Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Trends in der Neusser Gastro-Szene
Die Situation in der Branche ist angespannt. Doch der hohe Kostendruck trifft nicht nur die Gastronomen, sondern auch die Gäste. Deshalb setzen Betreiber in Neuss auf unterschiedliche Konzepte.
NEUSS Die Stimmung in der Branche ist mau, einige sind zufrieden, viele machen Verluste im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Die Gastwirte kämpfen mit einigen Problemen, weiß der Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Thorsten Hellwig: „Die Situation in Neuss ist ambivalent. Einerseits ist mit der weiterhin erhöhten Mehrwertsteuer auf 19 Prozent der Kostendruck weiter erhöht, andererseits haben wir tatsächlich gut besuchte Lokale.“Nur leider werde wegen des hohen Kostendrucks auch weniger konsumiert, sagt Hellwig. Ein Restaurantbesuch sei aber mehr als einfach nur „schön essen zu gehen“, so der Fachmann: „Man bekommt als Gast ja hier das ganze Paket: eine gepachtete Immobilie, das Ambiente, die Beschäftigten, die Ware und der Unternehmerlohn.“
Letzterer ist schon ganz schön gesunken, weiß auch Gastronomin Judith Rusch von „Alnors Reiterstübchen“: „Wir haben jetzt, nach zwei bis drei Monaten erst gemerkt, dass die Mehrwertsteuererhöhung tatsächlich selbst die höheren Preise wieder frisst und dadurch ist unser Umsatz schon Anfang des Jahres gesunken.“Sie hat mit ihrem Verlobten Alnor Schmidt das Restaurant vor fünf Jahren übernommen, ist aber trotzdem mit dem Zuspruch der Gäste zufrieden: „Wir haben immer noch mehr davon, wenn die Gäste dreimal im Monat kommen, als wenn sie nur einmal kommen, weil sie finden, dass alles zu teuer ist.“Doch die Gäste sagen ihr auch ehrlich, dass sie bei den Getränken sparen müssen: „Sie bestellen dann ein Bier und eine Cola und trinken den Wein zuhause“, so Rusch.
Das Reiterstübchen habe mittlerweile viele nicht reitende Gäste auch aus Dormagen und Düsseldorf, die besonders schätzen, dass alles vom Dressing bis hin zum Burgerbrötchen selbst gemacht ist. Gastronomin Rusch macht auch die Kräuterbutter selbst und sieht als Trend, dass viele vegetarisch essen wollen: „Die Nachfrage nach vegetarischen Gerichten ist groß“, sagt sie. „Außerdem haben wir immer wieder regionale Gerichte auf unserer Wochenkarte. Trotzdem verkaufen wir nach wie vor mehr Burger als Salate“, schmunzelt sie.
Hoffnung macht vielen Gastronomen die nahende Freiluftsaison. Viele hätten schon in der letzten Woche davon profitiert, als der Sommer für kurze Zeit vorbeikam, sagt Michael
Bilanz 2023 Hotels gehe es wirtschaftlich besser als Gaststätten, sagt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Nordrhein. Doch mit einem Minus von 15 Prozent realen Umsatzverlusten liegen sowohl Gastronomie als auch
Schatten, Wirt vom „Rheingold“in der Neustraße. „Da hatten wir Glück“, freut sich der Gastronom. „Wir haben 100 Sitzplätze drinnen und 100 draußen.“Sorgen machen ihm und seiner Frau die hohen Preise, die er jetzt veranschlagen muss. „Wir mussten die Preise um bis zu zwölf Prozent erhöhen“, bedauert er. Das schlägt sich schon auf den Restaurantbesuch seiner Gäste nieder: „Am Wochenende kommen sie ja, aber in der Woche sieht es traurig
Hotellerie in NRW mit den Umsätzen laut Verband immer noch deutlich unter Vor-Corona-Niveau. Mitglieder Der Dehoga, die „Stimme des Gastgewerbes“, ist die Berufsvereinigung im Gastgewerbe für Hotellerie und Gastronomie mit 5500 Mitgliedsbetrieben zwischen Emmerich und Bonn. Er hat seinen Sitz in Neuss.
aus. Die Gäste sind wegen der höheren Preise zurückhaltender geworden, sie bestellen kaum noch eine Vor- oder Nachspeise“.
Alexander Bliersbach, Chef vom „Drusushof“hat deswegen schon im vergangenen Oktober vorgesorgt und sich als zweites Standbein eine Metzgerei dazu gekauft. Er ist somit als einer von wenigen Wirten zufrieden mit seinem Geschäft, denn durch die Metzgerei bedient er nun auch die Gäste, die lieber zuhause feiern wollen. „Ich habe auch während Corona keinen entlassen, ich habe gutes, zuverlässiges Personal“, sagt der Koch. „Natürlich sehen wir auch die Veränderungen im Gastverhalten, es gibt nicht mehr viele Gesellschaften von zehn bis 20 Personen. Die feiern dann lieber mit einem Caterer, weil es günstiger ist.“
Doch die Stammkundschaft sei ihnen treu geblieben. Das liege vielleicht auch an der Transparenz, die sich Bliersbach selbst verschrieben hat, vermutet der Gastronom. „Bei uns kann man auf der Karte oder im Internet jederzeit nachlesen, woher unsere Produkte stammen. Sie sind vor allem eines: regional.“Die Rinder kommen aus Simmerath, der Spargel aus Nievenheim und der Honig aus Holzheim. Und Bliersbach versucht auch, auf einfache Weise Energie und Müll zu sparen, indem er Schmorgerichte nur im Winter anbietet und den Müll besonders sorgfältig trennt: „Man muss sich der Situation halt anpassen“, fasst der Wirt zusammen.