Steinbrücks Wechsel mit Wirbel
Ex-Finanzminister übernimmt Beraterjob in Bankenbranche
BERLIN/HANNOVER – Eben noch im Bundestag und demnächst schon auf einemschönen Posten in der freien Wirtschaft: Mit dem Wechsel von Peer Steinbrück in die Bankenbranche flammt die Diskussion über Karenzzeiten und eine befürchtete Einflussnahme auf die Politik wieder auf. „Ich werde ein Angebot der ING-Diba annehmen, als Berater des Vorstandes“, sagt der ehemalige Bundesfinanzminister und frühere SPD-Kanzlerkandidat der „Zeit“.
Seine Zeit als Minister sei sieben Jahre her, er könne keine Interessenkollision erkennen, meinte Steinbrück. Kritik erntete er dennoch prompt: „Gekaufte Politik? (...) Steinbrück lässt sich sein Engagement für die EU-Bankenrettung jetzt versilbern“, twitterte etwa Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Und der Grünen-Politiker Sven Giegold schrieb: „Diese schnellen Seitenwechsel sind Futter für den Politikverdruss.“Nötig seien Karenzzeiten auch für Abgeordnete.
Erst Spitzenpolitiker und dann eine Topfunktion in der Wirtschaft, ist so ein Wechsel überhaupt zulässig? Rechtlich gibt es da keine Probleme: Die Karenzzeit für ehemalige Regierungsmitglieder, die in die Wirtschaft wechseln, beträgt eineinhalb Jahre. In dieser Zeit kann die Bundesregierung die neue Beschäftigung untersagen. Mehrere Wechsel hatten die Debatte in den vergangenen Jahren befeuert. Darunter vor allem der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU), der zur Bahn ging.
Steinbrück hatte im Sommer angekündigt, vorzeitig aus dem Bundestag auszuscheiden, und vergangene Woche seine Abschiedsrede im Parlament gehalten. Der Sozialdemokrat begründete den Schritt damit, dass er seiner Partei im Bundestagswahlkampf mit seiner selbst auferlegten Zurückhaltung nicht helfen könnte.
Steinbrück, der zuvor schon wegen hoher Honorare für Reden in den Schlagzeilen war, sieht seinen eigenen Worten zufolge auch keinen Widerspruch zu seiner früheren Kritik an Banken, da Europas größte Direktbank Ing-Diba „sehr konservativ und risikoscheu“sei. Steinbrück stammt aus einer Bankiersfamilie, einer seiner Vorfahren hat die Deutsche Bank mitgegründet.
Unterdessen hat Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) ein weiteres Spitzenamt in dem Unternehmen übernommen, das den umstrittenen Ausbau der Ostsee-Gaspipeline von Russland nach Deutschland vorantreibt. Schröder sei seit dem29. Juli Präsident des Verwaltungsrats des Energiekonzerns Nord Stream 2, teilte das Unternehmen am Mittwoch im schweizerischen Zug mit. Nord Stream 2 gehört derzeit zu 100 Prozent dem vom russischen Staat gelenkten Energiekonzern Gazprom. Schröder ist bereits Aufsichtsratsvorsitzender und Vorsitzender des Gesellschafterausschusses von Nord Stream. Die geplante Erweiterung der Pipeline um zwei Röhren stößt bei der EU auf Kritik, die eine steigende Abhängigkeit Europas von russischemGas fürchtet.
Für mehr Wirbel als Schröders zusätzlicher Erdgas-Posten könnte der Wechsel einer hohen Beamtin aus dem Bundeswirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel (SPD) sorgen. Nord Stream 2 bestätigte am Mittwoch den Wechsel von Marion Scheller, bislang Referatsleiterin in der Abteilung Energiepolitik des Ministeriums, zum 1. Oktober. Dem Magazin „politik und kommunikation“zufolge wird Scheller in der neu geschaffenen Position in Berlin die aktuelle Entwicklung im Energiebereich und den auswärtigen Beziehungen beobachten und die Verbindung zu Regierung, Parlament sowie Verbänden und Medien halten.