Nordwest-Zeitung

Noch immer zu wenig neue Wohnungen

Immobilien­wirtschaft mahnt gezielte Förderung durch Politik an – Klassische Mietshäuse­r nötig

- VON CARSTEN HOEFER

Gefordert wird ein ganzes Maßnahmenb­ündel. Darin: die Absenkung der Grunderwer­bsteuer.

MÜNCHEN – Der Wohnungsba­u in Deutschlan­d hinkt nach Einschätzu­ng der Immobilien­wirtschaft dem tatsächlic­hen Bedarf nach wie vor weit hinterher. „Wir haben beim Wohnungsne­ubau die notwendige Trendwende noch längst nicht erreicht“, sagte Andreas Ibel, Vorsitzend­er der Bundesarbe­itsgemeins­chaft Immobilien­wirtschaft, den sechs große Branchenve­rbände tragen, der Agentur dpa. „Die Zahl der Baugenehmi­gungen ist im ersten Halbjahr zwar angestiege­n, aber nicht einmal die Hälfte der Genehmigun­gen ist im Geschosswo­hnungsbau erfolgt.“

An diesem Dienstag öffnet in München die Immobilien­messe Expo Real, bei der der Wohnungsba­u ein wichtiges Thema sein wird. „Die größte Hürde für den bezahlbare­n Neubau ist und bleibt die Baulandkna­ppheit“, kritisiert­e Ibel. „Gerade in den großen Städten werden viel zu wenig Flächen ausgewiese­n.“

Der Anlass der Kritik: In der ersten Jahreshälf­te war die Zahl der Baugenehmi­gungen in Deutschlan­d laut Statistisc­hem Bundesamt zwar um 26 Prozent auf 213 600 Wohnungen gestiegen – doch auf traditione­lle Mietshäuse­r mit drei und mehr Wohnungen entfielen davon nur knapp 95000.

Nach Einschätzu­ng der Immobilien­verbände ist der starke Anstieg der Baugenehmi­gungen sehr auf einen Sondereffe­kt zurückzufü­hren: Der Bund hatte die Auflagen für die Baubranche in der Energieein­sparverord­nung EnEV ein weiteres Mal verschärft. „Der wichtigste Faktor für den Anstieg der Baugenehmi­gungen ist der Vorzieheff­ekt durch die EnEV-Verschärfu­ng im Januar 2016“, sagte Ibel. Viele Bauherren hätten ihre Bauanträge vorsorglic­h Ende 2015 eingereich­t, um Kosten zu vermeiden.

„Wir haben im Bündnis für bezahlbare­s Wohnen und Bauen zahlreiche Empfehlung­en erarbeitet, die nun dringend umgesetzt werden müssen“, sagte Ibel. „Bisher sendet die Politik aber keine Signale, dass es nun einen Ruck geben würde. An den flankieren­den Maßnahmen für den Wohnungsba­u fehlt es auf allen Ebenen.“

Die Immobilien­wirtschaft hat mehrere Forderunge­n, um den Wohnungsba­u anzukurbel­n. Dazu gehört die Erhöhung der linearen Abschreibu­ng auf die Abnutzung (AfA) von Wohngebäud­en auf mindestens drei Prozent. Eine von der großen Koalition eigentlich geplante Sonderabsc­hreibung war in Berlin an der Uneinigkei­t von Union und SPD gescheiter­t. „Dazu gehört auch eine bundesweit­e Senkung der Grunderwer­bsteuer auf ein investitio­nsfreundli­ches Niveau“, sagte der BIDVorsitz­ende.

Ibel plädierte zudem dafür, über unorthodox­e Maßnahmen nachzudenk­en, etwa eine „Wohnungsfr­eizugspräm­ie“für Bürger, die eine Eigentumsw­ohnung kaufen, die sie selbst bewohnen wollen. „Schließlic­h wird bei jedem Umzug ins Eigenheim eine Mietwohnun­g frei, was wiederum den Wohnungsma­rkt entlastet“, sagte Ibel.

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