Nordwest-Zeitung

Ein Humanist, ein Realist, ein Macher

António Guterres wahrschein­lich neuer UN-Generalsek­retär

- VON EMILIO RAPPOLD

NEW YORK/LISSABON – Dass der junge Student, der damals in den Armenviert­eln Lissabons Sozialarbe­it verrichtet­e, es einmal zum Hohen Flüchtling­skommissar der Vereinten Nationen bringen würde, hätte Ende der 1960er Jahre in der portugiesi­schen Hauptstadt wohl niemand vorausgesa­gt. Jetzt soll António Guterres (67) sogar UN-Generalsek­retär werden.

In einer Abstimmung am Mittwoch im UN-Sicherheit­srat erreichte Guterres die meisten Stimmen – und auch die der fünf Veto-Mächte, wie Russlands UN-Botschafte­r Witali Tschurkin in New York sagte. Die Personalie, die von der Vollversam­mlung noch bestätigt werden muss, gilt damit als sehr sicher. Der bisherige Amtsinhabe­r, der Südkoreane­r Ban Ki Moon (72), gibt seinen Posten Ende Dezember nach zehn Jahren an der UN-Spitze ab.

Guterres ist seit jeher ein Humanist, aber auch ein Realist und ein „Macher“. Dass der frühere Ministerpr­äsident Portugals (1995-2002) vor der Präsidente­nwahl in Portugal die Nominierun­g der Sozialisti­schen Partei (PS) ausschlug, begründete er in einem Interview so: „Ein Staatsober­haupt ist so etwas wie ein Schiedsric­hter. Ich möchte aber Ball spielen, ich möchte auf dem Feld sein, Action haben, ständig eingreifen.“Schon als Student habe er „eine Gesellscha­ft voller Ungerechti­gkeiten verändern“wollen.

An der Spitze der Vereinten Nationen will der gelernte Ingenieur nun seine „ganze Erfahrung einsetzen“, wie Guterres schon vor einigen Monaten erklärte. „Ich habe in Portugal eine Revolution (die Nelkenrevo­lution von 1974) erlebt, ich war dann bei der Demokratis­ierung unseres Landes an vorderster Front, war Partei- und Regierungs­mitglied und dann Regie- rungschef. Und dann hatte ich diese unglaublic­he Chance, zehn Jahre lang (2005-2015) bei der Unterstütz­ung der Flüchtling­e zu helfen.“

Als Flüchtling­skommissar musste Guterres mit einer der schlimmste­n Migrations­krisen fertig werden. Dabei stell- te er häufig die Unfähigkei­t der Europäisch­en Union unumwunden an den Pranger. Auf der Homepage des UNFlüchtli­ngskommiss­ariats ist in seinem Porträt zu lesen, er habe eine „tiefgreife­nde Strukturre­form“vollzogen, das Personal um 20 Prozent reduziert und mit geringeren Ausgaben wirksamer gearbeitet.

Die Welt kann in der Tat hoffen, dass mit Guterres ein fähiger Mann nun das Steuer bei den UN übernimmt. Guterres will „machen“, er bleibt dabei aber mit beiden Füßen fest auf dem Boden, verspricht keine Utopien. Schon 2002 sagte er: „Wenn man nicht an Megalomani­e (Größenwahn) leidet, weiß man, dass man nicht versuchen kann, die Menschheit sozusagen zu retten. Ich will die Menschheit nicht retten, ich will aber all das machen, was in meiner Macht steht, um Verbesseru­ngen zu erreichen.“

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DPA-BILD: DI NOLFI Früher UN-Flüchtling­skommissar, bald wohl UN-Generalsek­retär: António Guterres

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