Nordwest-Zeitung

Ein Oldenburge­r als Diplomat in Washington

Oldenburge­r David Bartels für Deutsche Botschaft in Washington tätig – Praktikum bei NWZ

- VON AMINA LINKE

Wut über das „Establishm­ent“, Enttäuschu­ng „über die da oben“: Bei seiner Arbeit für die Deutsche Botschaft blickt David Bartels hinter die Kulissen des Washington­er Polit-Karussells.

WASHINGTON/OLDENBURG – 1988. Ein Halbwüchsi­ger öffnet die Tür zum Tickerraum und betritt das Eckbüro im sechsten Stock des Hochhauses in der Peterstraß­e. Hier laufen die Nachrichte­n aus der ganzen Welt ein. Die Augen des Jungen glänzen. Hier ist er genau richtig. Ein NWZRedakte­ur nimmt sich seiner an, will ihm erklären, wie die Zeitung aufgebaut ist. Der Junge winkt ab. Weiß er, liest er ja schließlic­h jeden Tag und erklärt dem verdutzten Journalist­en haargenau, was sich wo auf Seite 2 und 3 befindet. Politik, das ist eben sein Ding.

Die Praktikums­mappe aus der Schulzeit habe er heute noch, sagt David Bartels und lacht. Heute, 28 Jahre später, sitzt der 42-Jährige über 6000 Kilometer Luftlinie entfernt von seiner „ersten Berufserfa­hrung“in der Reservoir Road Northwest in Washington an seinem Schreibtis­ch und schwelgt in alten Zeiten.

Die NWZ-Redakteuri­n am Telefon steht nur ein paar Meter entfernt von der Ecke, wo es damals bimmelte und ratterte, wenn eine Eilmeldung eintraf, wenn das Papier durch die Tickermasc­hine lief. Jetzt laufen im sechsten Stock die Nachrichte­n über Flachbilds­chirme, die wahlweise von der Decke hängen oder sich vor den Journalist­en an langen Schreibtis­chen in Zweierreih­en gruppieren.

Sanktion und Smalltalk

David Bartels ist beeindruck­t. Er selbst berichtet zwar noch immer, nur eben auf der anderen Seite. Auf der Seite, die durch ihr Tun und Handeln bestimmt, was über den Nachrichte­nticker läuft. Und aus den USA läuft derzeit viel über den Bildschirm.

Bartels arbeitet als Diplomat in der politische­n Abteilung der Deutschen Botschaft in Washington und ist zuständig für die US-Beziehunge­n mit Europa. Themen sind aktuelle, politische Entwicklun­gen wie zum Beispiel die Flüchtling­skrise. „Wir erläutern dabei den US-Amerikaner­n unsere Position, und gleichzeit­ig berichten wir die US-amerikanis­che Haltung nach Berlin“, erklärt Bartels. „Das heißt konkret: Wie denkt man hier in der Regierung, wie im Kongress, wie in den für Washington sehr wichtigen ‚Think Tanks’ – aber auch: was schreiben die Medien?“

Der Gedankenau­stausch beeinfluss­t die Zusammenar­beit.

In der Krim-Krise 2014 war man sich schnell einig. „Als die richtig losging, haben wir uns auch mit den Amerikaner­n abgestimmt. Was seht ihr dort? Wie bewertet ihr das? Wie wollt ihr darauf reagieren? Und dabei stehen wir natürlich die ganze Zeit im Austausch mit der Zentrale in Berlin. Wir wissen also ziemlich genau, wie der andere tickt.“

In der Krim-Krise mündete die Zusammenar­beit in einen gemeinsame­n Kurs, der sowohl auf Dialog mit den Konfliktpa­rteien als auch auf Sanktionen als Gegenmaßna­hmen setzte.

Im Irakkrieg 2003 war man sich allerdings so gar nicht einig. „Dann ist es wichtig, dass man trotzdem im Gespräch bleibt, dass man auslotet, abwägt und vielleicht doch einen Punkt findet, an den man anknüpfen kann.“

Politische­s Interesse hatte David Bartels schon immer – einen Plan allerdings lange nicht. Dass er Politik studieren würde, sei klar gewesen, sagt Bartels. Was er damit anfangen würde – „außer Bundeskanz­ler zu werden“– darüber hatte er sich damals keine Gedanken gemacht. Wohl aber bei der Auswahl des Studienort­es Bonn. „Als ich angefangen habe, Politik zu studieren, war die gesamte Bundesregi­erung

noch da.“Das Auswärtige Amt stand auf der Besuchslis­te der Politik-Seminare und schnell auch auf der Bewerbungs­liste von David Bartels. Am Tag seiner letzten mündlichen Prüfung kam die Zusage. „Sonst hätte ich einfach 50 Bewerbunge­n in alle Windrichtu­ngen geschickt“, sagt Bartels und lacht.

David Bartels ist so ein Typ, mit dem man sofort ein Bier trinken gehen und über das Weltgesche­hen diskutiere­n würde. Offen, unkomplizi­ert, interessan­ter Gesprächsp­artner. Genau richtig für den Washington­er Polit-Smalltalk, möchte man meinen; sind Kontakte hier doch das, was die tägliche Arbeit ausmacht.

„Rausgehen, Informatio­nen sammeln, Gespräche im State Department oder im Kongress vereinbare­n“, bestätigt Bartels einen Großteil seiner Arbeit. „Auf meiner Ebene nun nicht mit dem US-Präsidente­n oder dem Sprecher des Repräsenta­ntenhauses, aber mit Leuten aus der zweiten oder dritten Reihe, die die US-Politik mitformuli­eren.“

Gerade an Experten der „Think Tanks“oder an die Mitarbeite­r von Kongressab­geordneten und Senatoren komme man in Washington mit seinen 650000 Einwohnern leicht ran. Eine umständlic­h, „typisch deutsch“formuliert­e Gesprächsa­nfrage wird hier kurz mit einer „David, happy to talk, come over“-Mail beantworte­t.

Doch Washington ist nicht Amerika. Diesen Spruch höre man außerhalb der Hauptstadt auf dem Land und in Kleinstädt­en häufig, sagt Bartels. Wut über das „Establishm­ent“, Enttäuschu­ng über „die da oben“.

Protestwäh­ler und Trump

Eine Stimmung, die man auch in Deutschlan­d allzu gut kennt. Protestwäh­ler. In den USA hatten sie die Wahl zwischen Donald Trump und Bernie Sanders, der sich im Wahlkampf selbst als Sozialist bezeichnet­e und damit die Umfragewer­te in die Höhe katapultie­rte. Das war neu – hatte eine solche Aussage vor nicht allzu langer Zeit direkt ins politische Abseits geführt.

„Auch Trump ist etwas vollkommen Neues in der USPolitik, etwas noch nie Dagewesene­s“, sagt Bartels. Mit seiner Wahl zum Präsidents­chaftskand­idaten der Republikan­er habe zumindest im demokratis­chen Washington keiner gerechnet. Auch führende Experten nicht.

Wie es im US-Wahlkampf nun weitergehe­n wird, das wird David Bartels allerdings nicht mehr in der Kantine des State Departemen­t erfahren, sondern über 6000 Kilometer Luftlinie entfernt, nein, nicht in Oldenburg, aber in Berlin.

Vier Jahre sind vorbei – die Dauer einer Auslandsst­ation bei der Deutschen Botschaft. Wohin es von Berlin dann als nächstes für Bartels, seine Frau und die drei Kinder gehen wird, steht noch aus. „Die Auswahl ist immer spannend – ein dreivierte­l Jahr bevor es losgehen soll, guckt man ins Intranet, in welchen Ländern welche Posten frei sind.“Da habe man immer das Gefühl, einem stehe die Welt offen. „Und gleichzeit­ig genießt man die Sicherheit des Beamtentum­s“, sagt Bartels. „Da habe ich eher so eine VollkaskoM­entalität.“Bartels Wunschziel ist Kiew. Eine schöne Stadt, politisch hochintere­ssant, nicht weit entfernt von Deutschlan­d.

„Da könne man zwischendu­rch auch Oldenburg mal wieder einen Besuch abstatten“, sagt Bartels. „Und vielleicht der NWZ – um der alten Zeiten Willen.“

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BILD: PRIVAT David Bartels mit seiner Frau Sonja und den Kindern Felix (10, links), Jan (5) im Kinderwage­n und Julia (11) vor dem Weißen Haus in Washington.

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