Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die gescheiterten Pläne für die Speicherstadt
Die Lagerhaus AG stellte 1993 den Betrieb ein und wurde 2006 liquidiert. Seitdem wechselten mehrfach die Besitzer und immer wurden neue Pläne entwickelt. Inzwischen haben wieder die Gerichte das Sagen.
NEUSS Holzbalkenböden auf gusseisernen Stützen: Das prägte im Innern die Speicher der Lagerhaus AG am Erftkanal – und gab dem Feuer in der Nacht zum Donnerstag offenbar Nahrung genug, um ein verheerendes Ausmaß anzunehmen. Der seit 2010 denkmalgeschützte Gebäudekomplex gilt als akut einsturzgefährdet, die Holzbalken-Konstruktion mit 22 Meter Spannweite dürfte vernichtet sein, wenn auch nicht ganz. Einen kleinen Teil habe er der Familie Zülow überlassen, die das Holz auf Gut Gnadental verbaut hat, sagt Bernd Koenemann: „Beim Gnadentaler Unternehmerstammtisch sitzt man drauf.“
Koenemann arbeitete 18 Jahre lang als letzter Geschäftsführer und alleiniger Vorstand der Neusser Lagerhaus AG am Hafen. 1993 stellte das 1896 gegründete Unternehmen den Betrieb ein, wurde in eine KG umgewandelt und 2006 liquidiert. Seitdem entzünden sich an dem Immobilienkomplex der Speicherstadt immer neue Ideen unterschiedlicher Investoren. Geworden ist daraus bislang nichts.
Am entschiedensten trieb der Projektentwickler Rainer Kohl die Entwicklung zur Umnutzung des Objektes mit 15.000 Quadratmetern vermietbarer Fläche voran. „LOX inspiring port“taufte er sein Projekt, das er 2012 auf der Expo Real in München erstmals vorstellte, und sprach von einem Zentrum für Arbeit und Freizeit. Von einem „Technolymp“im ehemaligen Kornspeicher mit einer Garage für Oldtimer war die Rede, von einer Mall mit Veranstaltungsfläche im alten Fruchtspeicher – und darüber modernen Büroflächen, den „Thinkdocks“. Und in der Maschinenhalle, so hieß es in ersten Werbeschriften, wollte er seine Idee vom „3D-Office“umsetzen.
Einiges davon war schon 2006 vorgedacht worden, als die Werhahn KG mit einem studentischen Wettbewerb die gesamte, bis heute brach liegende Fläche nördlich des UCI-Kinos für eine städtebauliche Nutzung in Form eines gemischt genutzten Quartiers in den Blick nahm. Einschließlich der Speicherstadt, die sie, wie Koenemann berichtet, zur Arrondierung der eigenen Flächen erworben hatte. Auch die Studenten sprühten vor Ideen: Hafenmuseum, Konzertsaal, Gründerzentrum, Oldtimer-Garage und sogar ein 20 Meter hohes Weinregal konnten sie sich vorstellen.
Konkreter wurden zunächst Pläne für Hotel und Fitness-Studio als große Mieter. Im Jahr 2016 – da waren das ehemalige Verwaltungsgebäude
und ein Hochsilo schon abgebrochen worden – schien die Sache fix als eine Investorengesellschaft mit der Gruppe Choice Hotels Europe handelseinig wurde und einen Betreibervertrag schloss. Die Pläne für das Hotel mit Festsaal und Hausbrauerei waren im Aachener Architekturbüro Tilke entstanden. Sie seien nicht mehr involviert, sagt
Firmensprecherin Claudia Tritthart am Donnerstag auf Nachfrage, weil der Bauherr das Objekt „circa um das Jahr 2021“verkauft hat.
Die „Circa“-Formulierung passt zu einem insgesamt unübersichtlichen Bild. Das Objekt, so formuliert es Rainer Kohl, der mit Präsentation des Hotelbetreibers aus dem Projekt ausgestiegen war, sei „in der internationalen Finanzwelt verschwunden“. Also für ihn, der auch die Nachricht von dem verheerenden Brand gehört hatte, nicht greifbar. Zwischenzeitlich gehörte die Speicherstadt mitsamt dem WerhahnGelände einer luxemburgischen Gesellschaft, aktuell ist sie nach Wissen der Stadt im Besitz der „The Harbour Entwicklungsgesellschaft“mit Sitz in Berlin.
Eine Baugenehmigung liegt für den denkmalgeschützten Fruchtspeicher vor und erlaubt nach Darstellung von Planungsdezernent Christoph Hölters eine Büronutzung. Diese Genehmigung wurde (erfolglos) beklagt und ist rechtskräftig. Allerdings hätte die Grundstückseigentümerin beziehungsweise deren Vorgänger in der Zwischenzeit von dieser Idee Abstand genommen und verfolge (wieder?) eine Hotelnutzung mit Konferenzbereich.
„Auch hierfür wurde eine Baugenehmigung durch die Stadt erteilt“, sagt Hölters, aber ebenso beklagt. Im Moment ist die Sache am Oberverwaltungsgericht Münster anhängig.