Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Der richtige Umgang mit Wildtieren
Die Brut- und Setzzeit hat begonnen: Ab sofort setzen Rehmütter ihre Kitze in Wiesen oder Waldränder. Die einsamen Tiere sehen oft schutzbedürftig aus, doch gut gemeinte Hilfe kann fatal für den Nachwuchs sein. Das sind die Tipps der Experten.
NEUSS Der Frühling ist in Neuss angekommen und das bedeutet in der Tierwelt vor allem eins: Nachwuchs. Im April beginnt die Brut- und Setzzeit, in der Wildtiere ihre Jungen zur Welt bringen. Gut versteckt im hohen Gras verbirgt sich in diesen Tagen so mancher tierischer Nachwuchs – darunter auch Rehkitze. Immer wieder kommt es vor, dass Spaziergänger auf die niedlichen und vermeintlich einsamen Sprösslinge stoßen. Doch die Annahme, es würde sich um ein verlassenes und hilfsbedürftiges Jungtier handeln, wird den Rehkitzen oft zum Verhängnis.
Deshalb raten die Experten vor allem eins: Finger weg. „Wer ein Rehkitz findet, sollte sich dem Tier auf keinen Fall nähern, sondern sich leise wegbewegen“, rät Peter Kallen, Vorsitzender der Kreisjägerschaft (KJS) Neuss. Denn schon allein durch das Nähern besteht die Gefahr, dass der menschliche Geruch in der Umgebung des Jungtiers haften bleibt. Aus demselben Grund darf das Rehkitz Kallen zufolge auch auf keinen Fall angefasst werden. Es kann nämlich sein, dass das Muttertier ihr Jungtier dann verstößt und nicht mehr versorgt – was für die Rehkitze den Tod bedeutet.
Doch was können Neusser tun, wenn sie ein offensichtlich verletztes Tier vorfinden. In dem Fall rät
Kallen dazu, sich an den Experten zu wenden: den zuständigen Jäger – den sogenannten Jagdausübungsberechtigten – in diesem Gebiet. Welche Person das im Einzelfall ist, wissen Kallen zufolge oftmals die umliegenden Bauern. Aber auch die Untere Jagdbehörde sowie die Polizei könnten Auskunft geben. Das Tier darf unter keinen Umständen selbst versorgt oder gar mitgenommen werden. „Auch wenn das in
Schutz Wer ein Rehkitz alleine antrifft, kann schnell den Eindruck gewinnen, dass es eine Rabenmutter haben muss. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Ricke (Rehmutter) hält bewusst Abstand zu ihrem Nachwuchs, um Feinde durch ihren Geruch
bester Absicht passiert, streng genommen handelt es sich dabei um Wilderei“, betont Kallen.
Auch Wolf Meyer-Ricks, Vorsitzender des Nabu-Kreisverbands Neuss, rät den Menschen, sich in Geduld zu üben, wenn sie ein Tier am Wegesrand finden. „Nicht jedes Tier, das alleine ist, ist auf Hilfe angewiesen“, so Meyer-Ricks. Vögel zum Beispiel bräuchten nach einem langen Flug unter Umständen eine Pause. Und
nicht anzuziehen, und kommt nur zum Säugen zum Rehkitz.
Tarnung Das Rehkitz selbst hat nämlich noch keinen Eigengeruch und wird deshalb von Fressfeinden nicht wahrgenommen. Durch seine Fellfärbung ist es gut getarnt. Droht Gefahr, duckt sich der Nachwuchs deshalb tief ins hohe Gras.
auch aus den Nestern gefallene Jungtiere könnten noch von den Eltern versorgt werden. Gegebenenfalls sei auch eine Betreuung durch Experten am Fundort möglich.
Der Vorsitzende erlebt jedoch oftmals eine andere Situation: Er berichtet von Anrufern, die ein Tier aufgelesen haben, aber anschließend nicht wissen, wie sie es versorgen sollen oder was damit zu tun ist. Um diese Situation zu umgehen, rät
Meyer-Ricks dazu, zunächst Kontakt mit den jeweiligen Experten aufzunehmen, und verweist auf eine Liste mit Ansprechpartnern auf der Homepage des Rhein-Kreis Neuss (www.rhein-kreis-neuss.de).
Eine besondere Situation ergibt sich, wenn Bauern in den nächsten Wochen und Monaten beginnen, ihre Wiesen zu mähen. In der Vergangenheit kam es dabei immer wieder zur Verletzung von Rehkitzen, die bei drohender Gefahr nicht flüchten, sondern in ihrem Versteck verharren. Um diesen Unfällen vorzubeugen, greift der KJS – der mit der Bauernschaft im Rhein-Kreis Neuss kooperiert – zu Drohnen mit Wärmebildkameras. So können die Rehkitze entdeckt und für die Zeit der Mahd in einem Korb sichergestellt werden. Doch auch Hundebesitzer sind zur Vorsicht aufgerufen: In der Brut- und Setzzeit, die bis August andauern kann, gilt strikte Leinenpflicht, sagt Kallen.