Ganz viel Zeit für einen Museumsbesuch
Parlamentspräsident Laridschani lässt Vizekanzler Gabriel abblitzen
TEHERAN – Plötzlich ist der Eklat da: Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani lässt Sigmar Gabriel abblitzen. Keine Zeit für den deutschen Vizekanzler, der in Teheran Station macht, um die deutschiranischen Wirtschaftsbeziehungen nach Jahren der Eiszeit wieder anzukurbeln.
Die Absage in letzter Minute ist ein scharfes Signal, dass die Ultrakonservativen im Iran, die Ayatollahs und Mullahs, mit dem zweitägigen Besuch des deutschen Wirtschaftsministers gar nicht einverstanden sind. Gabriel wird zur „Persona non grata“. Hatte er doch vor Ort Kritik an der Menschenrechtslage in der Islamischen Republik geübt und auf das Existenzrecht Israels bestanden, wenn auch diplomatisch höflich. Die Äußerungen werden von konservativen Kreisen im Iran als Affront empfunden.
Gabriel nimmt die Absage gelassen. Er sitzt gemütlich im Garten des früheren SchahPalasts von Teheran. Genüsslich nippt er an seinem Tee, will nicht von Eklat sprechen. Der SPD-Chef nutzt die Zeit bis zum Rückflug nach Berlin,
um sich ausgiebiger als geplant durchs iranische Nationalmuseum führen zu lassen. Die Absage des Treffens sei Teil des inner-iranischen Wahlkampfs, analysiert Gabriel später auf dem Rückflug.
Zwei Tage lang war der Wirtschaftsminister durch Teheran gehetzt, hatte mehrere Minister getroffen, auch den Vizepräsidenten. Dass ausgerechnet Laridschani den Gast aus Berlin düpierte, wirft ein Schlaglicht auf die Machtverhältnisse in Teheran. Der promovierte Philosoph gilt als enger Vertrauter des obersten
Religionsführers Ali Chamenei. Der langjährige Chefunterhändler bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm liebt die kalkulierte Provokation.
Seine Brüder sitzen an wichtigen Schaltstellen der Islamischen Republik. Sadegh Laridschani, als Justizchef des Landes für willkürliche Urteile und Massenhinrichtungen verantwortlich, hatte auf Gabriels Israel-Äußerungen in aller Schärfe reagiert: „Falls ich in der Regierung oder Außenminister wäre, hätte ich dieser Person nicht erlaubt, ins Land zu reisen.“Zwölf Stunden später war Gabriel ausgeladen.
Dass er nach Teheran gekommen war, um mit großer Unternehmerdelegation im Schlepptau ein Zeichen des Aufbruchs zu setzen und den Kurs des gemäßigten Präsidenten Hassan Ruhani zu unterstützen, ist den Konservativen ein Dorn im Auge. Gabriel erlebt ein Land der Extreme: Auf der einen Seite Kleriker, Wächterrat und Revolutionsgarden, überall riesige Bilder von Republikgründer Ayatollah Khomenei und Religionsführer Ali Chamenei. Auf der anderen Seite die Gemäßigten, deren Schicksal am Erfolg des wirtschaftlichen Öffnungskurses hängt.
Sollte Deutschland mit diesem Land wirklich enger zusammenarbeiten? Geht das Konzept vom Wandel durch Handel wirklich auf?
Längst ist die Euphorie des Anfangs nach Aufhebung der Atom-Sanktionen einer großen Portion Skepsis gewichen. Überschaubar ist die Zahl der Verträge, die während des Besuchs des deutschen Wirtschaftsministers abgeschlossen werden können. „Im Iran ist nichts einfach“, stöhnt ein Manager aus Gabriels Delegation.