Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
So läuft es mit dem E-Rezept
Während der Bundesgesundheitsminister das E-Rezept feiert, gibt es im Dormagener Alltag noch einige Probleme.
DORMAGEN Patienten, die trotz Rezept ihre Medikamente nicht abholen können, verärgerte Ärzte und Apotheker, die vor einer Mehrarbeit stehen – das E-Rezept bereitete in der Vergangenheit Probleme. Grund dafür sind technische Störungen und Ausfälle des Systems. B1 die Reißleine: Ärzte im Rheinland sollten bis 10 Uhr morgens – denn in der Früh gab es die größten Probleme – nur noch Papierrezepte ausstellen. Sind auch Apotheken in Dormagen von den Schwierigkeiten betroffen? Unsere Redaktion hat mit drei Apotheken gesprochen.
Alexander Tripp, Geschäftsführung der Sonnen Apotheke, Pfeiffer Apotheke und Augustinus Apotheke, betrachtet die Einführung des E-Rezeptes differenziert. Grundsätzlich sieht er Vorteile – wenn formell alles geklärt wäre. Zwar waren seine Apotheken nicht von den technischen Störungen betroffen, er kritisiert dafür andere Probleme. Für die Apotheken sei durch das E-Rezept ein Mehraufwand entstanden, denn sie müssten die Formalitäten kontrollieren. Im ERezept gibt es beispielsweise Platz für einen Freitext. „Da könnte der Arzt auch ein Kochrezept eintragen.“Für die Abrechnung der Krankenkasse muss allerdings alles korrekt ausgefüllt sein, das ist dann die Aufgabe der Apotheken, die deshalb häufiger mit den Praxen telefonieren müssen.
Ein weiteres Problem sieht Tripp in der Transparenz für den Patienten. Zuvor konnte dieser auf dem Papierrezept genau sehen, was ihm verschrieben wurde. Jetzt sei das durch das Verschreiben auf der Krankenkassenkarte nicht mehr möglich. Und auch für Patienten, die nicht mobil sind, weil sie beispielsweise auf einen Rollator angewiesen sind, sei das E-Rezept ein Problem. Zuvor erhielten sie nach dem Hausbesuch eines Arztes ihr Papierrezept und riefen die Apotheke an, die das Medikament dann auslieferte. Jetzt müsste die Apotheke theoretisch erst zum Patienten fahren, mit einem Gerät ablesen, was ihm verschrieben wurde und das Medikament dann in der Apotheke holen. „Ich merke aber, dass immer mehr Ärzte jetzt wieder das Papierrezept nutzen.“Dass sich Apotheken nun mit solchen banalen Themen beschäftigen müssten, sei frustrierend. „Es wirkt auf mich, als wäre in der Entwicklung des ERezeptes weder mit Ärtzen noch Apotheken gesprochen worden“, so Tripp.
Als Glücksspiel bezeichnet Jessica Weber, Inhaberin der Martinus-Apotheke in Zons, das Funktionieren des E-Rezepts. In ihrer Apotheke habe es keine größeren Probleme gegeben, aber sie weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Allerdings hatte sie genügend Vorbereitungszeit: „Wir haben das E-Rezept bei uns bereits im Oktober mit einem Arzt eingeführt.“Die Probleme, die andere Apotheken im Januar hatten, waren in der Martinus-Apotheke zu diesem Zeitpunkt bereits gelöst.
Die Apothekerin ist von den Vorteilen des E-Rezeptes überzeugt. Besonders positiv sieht sie, dass chronisch kranke Patienten sich oftmals den Weg in die Arztpraxis sparen und ihr Medikament mit der Versichertenkarte direkt in der Apotheke abholen können. Zudem habe die Einführung des E-Rezeptes die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apotheken in der Region verstärkt, da man im Falle einer Panne gemeinsam nach Lösungen gesucht habe. „Eine Neuerung ist für alle schwierig, aber wir sitzen im selben Boot.“
Einen großen Nachteil sieht Weber allerdings in dem höheren Risiko der Retaxation. Das bedeutet, dass Krankenkassen die Erstattung eines Arzneimittels verweigern können, wenn etwas mit dem Rezept nicht in Ordnung ist – das müssen dann die Apotheken bezahlen. Das heißt im Falle des E-Rezeptes: Wenn ein Arzt im neuen System einen Fehler macht und etwas falsch einträgt, die Apotheke das Medikament aber trotzdem abgibt und den Fehler nicht nachträglich behebt, kann es passieren, dass sie das am Ende bezahlen muss. „Das ist eine reale Gefahr“, sagt auch Tripp. „Wir stehen dann vor der Entscheidung, ob wir den Patienten
versorgen oder ein finanzielles Risiko eingehen“, so Weber. Sie hätte sich eine einjährige Friedenspflicht zur Einführung des E-Rezeptes gewünscht.
Carola Bley von der Rathaus-Apotheke kann den Unmut über das ERezept nicht verstehen. „Ich frage mich, warum das nicht schon vor zehn Jahren eingeführt wurde“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Das Papierrezept sei schließlich veraltet, sie bevorzuge es, mit einer modernen Technik zu arbeiten. In ihrer Apotheke habe es nur an einem Montag Probleme mit dem E-Rezept gegeben, ansonsten laufe alles „super“.
Eine besondere Beobachtung machen beide Apothekerinnen: Dieses Jahr erkrankten besonders viele Personen an Infektionskrankheiten. „Ich habe das Gefühl, dass die Krankheitswelle vom Winter bis Ostern nicht abgeebbt ist“, so Bley. Seit Ostern sei das aber besser geworden. Weber rechnet hingegen mit mehr erkrankten Personen nach den Osterferien. Sie erklärt sich die hohen Krankheitsstände mit dem schlechten Wetter. „Wenn die Temperaturen wieder wärmer werden, regelt sich das wieder“, ist sich die Apothekerin sicher.