Wenn der Hahn kräht
Gockelstreit im märkischen Dorf Zitz geht vor Amtsgericht in die nächste Runde
Der Kläger, ein genervter Nachbar, muss den Richtern ein „Krähprotokoll“vorlegen. Im Gegenzug soll der Hobbyzüchter belegen, dass das Kikeriki zumutbar ist.
BRANDENBURG/HAVEL – Wie oft und wie laut dürfen Hähne krähen? Seit mehr als vier Jahren schwelt ein Rechtsstreit um diese Frage im brandenburgischen Dorf Zitz. An diesem Montag geht der Zivilprozess vor dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel in die nächste Runde.
Geklagt hat der Nachbar eines Hobbyzüchters, der sich gestört fühlt. In Zitz kommt auf jeden der rund 300 Einwohner rechnerisch mindestens ein Hahn oder eine Henne.
Nach einem Gerichtsbeschluss von Anfang Mai muss der 36-jährige Hobbyzüchter Reno Nerling nachweisen, dass vom Federvieh auf seinem Hof kein unzumutbarer Lärm ausgeht und das Gekrähe „ortsüblich“ist. Dagegen muss der Kläger belegen, wie viele Hähne sich in den letzten Monaten frei auf dem Gelände des Züchters aufhielten.
In seinem Beschluss geht das Amtsgericht „nach vorläufiger Rechtsauffassung“jedoch davon aus, dass von Nerlings Hof zumindest zeitweilig eine wesentliche Beeinträchtigung des gegenüberliegenden Grundstücks des Klägers ausgeht. Doch auch wenn sich der Lärm als ortsüblich herausstellen sollte, kommt es laut Gericht „entscheidend“darauf an, ob er eingeschränkt werden könne, ohne den Züchter wirtschaftlich zu überfordern.
Erreichen will der Kläger, dass Nerling den Schreihälsen im Hühnerstall zeitweilig Ausgehverbot erteilt – werktags von 20.00 bis 8.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen zusätzlich zwischen 12.00 und 15.00 Uhr. Außerdem fordert er, dass sich jeweils nur höchstens zwei Hähne im Freien aufhalten dürfen, deren Kikeriki die Marke von 55 Dezibel nicht überschreiten darf.
Nerling kann sich nicht vorstellen, dass seine Hähne diese Lautstärke jemals erreicht hätten. Mit einer Smartphone-App habe er 49 und 50 Dezibel gemessen, bei etwa 50 Krählauten die Stunde. „Die vorbeifahrenden Autos und Traktoren waren lauter“, sagte der 36-Jährige. Wie die Gegenseite auf 200 Laute pro Stunde komme, sei ihm unklar, betont der mehrfach ausgezeichnete Hobbyzüchter.
Hühner gibt es auf dem Hof, der Nerlings Eltern gehört und auf dem er selbst nicht wohnt, schon seit Jahrzehnten. Die Stallanlage hat er von seinem Großvater übernommen, erzählt er.
Der Gockelstreit sei erst ausgebrochen, als die klagende Familie nach der Wende ins Dorf gezogen sei. Er sei den Nachbarn auf der gegenüberliegenden Straßenseite schon entgegengekommen, berichtet Nerling. Er wechselte seine Hühner der Rasse „Antwerpener Bartzwerg“gegen die leiser krähenden japanischen Zwerghühner „Chabos“aus. Außerdem hält er nur noch fünf statt acht krähende Tiere.