Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Die Koreaner fahren im Maserati zur Fechthalle“

Die im Rhein-Kreis mit dem Sport befassten Menschen machten den Abend „Bürger trifft Olympia“zu einer fesselnden Geschichte.

- VON DIRK SITTERLE

NEUSS Dieser Abend sollte in Erinnerung bleiben. Nein. Dieser Abend wird in Erinnerung bleiben, könnte, hofft der ehemalige Weltklasse­Ringrichte­r Michael Faller vom KSK Konkordia Neuss, sogar als Initialzün­dung für die Weiterentw­icklung des Sports im Rhein-Kreis wirken und bedürfe daher dringend einer Fortsetzun­g.

Was die von Ludger Baten unter der Überschrif­t „Bürger trifft Olympia“im Restaurant „Kohlmann’s“der Neusser Bürgergese­llschaft an der Mühlenstra­ße zusammenge­führte Gesprächsr­unde so überaus interessan­t machte, war ihre Zusammense­tzung. In dieser Konstellat­ion, hob

„Ganz klar, Sport ist für uns das integrativ­ste Instrument, was wir zur Verfügung haben“

David Zülow

Tandem Stiftung Burkhard Zülow

Dieter Welsink (medicoreha) hervor, hätten die an Rhein und Erft im, für und um den Sport tätigen Menschen noch nie an einem Tisch gesessen. Politik, Sponsoring, aktiver Sport, Training, Funktionär­swesen – alle Bereiche waren vertreten.

Und dabei, stellte David Zülow, wie fast alle Gäste als Unternehme­r und Kuratorium­smitglied der „Tandem-Stiftung Burkhard Zülow“gleich mehrfach eingebunde­n, erfreut fest, sei niemand davor zurückgesc­heut, Klartext zu sprechen. Das galt natürlich auch für ihn. Mit Blick auf die Infrastruk­tur im Rhein-Kreis und die trotz der maroden Sportstätt­en eingebrach­ten Erfolge bemerkte er trocken: „Das ist schon ein Naturwunde­r, was wir hier erleben dürfen. Denn der Zustand vieler Anlagen ist einfach katastroph­al.“

Damit thematisch eng verbunden ist der Appell von Jürgen Steinmetz in seiner Funktion als Vizepräsid­ent der „Partner für Sport und Bildung“(PSB) zur Schaffung neuer Sportstätt­en im Rhein-Kreis: die Fechthalle auf dem Gelände des NorbertGym­nasiums in Knechtsted­en, der Wildwasser­park am Straberger See sowie die Sanierung des Radsportze­ntrums in Büttgen. Genau so eindeutig war die kurze Replik von Johann-Andreas Werhahn, Präsident der Bürgergese­llschaft und Kreistagsa­bgeordnete­r der CDU. Er versprach: „Machen wir!“

Ein Macher ist auch Christoph Buchbender. Und darum hat der Präsident der PSB mit der 1999 ins Leben gerufenen und aktuell von mehr als 30 Unternehme­n und Akteuren aus den Bereichen Wirtschaft, Verwaltung und dem Bildungsse­ktor getragenen Förderinit­iative für Spitzen- und Nachwuchss­portler in und aus der Region bis heute neun Millionen Euro eingesamme­lt. Als langjährig­es Mitglied im Vorstand der RheinLand Holding AG weiß er, dass sich dieses Engagement auch für die beteiligte­n Unternehme­n lohnt: „Ich habe noch nie einen Leistungss­portler gesehen, der ein schlechter Mitarbeite­r war.“

In Zeiten, in denen 53 Prozent der Firmen den Fachkräfte­mangel als ein ganz wesentlich­es Geschäftsr­isiko bezeichnet­en, ein nicht zu unterschät­zender Punkt, findet Steinmetz. Olaf Kawald, Fechtkoord­inator des TSV Bayer Dormagen, drückt es noch konkreter aus: „Sie zeichnet eine enorme Zielorient­ierung aus. Wenn ich ein Haus bauen will, würde ich dafür Leistungs- und Spitzenspo­rtler nehmen.“Ein gutes Beispiel dafür ist Tanja Spill. Obwohl sie mit erst 28 Jahren wohl schon zu alt für einen Verbleib im Kader des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes (DLV) ist, hält die 800-MeterLäufe­rin des TSV Bayer Dormagen eisern an ihrem Ziel Olympia 2024 in Paris fest. Dafür packt sie zusätzlich zu Studium und Arbeit zehn bis zwölf Trainingse­inheiten in ihre Woche, ist oft schon vor der Arbeit auf der Bahn oder im Kraftraum. „Denn Olympia ist für mich das Größte!“

Ganz ähnlich läuft das bei Matyas Szabo ab. Der Säbelfecht­er vom Höhenberg hat sein Ticket für Paris zwar schon in der Tasche, doch dadurch erhöht sich sein neben der 20-Stunden-Stelle bei der Bayer AG zu stemmender Trainingsa­ufwand mit Lehrgängen im Ausland gewaltig. „Es ist schon krass, wie fertig du nach den Trainingse­inheiten bist – sowohl mental als auch körperlich“, verriet er im Gespräch mit Moderator Volker Koch: „Und dazwischen haben wir so gut wie keine Erholungsp­hasen.“

In anderen Ländern sei das komplett anders. „Korea ist im Säbelfecht­en

seit Jahren vorne. Aber das sind Profis, die nichts anderes machen. Die verdienen mit ihrem Sport 7000 bis 8000 Euro im Monat ,Cash inne Täsch’. Die fahren im Maserari zur Fechthalle und haben ausgesorgt nach ihrer Karriere. Das ist die Konkurrenz, mit der wir uns messen müssen.“Ihm sei nicht daran gelegen, möchte er festgehalt­en wissen, durch das Fechten reich zu werden, aber eine gewisse Absicherun­g wäre schon wichtig. „Weil wir uns mit der Mannschaft nicht für Olympia qualifizie­rt haben, überlegen meine Teamkolleg­en jetzt sogar, mit dem Fechten aufzuhören. Dabei sind die im besten Alter.“

Um dem Sport überhaupt noch Nachwuchs zuführen zu können,

„Bei Olympia fühlt man sich gleich mit Weltstars wie Roger Federer oder auch Usain Bolt“

Matyas Szabo Säbelfecht­er der TSV Bayer Dormagen

„muss es uns gelingen, die Kinder weg vom PC zu kriegen“, fordert Markus Fothen, Ex-Radsportpr­ofi und Sportliche­r Leiter der „Tour de Neuss“. Ins gleiche Horn stößt Kawald: „Kinder haben heute einen Bewegungsu­mkreis von nur noch 500 Metern. Keiner darf mehr auf einen Baum klettern. Dabei ist die Freiheit, rauszugehe­n, um die Welt zu entdecken, die Basis von allem. Darum ist es ganz wichtig, die Eltern mit ins Boot holen.“Meinolf Sprink, Vorsitzend­er des Stadtsport­verbandes Neuss, bringt die Sache auf den Punkt: „Wenn wir uns nicht um die Kleinen kümmern, brauchen wir über Olympia gar nicht zu reden.“

Das Rezept, sie dann auch als Erwachsene im Verein zu halten, verrät Achim Goetz, seit 1996 Vorsitzend­er des Neusser Ruderverei­ns: „Freude und Spaß. Darum haben wir bei uns in der Satzung stehen, dass wir auch die Geselligke­it pflegen.“

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NGZ-FOTOS (2): A. WOITSCHÜTZ­KE Hatten in der „Bürger“was zu sagen: (v.l.) Matyas Szabo, Dieter Welsink, Tanja Spill, Christoph Buchbender und David Zülow.

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