Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

So läuft es mit dem E-Rezept

Während der Bundesgesu­ndheitsmin­ister das E-Rezept feiert, gibt es im Dormagener Alltag noch einige Probleme.

- VON SOPHIA KUPFERSCHM­IDT

DORMAGEN Patienten, die trotz Rezept ihre Medikament­e nicht abholen können, verärgerte Ärzte und Apotheker, die vor einer Mehrarbeit stehen – das E-Rezept bereitete in der Vergangenh­eit Probleme. Grund dafür sind technische Störungen und Ausfälle des Systems. B1 die Reißleine: Ärzte im Rheinland sollten bis 10 Uhr morgens – denn in der Früh gab es die größten Probleme – nur noch Papierreze­pte ausstellen. Sind auch Apotheken in Dormagen von den Schwierigk­eiten betroffen? Unsere Redaktion hat mit drei Apotheken gesprochen.

Alexander Tripp, Geschäftsf­ührung der Sonnen Apotheke, Pfeiffer Apotheke und Augustinus Apotheke, betrachtet die Einführung des E-Rezeptes differenzi­ert. Grundsätzl­ich sieht er Vorteile – wenn formell alles geklärt wäre. Zwar waren seine Apotheken nicht von den technische­n Störungen betroffen, er kritisiert dafür andere Probleme. Für die Apotheken sei durch das E-Rezept ein Mehraufwan­d entstanden, denn sie müssten die Formalität­en kontrollie­ren. Im ERezept gibt es beispielsw­eise Platz für einen Freitext. „Da könnte der Arzt auch ein Kochrezept eintragen.“Für die Abrechnung der Krankenkas­se muss allerdings alles korrekt ausgefüllt sein, das ist dann die Aufgabe der Apotheken, die deshalb häufiger mit den Praxen telefonier­en müssen.

Ein weiteres Problem sieht Tripp in der Transparen­z für den Patienten. Zuvor konnte dieser auf dem Papierreze­pt genau sehen, was ihm verschrieb­en wurde. Jetzt sei das durch das Verschreib­en auf der Krankenkas­senkarte nicht mehr möglich. Und auch für Patienten, die nicht mobil sind, weil sie beispielsw­eise auf einen Rollator angewiesen sind, sei das E-Rezept ein Problem. Zuvor erhielten sie nach dem Hausbesuch eines Arztes ihr Papierreze­pt und riefen die Apotheke an, die das Medikament dann ausliefert­e. Jetzt müsste die Apotheke theoretisc­h erst zum Patienten fahren, mit einem Gerät ablesen, was ihm verschrieb­en wurde und das Medikament dann in der Apotheke holen. „Ich merke aber, dass immer mehr Ärzte jetzt wieder das Papierreze­pt nutzen.“Dass sich Apotheken nun mit solchen banalen Themen beschäftig­en müssten, sei frustriere­nd. „Es wirkt auf mich, als wäre in der Entwicklun­g des ERezeptes weder mit Ärtzen noch Apotheken gesprochen worden“, so Tripp.

Als Glücksspie­l bezeichnet Jessica Weber, Inhaberin der Martinus-Apotheke in Zons, das Funktionie­ren des E-Rezepts. In ihrer Apotheke habe es keine größeren Probleme gegeben, aber sie weiß, dass das nicht selbstvers­tändlich ist. Allerdings hatte sie genügend Vorbereitu­ngszeit: „Wir haben das E-Rezept bei uns bereits im Oktober mit einem Arzt eingeführt.“Die Probleme, die andere Apotheken im Januar hatten, waren in der Martinus-Apotheke zu diesem Zeitpunkt bereits gelöst.

Die Apothekeri­n ist von den Vorteilen des E-Rezeptes überzeugt. Besonders positiv sieht sie, dass chronisch kranke Patienten sich oftmals den Weg in die Arztpraxis sparen und ihr Medikament mit der Versichert­enkarte direkt in der Apotheke abholen können. Zudem habe die Einführung des E-Rezeptes die Zusammenar­beit zwischen Ärzten und Apotheken in der Region verstärkt, da man im Falle einer Panne gemeinsam nach Lösungen gesucht habe. „Eine Neuerung ist für alle schwierig, aber wir sitzen im selben Boot.“

Einen großen Nachteil sieht Weber allerdings in dem höheren Risiko der Retaxation. Das bedeutet, dass Krankenkas­sen die Erstattung eines Arzneimitt­els verweigern können, wenn etwas mit dem Rezept nicht in Ordnung ist – das müssen dann die Apotheken bezahlen. Das heißt im Falle des E-Rezeptes: Wenn ein Arzt im neuen System einen Fehler macht und etwas falsch einträgt, die Apotheke das Medikament aber trotzdem abgibt und den Fehler nicht nachträgli­ch behebt, kann es passieren, dass sie das am Ende bezahlen muss. „Das ist eine reale Gefahr“, sagt auch Tripp. „Wir stehen dann vor der Entscheidu­ng, ob wir den Patienten

versorgen oder ein finanziell­es Risiko eingehen“, so Weber. Sie hätte sich eine einjährige Friedenspf­licht zur Einführung des E-Rezeptes gewünscht.

Carola Bley von der Rathaus-Apotheke kann den Unmut über das ERezept nicht verstehen. „Ich frage mich, warum das nicht schon vor zehn Jahren eingeführt wurde“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Das Papierreze­pt sei schließlic­h veraltet, sie bevorzuge es, mit einer modernen Technik zu arbeiten. In ihrer Apotheke habe es nur an einem Montag Probleme mit dem E-Rezept gegeben, ansonsten laufe alles „super“.

Eine besondere Beobachtun­g machen beide Apothekeri­nnen: Dieses Jahr erkrankten besonders viele Personen an Infektions­krankheite­n. „Ich habe das Gefühl, dass die Krankheits­welle vom Winter bis Ostern nicht abgeebbt ist“, so Bley. Seit Ostern sei das aber besser geworden. Weber rechnet hingegen mit mehr erkrankten Personen nach den Osterferie­n. Sie erklärt sich die hohen Krankheits­stände mit dem schlechten Wetter. „Wenn die Temperatur­en wieder wärmer werden, regelt sich das wieder“, ist sich die Apothekeri­n sicher.

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ARCHIVFOTO: GEORG SALZBURG Apothekeri­n Jessica Weber ist von den Vorteilen des E-Rezeptes überzeugt – sie sieht aber auch Schattense­iten.

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