Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Microsoft macht Revier zur „Heimat“der KI
Auch Grevenbroich ist als Standort für Rechenzentren im Rennen. Tausende Menschen sollen für IT-Berufe fit gemacht werden.
GREVENBROICH/ELSDORF Der Weltkonzern Microsoft investiert in den kommenden Jahren mit zusammengerechnet 3,2 Milliarden Euro so viel Geld in den Standort Deutschland wie nie zuvor. Und das – aus Grevenbroicher Perspektive betrachtet – direkt vor der Haustür: Denn ein beträchtlicher Teil des Geldes fließt in ein Rechenzentrum, mit dessen Bau noch dieses Jahr in der kleinen Nachbarkommune Bedburg begonnen werden soll. Errichtet werden soll das „Hyperscale Data Center“auf Ackerland direkt an der A61Anschlussstelle. Die liegt gerade mal 3,6 Kilometer hinter der Stadtgrenze zu Grevenbroich.
Details zu dieser Investition (und auch zu einer weiteren in Bergheim) haben die Deutschland-Chefin von Microsoft, Marianne Janik, und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst am Montag bei einer Pressekonferenz in Elsdorf vorgestellt. Mittendrin: der Bedburger Bürgermeister Sascha Solbach. Sein Städtchen ist auf einmal in aller Munde, weil hochinteressant für den TechGiganten: Solbach hat nicht zuletzt deshalb einen Grund zur Freude, weil der weltbekannte IT-Konzern zugesagt hat, sogar Bedburger Schüler ab diesen Sommer im Rahmen einer Qualifizierungsoffensive fit zu machen für IT-Berufe.
Der Strukturwandel wird in der Nachbarschaft endlich greifbar. Und was ist mit Grevenbroich? Microsoft will bekanntlich noch ein drittes Rechenzentrum im Rheinischen Revier errichten. Der Name der Schlossstadt ist am Montag allerdings kein einziges Mal offiziell gefallen. Auch von Bürgermeister Klaus Krützen fehlte jede Spur. Ministerpräsident Hendrik Wüst hat lediglich den Umbau des Kraftwerks Frimmersdorf als ein „Highlight“in Sachen Strukturwandel genannt. Auf die Frage, was denn nun mit dem dritten Rechenzentrum ist, sagte Microsoft-Deutschland-Chefin Janik schlicht: „Wir sind bei der Arbeit.“
Ihr Kollege Ralf Weishaar ergänzte später auf hartnäckige Nachfrage unserer Redaktion, dass der Standort Grevenbroich zumindest nicht ausgeschlossen sei. „Die Standortwahl ist ein sehr komplexer Prozess. Alle Faktoren müssen stimmen“, erläuterte er. So müsse genug Strom vorhanden sein, ein Netzwerk – und
Revier-Vorzüge Das Rheinische Revier liegt am Kreuzungspunkt der wichtigsten europäischen „DatenAutobahnen“zwischen den großen Internetknoten Amsterdam, Frankfurt, Stockholm und Paris – und noch dazu in der Nähe des Internetknotens Düsseldorf. Deshalb gilt das Revier als gut geeignet für den Standort von Rechenzentren.
Ziel Hintergrund der Microsoft-Investitionen ist die Schaffung größerer Cloud- und KI-Kapazitäten. Mit den Hyperscalern sind große Hoffnungen verknüpft. Ihre Ansiedlung
Land sowieso.
In Gesprächen am Rande der Pressekonferenz erfuhr unsere Redaktion, dass Grevenbroich als Standort für ein drittes Rechenzentrum durchaus gute Chancen hätte. Gefragt sei ein Ort in zehn bis maximal 15 Kilometern Entfernung zu den anderen beiden Hyperscalern. Im nahen Grevenbroich könnten alle geforderten Faktoren erfüllt sein. Offiziell will das aber keiner bezeichnen Politiker als Meilenstein im Strukturwandel. Sie sollen direkt mehrere Hundert Jobs schaffen, darüber hinaus verspricht man sich eine Sogwirkung: Weitere Unternehmen aus der IT-Branche könnten sich ansiedeln, das Revier zur „Heimat“insbesondere der Künstlichen Intelligenz (KI) werden.
Microsoft Die Microsoft Corporation mit Sitz in Redmond im USBundesstaat Washington betreibt seit 1983 eine Niederlassung in Deutschland. An sieben Standorten beschäftigt die Deutschland-Gesellschaft 3000 Mitarbeiter. Das Unternehmen investiert auch in die Qualifizierung von Fachkräften.
sagen, die Gespräche sind Verschlusssache – und mit Microsoft will es sich niemand verscherzen.
In Grevenbroich gibt es jedenfalls ein Gelände, das sich für den Bau eines Rechenzentrums eignet: Es ist das Ackerland zwischen dem Lidl- und dem TST-Logistikzentrum. Das 32 Fußballfelder große Areal ist im Regionalplan umgewidmet worden – und stünde zur Verfügung. Bekannt ist, dass die Stadt Grevenbroich
seit einem Jahr Gespräche mit Microsoft führt. Bürgermeister Krützen hatte zuletzt versichert, alles dafür zu tun, besagte Gespräche zu einem guten Abschluss zu bringen. Heißt: Microsoft von Grevenbroich zu überzeugen.
Doch selbst falls es mit der Ansiedlung hier nicht klappen sollte, dürften die Rechenzentren in Bedburg und Bergheim insbesondere jobtechnisch eine positive Wirkung auf Grevenbroich, das Revier und NRW entfalten. Nicht umsonst gaben sich Ministerpräsident Hendrik Wüst, Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Heimatministerin Ina Scharrenbach am Montag die Ehre, Microsoft als „neuem Nachbar“ein herzliches Willkommen auszusprechen.
So hat Microsoft nicht nur die Errichtung der beiden Rechenzentren mit mehreren Hundert Jobs offiziell gemacht, sondern in einem Rutsch gleich den Start einer Qualifizierungsoffensive verkündet, von der bis zum Jahr 2025 rund 100.000 Menschen in NRW profitieren sollen. Im Fokus steht die Künstliche Intelligenz, kurz KI. Um dafür (und auch für Cloud-Dienste) Kapazitäten zu schaffen, werden die Rechenzentren überhaupt erst gebraucht. „Die Technologie muss man aber auch bedienen und einsetzen können“, sagte Alexander Britz von Microsoft. Daher spielen Fachkräfte für das Unternehmen eine entscheidende Rolle.
Das Unternehmen möchte schon bei Schülern ansetzen, und zwar zunächst bei 10.000. Erste Stationen werden Bildungseinrichtungen in Bergheim und Bedburg sein. Den potenziellen Mitarbeitern von morgen will Microsoft an die moderne Arbeitswelt angepasste KI-Kompetenzen vermitteln. Das soll den Einstieg in die Branche erleichtern. Gefragt sein werden Fachkräfte auch bei vielen anderen IT-Unternehmen, deren Ansiedlung man sich durch die neue Infrastruktur im Revier erhofft. „KI-Kompetenz wird zum Schlüsselfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung“, sagte Marianne Janik.
Bedburgs Bürgermeister Sascha Solbach sagte unserer Redaktion, dass das, was die Schüler lernen sollen, weit über den klassischen Informatik-Unterricht hinausgeht. So sollen sich Schüler etwa mit dem Coden vertraut machen. „Die Qualifizierungsinitiativen sind ein essenzieller Baustein unserer Transformation zur Digitalregion und steigern die zukünftigen Chancen unserer Schülerinnen und Schüler auf dem Arbeitsmarkt.“An den Schulen in seiner Stadt ist laut Solbach schon jetzt ein Aufbruchwille spürbar, die Microsoft-Ansiedlung führe zu neuem Selbstbewusstsein – und nehme die Angst vor dem Strukturwandel.
Der Weltkonzern soll die digitale Transformation auch in der Wirtschaft vorantreiben. „Gewinnerin ist die Region, Gewinner sind die Menschen, die hier leben. Sie brauchen eine Perspektive“, so Ministerpräsident Hendrik Wüst. Die Ansiedlungen von Microsoft seien ein starkes Signal. „Wir machen damit einen entscheidenden Schritt in Richtung eines klimaneutralen Nordrhein-Westfalens und stellen aktiv die Weichen für eine nachhaltige, technologiegestützte Wirtschaft.“