Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Demokratie braucht Demokraten“

- VON HERIBERT BRINKMANN

Der prominente CDU-Politiker Wolfgang Bosbach war Gast beim CDU-Stammtisch im März. Rund 50 Zuhörer waren ins „Drusus One“gekommen. Am Ende viel Applaus für einen Mann, dem Politik immer noch Spaß macht.

NEUSS Gisela Knauf, Organisato­rin des monatliche­n CDU-Stammtisch­es, war „total begeistert“. Das Platzkonti­ngent für „Drusus one“war ausgebucht, etwa 50 Mitglieder hatten sich angemeldet. „So einen Zuspruch habe ich noch nie erlebt“, sagte Knauf zur Begrüßung. Der Grund lag im angekündig­ten Gast, dem ehemaligen CDU-Bundestags­abgeordnet­en für den Rheinisch-Bergischen Kreis, Wolfgang Bosbach. Der verspätete sich um eine Viertelstu­nde, das Navi im Auto wollte ihn immer wieder durch die gesperrte Hammer Landstraße schicken.

Im Herbst 2017 hatte sich Bosbach aus der Bundespoli­tik zurückgezo­gen. Doch er bleibt ein gefragter Mann. Er bekomme mehr als 1000 Einladunge­n im Jahr und versuche, 250 davon wahrzunehm­en. „Mehr geht nicht“, bekannte der 71-Jährige. „Aber nach Neuss kommt er immer“, sagte Knauf stolz.

„Politik macht mir immer noch Spaß“, so begann der Gast seinen persönlich­en Streifzug durch die große Politik. 23 Jahre sei er gerne in sein Abgeordnet­enbüro gegangen. „Es ist ein Privileg, ein solches Amt auszuüben“, so Bosbach. Gut die Hälfte der Erwachsene­n interessie­re sich für Politik, aber nur 1,5 Prozent der Bevölkerun­g sei Mitglied in einer Partei. Doch eine Demokratie ohne Demokraten funktionie­re nicht.

Erst am Ende kam Bosbach auf das Thema Ukraine zu sprechen. Die Kreistagsa­bgeordnete Jutta Stüsgen trieb das Thema um. Bosbach sah sich in seiner Meinung zur UkraineFra­ge in der CDU in der Minderheit: Es werde dort zu viel über Waffen und zu wenig über Diplomatie gesprochen. Er befürchtet einen langen zähen Abnutzungs­krieg. Aber von „Einfrieren“hält er nichts. Gebt Putin die eroberten Gebiete, dann wird er uns in Ruhe lassen – daran glaubt Bosbach nicht. Bisher waren die Amerikaner die größten Unterstütz­er der Ukraine. Falls Trump erneut Präsident der Vereinigte­n Staaten werden sollte, könne sich das ändern. Europa könne die amerikanis­che Unterstütz­ung nicht ansatzweis­e kompensier­en.

Trotz der niedrigen Zustimmung in der Bevölkerun­g werde die Ampelregie­rung „bis zum bitteren Ende“weitermach­en. Denn würde heute gewählt, verlören alle drei Parteien, die FDP käme vielleicht gar nicht mehr in den Bundestag. Bosbach sieht die wirtschaft­liche Stabilität gefährdet. Olaf Scholz sehe im Sozialstaa­t die Basis des Wohlstande­s. Bosbach hält dagegen, der Fleiß der Menschen sei die Basis. Kiffen und Geschlecht­sumwandlun­gen brächten uns nicht weiter.

Der Frage nach dem besten CDUKanzler­kandidaten entzog sich Bosbach geschickt. „Wer die besten Chancen hat, gewählt zu werden, weiß ich nicht.“Wie sicher auch in

Neuss werde diese Frage in der CDU unterschie­dlich gesehen. „Aber egal, wer das am Ende wird, ich mache Wahlkampf für ihn“, kündigte Bosbach an. Was aber nicht wieder passieren dürfe, sei ein offen ausgetrage­ner Streit wie bei Laschet und Söder.

Und Ursula von der Leyen bei der Europawahl? Im Koalitions­vertrag der Ampelregie­rung hätten die Grünen das Vorschlags­recht, außer wenn von der Leyen wieder kandidiere, antwortete Bosbach. Der Neusser Bundestags­abgeordnet­e Hermann Gröhe sprang ihm bei und berichtete von seinem letzten Brüssel-Besuch. Dort erfuhr er die Einschätzu­ng, von der Leyen sei nach Jacques Delors wieder eine große Präsidenti­n. Die größte Gefahr bei der Europawahl sei, dass die Kräfte von AfD bis Le Pen eine Sperrminor­ität gegen Europa schafften.

Als Bosbachs Mutter mit 96 Jahren

in ein Pflegeheim kam, reichten Rente und Pflegekass­e nicht mehr aus, das Heim zu bezahlen. Ein Vermögen schmelze da wie Schnee in der Sonne. Bosbach warnte davor, das Rentennive­au weiter zu senken.

Wer 40 Jahre in die Rentenkass­e einzahle, müsse als Rentner seinen Lebensstan­dard sichern können. Das dürfe keine Grundsiche­rung sein, sonst werfe das die Frage auf, warum man sein ganzes Leben gearbeitet hat. Auf das Bürgergeld habe jeder Bürger Anspruch. Aber Vorsicht: „Der Sozialstaa­t kippt, wenn man auf Kosten von anderen lebt.“Viel Applaus für den prominente­n Politiker.

 ?? FOTO: WOI ?? Wenn Wolfgang Bosbach (3.v.l.) kommt, wollen auch (v.l.) Jörg Geerlings, Ruth Sternemann-Böcking, Axel Stuck, Mario Loebelt und Hermann Gröhe dabei sein. Gastgeberi­n Gisela Knauf (vorne) freute sich über den bislang bestbesuch­ten CDU-Stammtisch.
FOTO: WOI Wenn Wolfgang Bosbach (3.v.l.) kommt, wollen auch (v.l.) Jörg Geerlings, Ruth Sternemann-Böcking, Axel Stuck, Mario Loebelt und Hermann Gröhe dabei sein. Gastgeberi­n Gisela Knauf (vorne) freute sich über den bislang bestbesuch­ten CDU-Stammtisch.

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