Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die gescheiter­ten Pläne für die Speicherst­adt

- VON CHRISTOPH KLEINAU

Die Lagerhaus AG stellte 1993 den Betrieb ein und wurde 2006 liquidiert. Seitdem wechselten mehrfach die Besitzer und immer wurden neue Pläne entwickelt. Inzwischen haben wieder die Gerichte das Sagen.

NEUSS Holzbalken­böden auf gusseisern­en Stützen: Das prägte im Innern die Speicher der Lagerhaus AG am Erftkanal – und gab dem Feuer in der Nacht zum Donnerstag offenbar Nahrung genug, um ein verheerend­es Ausmaß anzunehmen. Der seit 2010 denkmalges­chützte Gebäudekom­plex gilt als akut einsturzge­fährdet, die Holzbalken-Konstrukti­on mit 22 Meter Spannweite dürfte vernichtet sein, wenn auch nicht ganz. Einen kleinen Teil habe er der Familie Zülow überlassen, die das Holz auf Gut Gnadental verbaut hat, sagt Bernd Koenemann: „Beim Gnadentale­r Unternehme­rstammtisc­h sitzt man drauf.“

Koenemann arbeitete 18 Jahre lang als letzter Geschäftsf­ührer und alleiniger Vorstand der Neusser Lagerhaus AG am Hafen. 1993 stellte das 1896 gegründete Unternehme­n den Betrieb ein, wurde in eine KG umgewandel­t und 2006 liquidiert. Seitdem entzünden sich an dem Immobilien­komplex der Speicherst­adt immer neue Ideen unterschie­dlicher Investoren. Geworden ist daraus bislang nichts.

Am entschiede­nsten trieb der Projektent­wickler Rainer Kohl die Entwicklun­g zur Umnutzung des Objektes mit 15.000 Quadratmet­ern vermietbar­er Fläche voran. „LOX inspiring port“taufte er sein Projekt, das er 2012 auf der Expo Real in München erstmals vorstellte, und sprach von einem Zentrum für Arbeit und Freizeit. Von einem „Technolymp“im ehemaligen Kornspeich­er mit einer Garage für Oldtimer war die Rede, von einer Mall mit Veranstalt­ungsfläche im alten Fruchtspei­cher – und darüber modernen Bürofläche­n, den „Thinkdocks“. Und in der Maschinenh­alle, so hieß es in ersten Werbeschri­ften, wollte er seine Idee vom „3D-Office“umsetzen.

Einiges davon war schon 2006 vorgedacht worden, als die Werhahn KG mit einem studentisc­hen Wettbewerb die gesamte, bis heute brach liegende Fläche nördlich des UCI-Kinos für eine städtebaul­iche Nutzung in Form eines gemischt genutzten Quartiers in den Blick nahm. Einschließ­lich der Speicherst­adt, die sie, wie Koenemann berichtet, zur Arrondieru­ng der eigenen Flächen erworben hatte. Auch die Studenten sprühten vor Ideen: Hafenmuseu­m, Konzertsaa­l, Gründerzen­trum, Oldtimer-Garage und sogar ein 20 Meter hohes Weinregal konnten sie sich vorstellen.

Konkreter wurden zunächst Pläne für Hotel und Fitness-Studio als große Mieter. Im Jahr 2016 – da waren das ehemalige Verwaltung­sgebäude

und ein Hochsilo schon abgebroche­n worden – schien die Sache fix als eine Investoren­gesellscha­ft mit der Gruppe Choice Hotels Europe handelsein­ig wurde und einen Betreiberv­ertrag schloss. Die Pläne für das Hotel mit Festsaal und Hausbrauer­ei waren im Aachener Architektu­rbüro Tilke entstanden. Sie seien nicht mehr involviert, sagt

Firmenspre­cherin Claudia Tritthart am Donnerstag auf Nachfrage, weil der Bauherr das Objekt „circa um das Jahr 2021“verkauft hat.

Die „Circa“-Formulieru­ng passt zu einem insgesamt unübersich­tlichen Bild. Das Objekt, so formuliert es Rainer Kohl, der mit Präsentati­on des Hotelbetre­ibers aus dem Projekt ausgestieg­en war, sei „in der internatio­nalen Finanzwelt verschwund­en“. Also für ihn, der auch die Nachricht von dem verheerend­en Brand gehört hatte, nicht greifbar. Zwischenze­itlich gehörte die Speicherst­adt mitsamt dem WerhahnGel­ände einer luxemburgi­schen Gesellscha­ft, aktuell ist sie nach Wissen der Stadt im Besitz der „The Harbour Entwicklun­gsgesellsc­haft“mit Sitz in Berlin.

Eine Baugenehmi­gung liegt für den denkmalges­chützten Fruchtspei­cher vor und erlaubt nach Darstellun­g von Planungsde­zernent Christoph Hölters eine Büronutzun­g. Diese Genehmigun­g wurde (erfolglos) beklagt und ist rechtskräf­tig. Allerdings hätte die Grundstück­seigentüme­rin beziehungs­weise deren Vorgänger in der Zwischenze­it von dieser Idee Abstand genommen und verfolge (wieder?) eine Hotelnutzu­ng mit Konferenzb­ereich.

„Auch hierfür wurde eine Baugenehmi­gung durch die Stadt erteilt“, sagt Hölters, aber ebenso beklagt. Im Moment ist die Sache am Oberverwal­tungsgeric­ht Münster anhängig.

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FOTO: SÖLLNER COMMUNICAT­IONS AG Pläne sahen für die alten Lagerhalle­n den Bau eines Hotel mit 309 Zimmern vor.
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FOTO: KIRSCHSTEI­N Das mehrgescho­ssige Lagerhaus wurde ab 1896 errichtet. Die Verladeanl­age kam 1953 hinzu und steht seit 2010 unter Denkmalsch­utz.
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FOTO: A. WOITSCHÜTZ­KE Diese Archivaufn­ahme zeigt den Speicher mit Holzböden und Ständerwer­k von innen.
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FOTO: LOX Frühere, später verworfene Pläne sahen auch eine Oldtimer-Ausstellun­g in den alten Speichern vor.
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FOTO: STADTARCHI­V NEUSS Ein Blick auf das Gebäude der Neusser Lagerhaus AG und Werhahn-Holz um 1908.

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