Wütende Gier nach Liebe
„Schönheit“in Exerzierhalle des Oldenburgischen Staatstheaters
Isabel Osthues inszenierte das Drama. Die Vorlage für das Stück lieferte die Schriftstellerin Nino Haratischwili. Es geht um eine alternde Gräfin – und um ein mörderisches Geheimnis.
OLDENBURG – Es gibt Aufführungen, die von Schauspielern gerettet werden. „Schönheit“ist so ein gerettetes Stück. Genauer gesagt ist es eine Darstellerin, die uns beglückt. Und dieses Glück heißt bei der Uraufführung in der Exerzierhalle des Oldenburgischen Staatstheaters Franziska Werner.
Meckernde Witwe
Eben war sie noch hinter einem der vielen roten Vorhänge. Und nur zu hören mit Geraunze. Jetzt baut sie sich vor uns auf, im schwarzen Schleier, meckert an Bediensteten rum, beklagt als Witwe wortreich ihre Langeweile. Wenn Langeweile immer so spannend wäre, möchte man langweilig leben.
Franziska Werner spielt die ungarische Blutgräfin Báthory. Die Legende erzählt, die rabiate Dame habe im frühen 17. Jahrhundert auf einem Schloss reihenweise junge Frauen abgemurkst, um durch deren Blut jung zu bleiben. Der Stoff wurde oft literarisch und filmisch verarbeitet.
In Oldenburg sind die Morde eher eine Zugabe zum Porträt der Gräfin. Denn in der Geschichte von Nino Haratischwili geht es hauptsächlich um eine alternde, stolze Diva, die sich einen jungen Liebhaber nimmt, von dem Schuft aber verlassen und verletzt wird und – na klar: dann eben nach Jungfernblut greift. Früher flötete mal ein Schlager „Die Männer sind alle Verbrecher“. Offenbar ist er nicht ganz aus der Mode.
Das Stück lebt von der Hauptfigur. Franziska Werner bändigt als Gräfin nur mühsam ihr Verlangen nach Liebe. Sie ist ihrer Zeit voraus, weil sie als Frau ein selbstbestimmtes Dasein führen will – auch auf dem riesigen roten Bett in der Bühnenmitte. Dekadenz („Brombeertorte im Winter“) panzert ihr nach Kuscheln süchtiges Herz. Mit männlich kurzen Haaren, knittrig zusammengekniffenem Gesicht, mit ihren Anfällen von wütender Lebensgier und tiefster Enttäuschung huscht sie von Szene zu Szene. Im Wahn nehmen ihre Gesten fast spastische Züge an, nicht nur die Strumpfhose scheint zerrissen.
Fatale Folgen
Ihre kesse Zofe (klasse als eine Art Wachhund: Agnes Kammerer) ist ihr zwar hörig, aber im Zickenzoff neidisch. Ihr Geliebter Akos (Rajko Geith) ist treu, aber auch geheimnisvoll. Ihr Verwalter (Matthias Kleinert) ist ein verschmähter Liebhaber, untertänig, aber nicht dumm. Die zweite Zofe ist blond und wirkt auch so (Diana Ebert). Auf diese Weise entsteht ungarisches Intrigantengulasch, gewürzt mit Verwechslungen und garniert mit fatalen Folgen.
Leider hat es die Regie von Isabel Osthues versäumt, ein frühes Ende zu finden. Und der Schritt von der verlassenen Frau zur blutschmierenden Verrückten wirkt auch nicht ganz logisch. So klappert das Thema zum Schluss der zwei pausenlosen Stunden melodramatisch dahin. Indes, es gefallen die einfallsreiche Bühne, die zeitlosen Kostüme, die tollen Schauspieler. Allen voran Franziska Werner. Unsere Retterin.