Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der richtige Umgang mit Wildtieren

- VON JULIA STRATMANN

Die Brut- und Setzzeit hat begonnen: Ab sofort setzen Rehmütter ihre Kitze in Wiesen oder Waldränder. Die einsamen Tiere sehen oft schutzbedü­rftig aus, doch gut gemeinte Hilfe kann fatal für den Nachwuchs sein. Das sind die Tipps der Experten.

NEUSS Der Frühling ist in Neuss angekommen und das bedeutet in der Tierwelt vor allem eins: Nachwuchs. Im April beginnt die Brut- und Setzzeit, in der Wildtiere ihre Jungen zur Welt bringen. Gut versteckt im hohen Gras verbirgt sich in diesen Tagen so mancher tierischer Nachwuchs – darunter auch Rehkitze. Immer wieder kommt es vor, dass Spaziergän­ger auf die niedlichen und vermeintli­ch einsamen Sprössling­e stoßen. Doch die Annahme, es würde sich um ein verlassene­s und hilfsbedür­ftiges Jungtier handeln, wird den Rehkitzen oft zum Verhängnis.

Deshalb raten die Experten vor allem eins: Finger weg. „Wer ein Rehkitz findet, sollte sich dem Tier auf keinen Fall nähern, sondern sich leise wegbewegen“, rät Peter Kallen, Vorsitzend­er der Kreisjäger­schaft (KJS) Neuss. Denn schon allein durch das Nähern besteht die Gefahr, dass der menschlich­e Geruch in der Umgebung des Jungtiers haften bleibt. Aus demselben Grund darf das Rehkitz Kallen zufolge auch auf keinen Fall angefasst werden. Es kann nämlich sein, dass das Muttertier ihr Jungtier dann verstößt und nicht mehr versorgt – was für die Rehkitze den Tod bedeutet.

Doch was können Neusser tun, wenn sie ein offensicht­lich verletztes Tier vorfinden. In dem Fall rät

Kallen dazu, sich an den Experten zu wenden: den zuständige­n Jäger – den sogenannte­n Jagdausübu­ngsberecht­igten – in diesem Gebiet. Welche Person das im Einzelfall ist, wissen Kallen zufolge oftmals die umliegende­n Bauern. Aber auch die Untere Jagdbehörd­e sowie die Polizei könnten Auskunft geben. Das Tier darf unter keinen Umständen selbst versorgt oder gar mitgenomme­n werden. „Auch wenn das in

Schutz Wer ein Rehkitz alleine antrifft, kann schnell den Eindruck gewinnen, dass es eine Rabenmutte­r haben muss. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Ricke (Rehmutter) hält bewusst Abstand zu ihrem Nachwuchs, um Feinde durch ihren Geruch

bester Absicht passiert, streng genommen handelt es sich dabei um Wilderei“, betont Kallen.

Auch Wolf Meyer-Ricks, Vorsitzend­er des Nabu-Kreisverba­nds Neuss, rät den Menschen, sich in Geduld zu üben, wenn sie ein Tier am Wegesrand finden. „Nicht jedes Tier, das alleine ist, ist auf Hilfe angewiesen“, so Meyer-Ricks. Vögel zum Beispiel bräuchten nach einem langen Flug unter Umständen eine Pause. Und

nicht anzuziehen, und kommt nur zum Säugen zum Rehkitz.

Tarnung Das Rehkitz selbst hat nämlich noch keinen Eigengeruc­h und wird deshalb von Fressfeind­en nicht wahrgenomm­en. Durch seine Fellfärbun­g ist es gut getarnt. Droht Gefahr, duckt sich der Nachwuchs deshalb tief ins hohe Gras.

auch aus den Nestern gefallene Jungtiere könnten noch von den Eltern versorgt werden. Gegebenenf­alls sei auch eine Betreuung durch Experten am Fundort möglich.

Der Vorsitzend­e erlebt jedoch oftmals eine andere Situation: Er berichtet von Anrufern, die ein Tier aufgelesen haben, aber anschließe­nd nicht wissen, wie sie es versorgen sollen oder was damit zu tun ist. Um diese Situation zu umgehen, rät

Meyer-Ricks dazu, zunächst Kontakt mit den jeweiligen Experten aufzunehme­n, und verweist auf eine Liste mit Ansprechpa­rtnern auf der Homepage des Rhein-Kreis Neuss (www.rhein-kreis-neuss.de).

Eine besondere Situation ergibt sich, wenn Bauern in den nächsten Wochen und Monaten beginnen, ihre Wiesen zu mähen. In der Vergangenh­eit kam es dabei immer wieder zur Verletzung von Rehkitzen, die bei drohender Gefahr nicht flüchten, sondern in ihrem Versteck verharren. Um diesen Unfällen vorzubeuge­n, greift der KJS – der mit der Bauernscha­ft im Rhein-Kreis Neuss kooperiert – zu Drohnen mit Wärmebildk­ameras. So können die Rehkitze entdeckt und für die Zeit der Mahd in einem Korb sichergest­ellt werden. Doch auch Hundebesit­zer sind zur Vorsicht aufgerufen: In der Brut- und Setzzeit, die bis August andauern kann, gilt strikte Leinenpfli­cht, sagt Kallen.

 ?? FOTO: DPA ?? Die niedlichen und verlassen wirkenden Rehkitze verleiten den ein oder anderen dazu, es streicheln zu wollen. Das kann aber weitreiche­nde Konsequenz­en für die Tiere haben.
FOTO: DPA Die niedlichen und verlassen wirkenden Rehkitze verleiten den ein oder anderen dazu, es streicheln zu wollen. Das kann aber weitreiche­nde Konsequenz­en für die Tiere haben.
 ?? ARCHIVFOTO: WILDVOGELR­ETTUNG ?? Wer Jungvögel findet, sollte den telefonisc­hen Rat von Experten einholen, so der Nabu.
ARCHIVFOTO: WILDVOGELR­ETTUNG Wer Jungvögel findet, sollte den telefonisc­hen Rat von Experten einholen, so der Nabu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany