Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eine Brücke zwischen Rhein und Kongo

- VON HERIBERT BRINKMANN

Im Kontakt Erfttal startete ein kulturpäda­gogisches Projekt für Kinder und Jugendlich­e: Neues aus Abfall basteln. Vorbild dafür sind Kinder aus Kinshasa. Per Video-Konferenz lernten sich Kinder vom Rhein und am Kongo kennen.

NEUSS Große Augen auf beiden Seiten: Am Dienstagna­chmittag kam eine Video-Konferenz zwischen Kinshasa und Neuss zustande, die Entfernung zwischen beiden Städten beträgt mehr als 9000 Kilometer, die man via Internet problemlos überwinden kann. Die Kinder im Spielhaus am Abenteuers­pielplatz von „Kontakt Erfttal“haben dabei ganz schnell „bon jour“gelernt. Die LiveBrücke war der krönende Abschluss der ersten Station eines kulturpäda­gogischen Projekts für Kinder und Jugendlich­e, das Einrichtun­gen in Neuss, Düsseldorf und Kinshasa verbindet.

Kontakt Erfttal war die erste Station, es folgen noch die OT Barbaravie­rtel – Dependance, das Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf und Anfang April der Treff Weckhoven. Die schönsten Workshop-Ergebnisse werden dann am Samstag, 6. April, in der Galerie Amschatzha­us in Holzheim präsentier­t. Hinter diesem neuartigen Projekt stehen drei sehr engagierte Menschen: Cedrick Tshimbalan­ga aus Kinshasa, der ein Kulturzent­rum leitet, sowie die Galeristin Kirsten Adamek und des

Literaturw­isesnschaf­tlers Enno Stahl aus Neuss.

Kinshasa ist die Hauptstadt der Demokratis­chen Republik Kongo. Mit 16 Millionen Einwohnern gilt sie als die größte Stadt Afrikas – noch vor Lagos und Kairo. Das heutige Staatsgebi­et war von 1885 bis 1960 eine Kolonie des belgischen Königs Leopold II., der dort ein grausames Kolonialre­gime einführte. Durch jahrzehnte­lange Ausbeutung, Korruption, Bürgerkrie­ge und ein hohes Bevölkerun­gswachstum gehört das eigentlich rohstoffre­iche Land auch heute noch zu den ärmsten in Afrika.

Hier setzt Cedrick Tshimbalan­ga an. Der Student der Umwelttech­nik, der sich als Touristenf­ührer sein Geld verdient, betreibt in Kinshasa das freie Kulturzent­rum Mokili Na Poche (Die Welt in der Tasche). Viele der Kinder und Jugendlich­en, die oft auf der Straße gelebt und viel Gewalt erlebt haben, können sich dort künstleris­ch ausprobier­en. Aber auch Schreiben, Lesen und Rechnen werden vermittelt. Es gibt im Kulturzent­rum sogar ein kleines Studio, in dem die Jugendlich­en Musik machen können – falls gerade Strom da ist. Das zweite große Problem ist der allgegenwä­rtige Müll in den Straßen. Sein Projekt „Pont des Maisons – Brücke aus Häusern“bringt Umweltschu­tz und kreative Gestaltung zusammen. Die Kinder und Jugendlich­en sammeln Müll in der Stadt und basteln daraus neue Objekte. Einige selbst gebastelte Masken führten sie bei der Video-Konferenz vor. Leiter Cedrick Tshimbalan­ga ist für das Projekt nach Neuss gekommen und übersetzte ins Französisc­he, was dann noch ins Deutsche übertragen werden musste. Aber das klappte alles wunderbar.

Und wie kam dieses Projekt nun nach Neuss? Enno Stahl, Schriftste­ller und Literaturw­issenschaf­tler, war für eine Romanreche­rche nach Kinshasa gereist. Dort lernte er Cedrick als seinen Guide kennen - und auch dessen wichtiges Jugendproj­ekt. Schnell war die Idee geboren, dieses Projekt im Rheinland zu spiegeln. Stahls Frau Kirsten Adamek hat Erfahrung mit vielen kulturpäda­gogischen Projekten. Als das Kulturamt der Stadt Neuss

und Fonds Soziokultu­r eine finanziell­e Förderung zusagten, konnte das Projekt starten. So zogen am Montag 14 Kinder zwischen sechs und 14 Jahren von Erfttal zu Fuß an den Rhein und sammelten am Sporthafen Grimlingha­usen Müll ein. Zurück am Abenteuers­pielplatz entstand an zwei Tagen eine Vielzahl bunter, phantasiev­oller Häuser mit viel Innenleben – aus alter Pappe, Farbe und aufgefunde­nem Abfall. So werden aus einer Plastiksch­ale eine Couch und ein Eierkarton zum Bett. Cedrick ist begeistert: „Kinder retten die Welt.“Er selbst schuf eine „weinende Erde“.

Ein zweiter Teil des Projekts ist die Brücke Rhein-Kongo, die über die beiden mythischen Figuren Loreley und Mami Wata (Mutter Wasser) am 2. und 3. April im Heinrich-HeineInsti­tut in Düsseldorf gebaut wird. Heinrich Heine hat der Loreley sein berühmtest­es Gedicht gewidmet. Die Kinder erfahren einiges über diese beiden Wesen und können dann aus bereitgest­ellten Materialie­n ihre eigenen Figuren kreieren.

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FOTO: WOI Im Kontakt Erfttal startete ein Projekt, bei dem Kinder und Jugendlich­e Plastiken aus Abfall bastelten. Vorbild sind Arbeiten von Kindern aus Kinshasa.

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