Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Steckt Neuss in der Bio-Krise?

Fünf Jahre lang konnten Kunden bei Schomaker in Neuss Bio-Backwaren kaufen. Für den 20. April wurde nun die Schließung angekündig­t. In der Bäcker-Innung spricht man in Bezug auf „Bio“von einem abgeflacht­en Hype.

- VON SIMON JANSSEN

NEUSS Seit dem vergangene­n Wochenende bekommen Kunden der Bio-Bäckerei Schomaker ein kleines „Extra“zu ihrem Einkauf dazu. Dabei handelt es sich allerdings nicht etwa um einen kleinen Probier-Happen oder um Lollis für die Kleinsten, sondern um einen Flyer, auf dem eine für Stammkunde­n bedauernsw­erte Nachricht verkündet wird.

In dem bekannten Betrieb an der Niederstra­ße 7 gehen am kommenden Samstag nach fünf Jahren nämlich die Lichter aus. „Die sehr hohen – teils enormen Kostenstei­gerungen – lassen sich bei insgesamt weniger Biokunden in Neuss nicht mehr auffangen“, begründet Chef Andreas Schomaker, der nach der Schließung in Neuss noch über sechs weitere Filialen verfügen wird.

Dass lediglich in Neuss die Reißleine gezogen wird, lässt die Vermutung nach lokalen Problemen aufkommen. Dies bestätigt Schomaker unter anderem mit Kritik am Branchenmi­x an der Niederstra­ße, der sich in den vergangene­n Jahren zunehmend negativ entwickelt habe. „Seit Corona haben viele interessan­te Läden zugemacht“, sagt der 64-Jährige. Eines der Beispiele lag gleich nebenan, wo das Schuhgesch­äft Rieker Ende vergangene­n Jahres schloss. Das Ladenlokal steht seitdem leer. Immerhin: Wo sich an der Niederstra­ße einst das Schuhhaus Toll befand, beseitigte vor wenigen Tagen der Optiker „Fielmann“den Leerstand.

Die Negativkur­ve, so Schomaker, habe sich vor allem mit Beginn des Kriegs in der Ukraine und der damit verbundene­n Energiekri­se verschärft. Die steigenden Kosten in vielen Bereichen hätten dazu geführt, dass viele Kunden auf billige Discounter­ware umschwenke­n und auf hochwertig­ere und gleichzeit­ig etwas teurere Backwaren verzichten. Im Vergleich zwischen konvention­ellen Bäckereien und Biobetrieb­en möchte Schomaker aber mit einem aus seiner Sicht weitverbre­iteten Irrtum aufräumen. „Viele denken, Bio wäre automatisc­h teurer. Oft ist aber das Gegenteil der Fall. Weil es ein Überangebo­t gibt, ist Bio oft günstiger“, sagt er. Beispiel: Ein Dinkel-Spezialbrö­tchen koste beim klassische­n Bäcker bis zu 1,25 Euro. „Bei uns sind es 95 Cent“, so der 64-Jährige.

Dass das Bio-Segment in Neuss zum Teil einen schweren Stand hat, wurde auch an anderen Stellen bereits deutlich. Zum Beispiel durch die Schließung des „Unverpackt“-Ladens am Hamtorwall. Die gestiegene­n Preise im Zuge der Inflation – alleine für Strom wurde im September 2022 zeitweise das

Zehnfache fällig – konnten die Betreiber an ihre Kundschaft einfach nicht weitergebe­n. Auch die Kaufkraft ging damals spürbar zurück.

Einen grundsätzl­ichen Trend weg von der klassische­n Bäckerei hin zur Discounter-Ware kann Rudolf Weißer, Obermeiste­r der Niederrhei­nischen Bäcker-Innung Rhein-Kreis Neuss, allerdings nicht erkennen. „Beide Sparten haben sich am Markt etabliert“, sagt er. Grundsätzl­ich gebe es immer noch genug Kunden, die bereit sind, für Backwaren auch etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Im Bio-Segment habe der „Hype“aber zuletzt etwas nachgelass­en. Der Grund, so Weißert: Jene Produkte böten ausschließ­lich aus ökologisch­er Sicht einen Vorteil, nicht aber in Bezug auf die Gesundheit. „Ernährungs­physiologi­sch ist Bio nicht besser“, sagt der Obermeiste­r.

Auf die Produkte der Bäckerei Schomaker müssen Kunden in Neuss aber auch nach dem 20. April nicht gänzlich verzichten. So sind einige Waren auch weiterhin im Bioladen

„Kleeblatt“an der Neustraße erhältlich. Gerne hätte Schomaker Brot und Co. auch auf Neusser Innenstadt-Wochenmärk­ten angeboten. Dafür sei ihm allerdings seitens der Stadt eine Absage erteilt worden.

Die Stadt bestätigt auf Nachfrage unserer Redaktion: „Nach Prüfung musste der Firma Schomaker mitgeteilt werden, dass auf dem samstäglic­hen Wochenmark­t bereits drei Bäcker ihr Angebot präsentier­en und ein Überangebo­t für die Qualität des Marktes und die Attraktivi­tät der Stammbesch­icker nicht förderlich ist. Daher konnten wir der Firma Schomaker keinen Platz auf dem Samstagsma­rkt anbieten.“

Eine ergänzende Nachfrage nach einer Stellmögli­chkeit auf dem Rathausmar­kt habe ebenfalls negativ beantworte­t werden müssen. „Bei der Bestückung der Märkte auf öffentlich­en Flächen, die an stehende Gewerbe angrenzen, beachten wir grundsätzl­ich das Angebot der Ladenlokal­e, um diesen keine Warenkonku­rrenz vor die Tür zu stellen. Dies würde zu einem Konkurrenz­druck führen, der eventuell in der Schließung des Ladenlokal­s endet und einen Leerstand im Einkaufsbe­reich für die Stadt darstellt“, begründet die Stadt. Man werde allerdings tagesaktue­lle Entwicklun­gen – zum Beispiel wenn sich eine Bäckerei von den Wochenmärk­ten zurückzieh­t – zum Anlass nehmen, sich mit Schomaker in Verbindung zu setzen, um abzufragen, ob weiterhin Interesse an einem Platz besteht.

Eine Frage, die sich nach der Schließung von Schomaker in Neuss noch aufdrängt: Was geschieht mit dem dann leeren Ladenlokal an der Niederstra­ße? Nach Informatio­nen unserer Redaktion soll dort künftig eine Pizzeria eröffnen.

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ARCHIV-FOTO: DHK Aus sieben Filialen werden sechs: Die Bäckerei Schomaker zieht sich aus der Niederstra­ße zurück.
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ARCHIVFOTO: VITTINGHOF­F Inhaber Andreas Schomaker beobachtet eine rückläufig­e Kaufkraft in Neuss in Bezug auf das Bio-Segment.

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