Nordwest-Zeitung

Ein Parlament besucht seine Armee

KAeben deutsche Abgeordnet­e wollen Beziehunge­n zur Türkei normalisie­ren

- VON MICHAEL FISCHER

Sieben Abgeordnet­e machen ich auf den Weg in die Türkei. Einig über da Ziel der Mi ion ind ie ich nicht. Da wichtig te i t, da die e Rei e überhau,t tattfindet.

MÜNCHEN/ANKARA – Selten hat eine Reise von Bundestags­abgeordnet­en für so viel Aufmerksam­keit gesorgt. Sieben Parlamenta­rier checken am Dienstagvo­rmittag am Flughafen München für den Lufthansa-Flug LH1784 nach Ankara ein. Karl Lamers, Henning Otte, Ingo Gädechens, Rainer Arnold, Karl-Heinz Brunner, Alexander Neu, Agnieszka Brugger. Keiner von ihnen hat eine führende Position in Partei oder Fraktion.

Ihre Mission ist trotzdem wichtig. Sie soll den Schlusspun­kt unter ein viermonati­ges diplomatis­ches Drama setzen, in dem es um Grundsätze des deutschen Parlamenta­rismus, die Bewertung historisch­er Ereignisse und die deutschtür­kischen Beziehunge­n der Gegenwart geht.

Rückblick: Am 2. Juni verurteilt der Deutsche Bundestag in einer Resolution die Massaker an den Armeniern im Osmanische­n Reich vor rund 100 Jahren als Völkermord. Die türkische Regierung in Ankara wertet das als Affront.

Drei Wochen später wird ein Besuch eines Parlamenta­rischen Staatssekr­etärs und mehrerer Abgeordnet­er auf der Nato-Luftwaffen­basis im türkischen Incirlik untersagt. Dort sind rund 250 Bundeswehr­soldaten stationier­t, die sich mit Aufklärung­sund Tankflugze­ugen an den Bombardeme­nts von Stellungen der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) in Syrien und im Irak beteiligen.

Es gibt keine offizielle Begründung, aber sofort ist klar: Es handelt sich um eine „Revanche“für die Armenier-Resolution. Für den Bundestag ist das inakzeptab­el. Das Parlament entscheide­t in Deutschlan­d über jeden bewaffnete­n Militärein­satz im Ausland. Die Abgeordnet­en wollen deswegen auch die Möglichkei­t haben, sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen.

Nach politische­n Gesprächen mit Vertretern des türkischen Verteidigu­ngsausschu­sses in Ankara zeigt sich die Delegation versöhnlic­h. „Wir sind Verbündete, wir sind Partner und wir sind Freunde und so war die Atmosphäre heute“, sagte Delegation­sleiter Karl Lamers (CDU) am Dienstagab­end in der türkischen Hauptstadt.

Es sei selbstvers­tändlich, dass deutsche Abgeordnet­e die Soldaten im Einsatz besuchten, und er habe nach den Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass dieser Besuch keine einmalige Sache sei, „sondern dass auch in diesem Punkt wieder Routine und Normalität einkehren kann.“

Nach den politische­n Gesprächen in Ankara geht es am Mittwoch nach Incirlik. Auf dem Luftwaffen­stützpunkt treffen die Abgeordnet­en nach einem viermonati­gen Besuchsver­bot die dort stationier­ten deutschen Soldaten. Diese unterstütz­en mit „Tornado“-Aufklärung­sflugzeuge­n und einem Tankflugze­ug die Bombardeme­nts von Stellungen der Terrororga­nisation Islamische­r Staat in Syrien und im Irak.

Der Bundestag habe durchaus das Recht, sich zu Vorgängen vor 100 Jahren zu äußern, betonte Lamers mit Blick auf die ArmenierRe­solution. Die Gespräche seien jedoch in „sehr freundscha­ftlicher Atmosphäre“verlaufen und beide Seiten hätten ein Interesse an einer Fortsetzun­g des Dialogs. Dazu habe man die Mitglieder des türkischen Verteidigu­ngsausschu­sses nach Berlin eingeladen.

Den Putschvers­uch vom 15. Juli in der Türkei verurteile er „aufs Schärfste“, sagte Lamers. Durch den Besuch sei deutlich geworden, dass die Türken sich eine stärkere Anteilnahm­e gewünscht hätten. Mit Blick auf die Aufarbeitu­ng des Putschvers­uchs fügte er hinzu: „Wir sind überzeugt, dass dies nach rechtsstaa­tlichen Grundsätze­n geschieht.“

Delegation­smitglied Alexander Neu (Die Linke) sah das anders. „Ich hatte den Eindruck, dass die deutsche Seite zu defensiv war in ihrer Kritik“, sagte er. Es könne nicht sein, dass ein politische­r Partner „mit Samthandsc­huhen“angefasst werde, wenn dieser Partner „Grundwerte mit Füßen“trete.

Agnieszka Brugger, sicherheit­spolitisch­e Sprecherin der Grünen, sagte, man habe auch über Pressefrei­heit, Demokratie und Menschenre­chte gesprochen und werde dies weiter thematisie­ren. Gerade bei unterschie­dlichen Meinungen müsse man mehr Dialog einfordern und nicht weniger.

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