EU will Jugend Bahnreise schenken
Brüsseler Parlamentarier arbeiten an Plänen zu kostenlosem Interrail-Ticket für alle 18-Jährigen
Auch die EU-Kommission nimmt die Anregung ernst. Die Verkehrskommissarin lässt bereits konkrete Regeln erarbeiten.
BRÜSSEL – Im Europaparlament formiert sich eine Initiative, jedem Jugendlichen in der Europäischen Union zum 18. Geburtstag ein InterrailTicket zu schenken. Am späten Dienstagabend schaffte es der Vorschlag bereits auf die Tagesordnung der EU-Volksvertretung. „Was mit dem Studenten-Austausch-Programm Erasmus begonnen hat, sollte mit dem InterrailProgramm für alle Jugendlichen fortgesetzt werden“, lobte der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen.
Vorbereitun- gen für einen konkreten Gesetzesvorstoß liefen, erklärte ein Fraktionssprecher der Europäischen Volkspartei. EVP-Fraktionschef Manfred Weber twitterte, er werde dafür werben. Er hatte den Vorschlag vergangene Woche in einer Parlamentsdebatte angesprochen und gesagt: „Jeder junge Europäer sollte zu seinem 18. Geburtstag ein Interrail-Ticket erhalten, damit er die Schönheit und Vielfalt Europas entdecken kann.“
Mit solch einem Ticket kann man zwischen fünf Tagen und einem Monat quer durch Europa reisen; es kostet zwischen 200 und 479 Euro.
EU-Verkehrskommissarin Violeta Bluc gab bereits eine erste Prüfung in Auftrag, wie man so ein Geschenk gestalten könnte. So überlegt man in der Brüsseler Kommission, ob es statt des Interrail-Ti- ckets nicht auch eine Art „Mobilitäts-Gutschein“sein könnte, der Billigflieger und CarSharing-Anbieter umfasst. Außerdem sind die Kosten zu klären. Sollten nur 50 bis 70 Prozent der 5,4 Millionen Jugendlichen, die im Jahr 2015 volljährig geworden sind, das Brüsseler Präsent nutzen, kämen Kosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zusammen. Die könnten aus Sonderfonds kommen.
DerBesuch Sigmar Gabriels im Iran und die Visite deutscher Abgeordneter in der Türkei haben eine Gemeinsamkeit. Beide offenbaren die tapsige Bräsigkeit deutscher Außenpolitik, die sich im Vorderen Orient wahlweise vorführen lässt oder sich in freiwilligemKotau übt.
Der Parlamentarier-Besuch bei der Bundeswehr in Incirlik ist ein Desaster. Er war zunächst Ergebnis einer Erpressung Deutschlands durch den türkischen Präsidenten Erdogan. Nur weil die Kanzlerin eine Entscheidung des Bundestags – die Verurteilung des türkischen Völkermordes an den Armeniern – öffentlich als gänzlich bedeutungslos abqualifizierte, ließ Erdogan die Deutschen überhaupt ins Land. Diesem Merkel-Kotau folgte die Demütigung: Ein Treffen mit türkischen Regierungsvertretern gab es nicht, Zusagen für weitere Besuche wurden nicht gegeben. Wenn Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, jetzt von „Rückkehr zu Normalität und Routine“spricht, ist das Schönfärberei.
Statt derart zu kuschen, stünde es der deutschen Politik vielmehr an, die wirklich kritischen Fragen im Verhältnis zur Türkei konsequent zu berühren. Dort liegen Presseund Meinungsfreiheit in Ketten. Im Grenzgebiet zu Syrien werden Kurden massakriert, und Erdogan setzt Zug um Zug sein Programm einer großtürkischen Einfluss- und Interessensphäre im Vorderen Orient um. Damit ist er Teil des Problems, nicht der Lösung. Wer sich aber wie die Bundesregierung in der Asylfrage von einem solchen Machtmenschen politisch völlig abhängig gemacht hat, wird es sich schwer überlegen, ihn mit derartigen Fragen zu verärgern. Der Sultan hat Deutschland im Schwitzkasten und nutzt das konsequent aus.
Mindestens ebenso unglücklich verlief die Visite Gabriels in Teheran. Nach der rüden Absage eines Empfangs durch den Parlamentspräsidenten, tönte das Regime am Tag danach, man werde natürlich die Vernichtungspolitik gegenüber Israel weiter verfolgen. Genau hier hatte der deutsche Wirtschaftsminister aber eine Änderung als Vorbedingung für die völlige Normalisierung der Beziehungen gefordert. Fazit: Wer repressiven Regimen mit Appeasement kommt, erntet am Ende immer politischen Hohn.