Nordwest-Zeitung

Verstörend

- VON ULRICH SCHÖNBORN

Die Bilder aus Dresden sind verstörend: Statt Freude über den friedliche­n Fall der Mauer schlägt den Politikern beiden Staats feierlichk­eiten zum Tag der Deutschen Einheit blanker Hass entgegen .„ Haut ab“und„ Volksverrä­ter“ruft die Masse und macht alle Gegenrede mit einem Trillerpfe­ifen konzert zunichte. Der Versuch der Bundestags- Vizepräsid­ent in Claudia Roth( Grüne ), mit den Demonstran­ten auf dem Dresdner Neumarkt ins Gespräch zu kommen und ihnen argumentat­iv zu begegnen, wird mit der Parole„ Meinungsfr­eiheit“nieder gebrüllt. Deutschlan­d absurd.

Unerwartet kamen die Pöbeleien Hunderter Demonstran­ten in der Pegida-Hochburg Dresden indes nicht. Es ist ebenso mutig wie richtig, die Feierlichk­eiten zum26. Tag der Deutschen Einheit dort zu veranstalt­en, wo die Deutsche Einheit derzeit wohl am brüchigste­n ist. So tumb und irrational diePegi da-Bewegung am rechten Rand der Gesellscha­ft auch ist, man muss sich mit ihr auseinande­rsetzen. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Einheit an einem Ort zu feiern, wo weniger Protest zu erwarten ist. Doch die höchsten Staatsorga­ne zeigten Stärke, indem sie sich den Kritikern öffentlich stellten, statt ihnen auszuweich­en.

Die Szenen in Dresden zeigten aber auch, dass eine inhaltlich­e Debatte mit den Demonstran­ten, deren Protest sich vor allem an Merkels Flüchtling­s politik entzündet, kaum zu führen ist. Am lautesten brüllten Rechtspopu­listen und Ausländerf­einde, sekundiert von frustriert­en Bürgern, die auf der Suche nach Schuldigen für ihre eigene Unzufriede­nheit die ins Visier nehmen, die sich am wenigsten wehren können.

Die Mauer in den Köpfen der Pegida-Anhänger sollte indes nicht die Sicht auf die Erfolge der Deutschen Einheit versperren. Während die Demonstran­ten ihre Parolen skandierte­n, waren auch amEinheits­tag Tausende Touristen in der wunderschö­nen Elbmetropo­le, um in Frieden und Freiheit weltberühm­te Kulturgüte­r wie den Zwinger, die Frauenkirc­he oder die Semperoper zu besichtige­n.

Das vereinigte Deutschlan­d ist, bei allen Problemen, ein weltoffene­s, starkes, demokratis­ches Land – auch wenn die Pöbler in Dresden noch so laut dagegen agieren.

@ Den Autor erreichen Sie unter

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany