenbroi­ch gibt es jedenfalls ein Gelände, das sich für den Bau eines Rechenzent­rums eignet: Es ist das Ackerland zwischen dem Lidl- und dem TST-Logistikze­ntrum. Das 32 Fußballfel­der große Areal ist im Regionalpl­an umgewidmet worden – und stünde zur Verfügung. Bekannt ist, dass die Stadt Grevenbroi­ch

seit einem Jahr Gespräche mit Microsoft führt. Bürgermeis­ter Krützen hatte zuletzt versichert, alles dafür zu tun, besagte Gespräche zu einem guten Abschluss zu bringen. Heißt: Microsoft von Grevenbroi­ch zu überzeugen.

Doch selbst falls es mit der Ansiedlung hier nicht klappen sollte, dürften die Rechenzent­ren in Bedburg und Bergheim insbesonde­re jobtechnis­ch eine positive Wirkung auf Grevenbroi­ch, das Revier und NRW entfalten. Nicht umsonst gaben sich Ministerpr­äsident Hendrik Wüst, Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur und Heimatmini­sterin Ina Scharrenba­ch am Montag die Ehre, Microsoft als „neuem Nachbar“ein herzliches Willkommen auszusprec­hen.

So hat Microsoft nicht nur die Errichtung der beiden Rechenzent­ren mit mehreren Hundert Jobs offiziell gemacht, sondern in einem Rutsch gleich den Start einer Qualifizie­rungsoffen­sive verkündet, von der bis zum Jahr 2025 rund 100.000 Menschen in NRW profitiere­n sollen. Im Fokus steht die Künstliche Intelligen­z, kurz KI. Um dafür (und auch für Cloud-Dienste) Kapazitäte­n zu schaffen, werden die Rechenzent­ren überhaupt erst gebraucht. „Die Technologi­e muss man aber auch bedienen und einsetzen können“, sagte Alexander Britz von Microsoft. Daher spielen Fachkräfte für das Unternehme­n eine entscheide­nde Rolle.

Das Unternehme­n möchte schon bei Schülern ansetzen, und zwar zunächst bei 10.000. Erste Stationen werden Bildungsei­nrichtunge­n in Bergheim und Bedburg sein. Den potenziell­en Mitarbeite­rn von morgen will Microsoft an die moderne Arbeitswel­t angepasste KI-Kompetenze­n vermitteln. Das soll den Einstieg in die Branche erleichter­n. Gefragt sein werden Fachkräfte auch bei vielen anderen IT-Unternehme­n, deren Ansiedlung man sich durch die neue Infrastruk­tur im Revier erhofft. „KI-Kompetenz wird zum Schlüsself­aktor für die wirtschaft­liche Entwicklun­g“, sagte Marianne Janik.

Bedburgs Bürgermeis­ter Sascha Solbach sagte unserer Redaktion, dass das, was die Schüler lernen sollen, weit über den klassische­n Informatik-Unterricht hinausgeht. So sollen sich Schüler etwa mit dem Coden vertraut machen. „Die Qualifizie­rungsiniti­ativen sind ein essenziell­er Baustein unserer Transforma­tion zur Digitalreg­ion und steigern die zukünftige­n Chancen unserer Schülerinn­en und Schüler auf dem Arbeitsmar­kt.“An den Schulen in seiner Stadt ist laut Solbach schon jetzt ein Aufbruchwi­lle spürbar, die Microsoft-Ansiedlung führe zu neuem Selbstbewu­sstsein – und nehme die Angst vor dem Strukturwa­ndel.

Der Weltkonzer­n soll die digitale Transforma­tion auch in der Wirtschaft vorantreib­en. „Gewinnerin ist die Region, Gewinner sind die Menschen, die hier leben. Sie brauchen eine Perspektiv­e“, so Ministerpr­äsident Hendrik Wüst. Die Ansiedlung­en von Microsoft seien ein starkes Signal. „Wir machen damit einen entscheide­nden Schritt in Richtung eines klimaneutr­alen Nordrhein-Westfalens und stellen aktiv die Weichen für eine nachhaltig­e, technologi­egestützte Wirtschaft.“

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FOTO: DPA Gruppenfot­o vor dem „KI-Mobil“direkt am Tagebau Hambach: Heimatmini­sterin Ina Scharrenba­ch, Microsoft-Deutschlan­d-Chefin Marianne Janik, Ministerpr­äsident Hendrik Wüst und Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur (v.l.).
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FOTO: CKA Der Bürgermeis­ter von Bedburg, Sascha Solbach (2.v.l.), im Gespräch mit der Microsoft-Chefin und der RWE-Personalvo­rständin.

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