Verdächtiger hatte Kontakt zum IS
Landsleute hielten Dschaber al-Bakr fest und riefen die Polizei
LEIPZIG/CHEMNITZ/BERLIN – Deutschland ist offenbar nur knapp einem Terroranschlag von der Dimension der verheerenden Attentate von Paris und Brüssel entgangen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Montag: „Die Vorbereitungen in Chemnitz ähneln den Vorbereitungen zu den Anschlägen in Paris und Brüssel.“Der Verdächtige wollte wohl einen Berliner Flughafen angreifen.
Der nach dem Bombenfund von Chemnitz festgenommene Dschaber al-Bakr steht nach ersten Ermittlungen in Verbindung zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Die sichergestellten 1,5 Kilogramm Sprengstoff sind identisch mit der Art, die ISTerroristen in Frankreich und Belgien verwendet haben. Die Polizei hatte Al-Bakr in der Nacht zum Montag in Leipzig festgenommen. Die Polizei fasste den 22-jährigen Syrer in einer Wohnung, wo drei Landsleute ihn gefesselt und die Polizei alarmiert hatten. Al-Bakr hatte am Leipziger Bahnhof einen Syrer angesprochen und gefragt, ob er bei ihm schlafen könne. BERICHT/INTERVIEW/ KOMMENTAR, SEITE 4
FRAGE: Der syrische Bombenbauer aus Chemnitz hat Verbindungen zum Islamischen Staat und war als Flüchtling gekommen. Ist das eine typische Strategie des IS? NEUMANN: Der Islamische Staat nutzt diese perfide Strategie und schleust Terrorkämpfer nach Europa, die sich als Flüchtlinge ausgeben. Auch zwei der Attentäter von Brüssel waren als Flüchtlinge ins Land gekommen. Das hat aber bereits vor dem Herbst 2015 und der Hochphase der Flüchtlingsbewegung begonnen. Der Terrorverdächtige von Chemnitz ist wohl im Frühjahr 2015 in Deutschland aufgenommen worden. Der Islamische Staat steht auch in Kontakt mit professionellen Fälschern, die Dokumente und Ausweise herstellen können. FRAGE: Wie kann sich Europa besser schützen? NEUMANN: Die europäischen Sicherheitsbehörden müssen dringend ihren Daten- und Informationsaustausch verbessern und enger zusammenarbeiten. Das funktioniert leider nicht nahtlos. Wir brauchen ein gemeinsames europäisches Terrorabwehrzentrum. Nach den Anschlägen von Paris und Brüssel wurde die Polizeibehörde Europol gestärkt. Auch auf der Ebene der Geheimdienste wird die Zusammenarbeit verbessert. Diese beiden Ebenen müssen enger kooperieren. Manche Daten sind bei den Geheimdiensten, andere bei der Polizei und umgekehrt. Das hilft den Terroristen und darf nicht sein. FRAGE: Laut Bundesregierung hat sich die Bedrohungslage in Deutschland nicht verändert... NEUMANN: Die Sicherheitsbehörden stufen die Bedrohungslage weiterhin als sehr hoch ein. Der IS rekrutiert Kämpfer, die Anschläge auch in Deutschland verüben sollen. Wir müssen damit rechnen, dass es auch hierzulande Terrorangriffe geben wird. Dass der verdächtige Flüchtling von einem anderen Flüchtling gestellt und festgesetzt wurde, ist wirklich positiv. Das zeigt, wie falsch es wäre, alle Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. Die beste und wirksamste Waffe gegen diese Art von Terrorismus besteht wohl darin, mit Flüchtlingen zusammenzuarbeiten. Es ist in ihrem eigenen Interesse, Anschläge zu verhindern und wachsam zu sein.