Nordwest-Zeitung

Verdächtig­er hatte Kontakt zum IS

Landsleute hielten Dschaber al-Bakr fest und riefen die Polizei

- VON MICHAEL FISCHER UND TERESA DAPP

LEIPZIG/CHEMNITZ/BERLIN – Deutschlan­d ist offenbar nur knapp einem Terroransc­hlag von der Dimension der verheerend­en Attentate von Paris und Brüssel entgangen. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Montag: „Die Vorbereitu­ngen in Chemnitz ähneln den Vorbereitu­ngen zu den Anschlägen in Paris und Brüssel.“Der Verdächtig­e wollte wohl einen Berliner Flughafen angreifen.

Der nach dem Bombenfund von Chemnitz festgenomm­ene Dschaber al-Bakr steht nach ersten Ermittlung­en in Verbindung zur Terrororga­nisation Islamische­r Staat (IS). Die sichergest­ellten 1,5 Kilogramm Sprengstof­f sind identisch mit der Art, die ISTerroris­ten in Frankreich und Belgien verwendet haben. Die Polizei hatte Al-Bakr in der Nacht zum Montag in Leipzig festgenomm­en. Die Polizei fasste den 22-jährigen Syrer in einer Wohnung, wo drei Landsleute ihn gefesselt und die Polizei alarmiert hatten. Al-Bakr hatte am Leipziger Bahnhof einen Syrer angesproch­en und gefragt, ob er bei ihm schlafen könne. BERICHT/INTERVIEW/ KOMMENTAR, SEITE 4

FRAGE: Der syrische Bombenbaue­r aus Chemnitz hat Verbindung­en zum Islamische­n Staat und war als Flüchtling gekommen. Ist das eine typische Strategie des IS? NEUMANN: Der Islamische Staat nutzt diese perfide Strategie und schleust Terrorkämp­fer nach Europa, die sich als Flüchtling­e ausgeben. Auch zwei der Attentäter von Brüssel waren als Flüchtling­e ins Land gekommen. Das hat aber bereits vor dem Herbst 2015 und der Hochphase der Flüchtling­sbewegung begonnen. Der Terrorverd­ächtige von Chemnitz ist wohl im Frühjahr 2015 in Deutschlan­d aufgenomme­n worden. Der Islamische Staat steht auch in Kontakt mit profession­ellen Fälschern, die Dokumente und Ausweise herstellen können. FRAGE: Wie kann sich Europa besser schützen? NEUMANN: Die europäisch­en Sicherheit­sbehörden müssen dringend ihren Daten- und Informatio­nsaustausc­h verbessern und enger zusammenar­beiten. Das funktionie­rt leider nicht nahtlos. Wir brauchen ein gemeinsame­s europäisch­es Terrorabwe­hrzentrum. Nach den Anschlägen von Paris und Brüssel wurde die Polizeibeh­örde Europol gestärkt. Auch auf der Ebene der Geheimdien­ste wird die Zusammenar­beit verbessert. Diese beiden Ebenen müssen enger kooperiere­n. Manche Daten sind bei den Geheimdien­sten, andere bei der Polizei und umgekehrt. Das hilft den Terroriste­n und darf nicht sein. FRAGE: Laut Bundesregi­erung hat sich die Bedrohungs­lage in Deutschlan­d nicht verändert... NEUMANN: Die Sicherheit­sbehörden stufen die Bedrohungs­lage weiterhin als sehr hoch ein. Der IS rekrutiert Kämpfer, die Anschläge auch in Deutschlan­d verüben sollen. Wir müssen damit rechnen, dass es auch hierzuland­e Terrorangr­iffe geben wird. Dass der verdächtig­e Flüchtling von einem anderen Flüchtling gestellt und festgesetz­t wurde, ist wirklich positiv. Das zeigt, wie falsch es wäre, alle Flüchtling­e unter Generalver­dacht zu stellen. Die beste und wirksamste Waffe gegen diese Art von Terrorismu­s besteht wohl darin, mit Flüchtling­en zusammenzu­arbeiten. Es ist in ihrem eigenen Interesse, Anschläge zu verhindern und wachsam zu sein.

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DPA-BILD: POLIZEI SACHSEN Gefasst: Dschaber al-Bakr

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