Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Mit Geld der Stadt dem Bauverein helfen
Neue Wohnungen gibt es in Neuss fast keine, der städtische Bauverein arbeitet bis zum Jahresende letzte Vorhaben ab. Weil die wohnungswirtschaftliche Lage schwierig ist, soll die Stadt helfen. Kritiker sprechen von einem „Null-Effekt“.
NEUSS Der Neusser Bauverein baut – aber bald nur noch Kitas oder die Feuerwache Süd. Der eigene Wohnungsbau wird, wenn Anfang Oktober am Hohen Weg die letzten 24 Wohnungen bezugsfertig werden, angesichts der Gesamtsituation im Bausektor vollständig eingestellt. Um ihn wieder anzukurbeln, soll die Stadt ihrem Tochterunternehmen finanziell unter die Arme greifen, fordern SPD und Grüne. Sie sprechen von einem Verlustausgleich „oder anderen Finanzierungsvorschlägen“und wollen über einen Ratsantrag erreichen, dass Stadt und Bauverein verhandeln und sich noch vor den Sommerferien so weit einig werden, dass zumindest ein erstes Projekt auf dem alten Alexianer-Areal in Gang gesetzt werden kann.
Dabei handelt es sich um einen Mehrfamilienhaus-Komplex mit 86 Wohnungen – davon mehr als die Hälfte öffentlich gefördert – an der Kante zu Berghäuschensweg und Augustinusstraße, für den der Bauverein schon eine Baugenehmigung hat. Auf 43 Millionen Euro werden inzwischen die Baukosten veranschlagt – und zwischen 17,5 und 20 Millionen Euro hätte der Bauverein dem Vernehmen nach gerne als Zuschuss der öffentlichen Hand.
„Bei den derzeitigen Bau- und Zinskosten rechnet sich sozialer Mietwohnungsbau rein wirtschaftlich trotz Bundes- und Landesförderung nicht“, geben SPD und Grüne in ihrer Antragsbegründung zu. Und genau das ruft Kritiker auf den Plan, die zudem eine andere Rechnung aufmachen: Die 86 Wohnungen würden nur einen winzigen Bruchteil der aktuell 2700 beim Bauverein registrierten Wohnungsgesuche abdecken. „Eigentlich ein Null-Effekt“, äußert ein Insider kritisch. Und dafür unter Umständen Millionen aus der leeren Stadtkasse zuschießen?
Baugenehmigung und Baufeld einfach liegen zu lassen und auf eine Trendwende in der Bauwirtschaft zu hoffen, „können wir uns nicht leisten“, hält der SPD-Fraktionsvorsitzende Sascha Karbowiak dagegen. „So schlimm ist es schon gekommen.“Seine Fraktion und die Grünen kennen natürlich den Gesamtetat der Stadt mit seinem 50-Millionen-Defizit – und spekulieren daher ganz offen auf einen „Robin-Hood-Fonds“.
Der muss bei der städtischen Liegenschaftsverwaltung (LVN) aber erst noch angespart werden. Angeregt wurde er im vergangenen Jahr, als die Stadt ankündigte, Bauland nur noch meistbietend zu verkaufen. Jeder Euro, der über dem Bodenrichtwert des städtischen Gutachterausschusses hinausgeht, soll dafür abgeschöpft und, wie es LVNBetriebsleiter Peter Müller bei Vorstellung der Idee im vergangenen Oktober formulierte, insbesondere „zur Förderung von Wohnbauprojekten für finanzschwächere Familien“verwendet werden.