„Betreiber bleiben in der Pflicht“
Umweltminister Stefan Wenzel über den Rückbau von Atomkraftwerken
Auch mögliche Lagestätten außerhalb Niedersachsens müssen untersucht werden, meint der Minister. Von Einbetonierung der Kraftwerke hält er nichts.
FRAGE: Herr Wenzel, bei immer mehr Bürgern wächst die Sorge, dass auf Deponien in ihrer Nähe auch Schutt und Abfälle aus dem Rückbau von Atomkraftwerken landen. Was sagen Sie ihnen?
WENZEL: Die Rückbau-Maßnahmen zielen darauf ab, zunächst hoch radioaktives Inventar und strahlenden Müll zu entfernen. Damit werden circa 99,9 Prozent des radioaktiven Materials erfasst. Diese Mengen sind für ein Ewiglager bestimmt, über das die Atommüll-Kommission zwei Jahre lang beraten hat. Übrig bleibt circa 0,1 Prozent.
FRAGE: Schacht Konrad kommt erst im nächsten Jahrzehnt und das Endlager vielleicht zum Ende des Jahrhunderts. Aber inzwischen wird fleißig zurückgebaut.
WENZEL: In der Gegend stehen Atomkraftwerke leider schon seit Jahrzehnten. Es muss endlich ein Verfahren geben, in dem wissenschaftsbasiert und ergebnisoffen nach einem wirklich sicheren Ort gesucht wird. Bisher hat man nur willkürlich mit dem Finger auf die Landkarte ge- zeigt. Und davon war dann immer nur Niedersachsen betroffen. Das wollen wir endlich beenden.
FRAGE: Was machen Sie mit dem großen Rest an Schutt, Schrott und Abfällen, die nicht so gefährlich sind?
WENZEL: Ein Betreiber muss den Nachweis führen, welche Beschaffenheit die Abfälle haben, und er muss einen zugelassenen Lagerort oder eine zugelassene Deponie finden.
FRAGE: Und wenn der Betreiber keine Deponie findet, weil sich Leute vor Ort querlegen?
WENZEL: Es gilt das Verursacher-Prinzip. Betreiber haben über viele Jahre Geld verdient und können sich nicht aus der Affäre ziehen. Sie müssen für die ordnungsgemäße Entsorgung sorgen.
FRAGE: Wie viele Tonnen werden auf niedersächsischen Deponien landen?
WENZEL: Der Betreiber ist grundsätzlich frei, Abfälle hier oder in anderen Bundesländern zu entsorgen.
FRAGE: Die Nachbarn werden sich bedanken für Müll aus niedersächsischen Atomkraftwerken!
WENZEL: Na ja, Abfallrecht kennt solche Grenzen nicht. Entscheidend ist die Einhaltung des rechtlichen Rahmens und das ist Bundesrecht. Niedersachsen hat in der Vergangenheit beispielsweise auch Bauschutt aus dem Atomkraftwerk Würgassen entsorgt. Für jede Charge gibt es unterschiedliche Anforderungen. Für jeden Fall muss der Betreiber eine Lösung finden.
FRAGE: Welche Müllarten fallen an? WENZEL: 99,9 Prozent sind hoch radioaktiver Müll. Dazu kommt schwach- und mittelaktiver Müll beziehungsweise Müll, der erst nach der Konditionierung klassifiziert werden kann. Plus Bauschutt, der freigemessen werden kann. FRAGE: Also unbedenklich ist? WENZEL: Entsprechend der Strahlenschutzverordnung. Die Vorgaben müssen strikt eingehalten werden. Pro AKW fallen 300 000 Tonnen an.
FRAGE: Deshalb kämpfen neuerdings viele Atomkraftgegner gegen einen Abriss und fordern die Einbetonierung vor Ort.
WENZEL: Dann würde der Abfall dauerhaft in der Landschaft stehen! Das größte Problem: Findet man in 20 oder 30 Jahren noch einen Verantwortlichen, der den Rückbau organisiert? Wer kann garantieren, dass Betreiber in 20 Jahren noch zahlungsfähig sind? Deshalb wird jetzt über öffentlich-rechtliche Fonds für Rückstellungen der Konzerne verhandelt, damit sich Verursacher nicht aus dem Staub machen können.
FRAGE: Könnten so genannte Freimessungsabfälle demnächst auf ganz normalen Landkreis-Deponien landen?
WENZEL: Alles muss nach den rechtlichen Vorgaben korrekt laufen. Dafür braucht man verantwortungsvolles Personal und noch lange Zeit Fachkräfte. Auch diese Entsorgung wird uns noch viele Jahrzehnte beschäftigen. Das ist eine riesige Herausforderung. Aber ein Hinweis: Benachbarte Landkreise, die keinen Müll aus AKW auf ihren Deponien haben wollen, können Nein sagen. Bei privaten DeponieBetreibern kann es anders aussehen, wenn kein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit der Kommune vorliegt.