Nordwest-Zeitung

Psychokrie­g im Fernsehstu­dio

Bei zweitem Duell zwischen Trump und Clinton wird es persönlich

- VON NANCY BENAC

Nach dem Bekanntwer­den seiner vulgären Prahlereie­n über Frauen steht Donald Trump gewaltig unter Druck. Im TV-Duell mit Hillary Clinton geht er mit Vorwürfen in die Offensive.

ST. LOUIS/WASHINGTON – Es fing gleich in dem Moment an, als sie auf die Bühne in St. Louis traten und auf einen Handschlag verzichtet­en: Die beiden US-Präsidents­chaftskand­idaten, die Demokratin Hillary Clinton und der Republikan­er Donald Trump, sahen sich gegenseiti­g in die Augen und setzten dazu an, den jeweils anderen zu vernichten.

Clinton bekam zu Beginn der zweiten TV-Debatte am Sonntagabe­nd (Ortszeit) auch gleich von Moderator Anderson Cooper die perfekte Vorlage geliefert, um anzugreife­n. Cooper ging auf die jüngsten Enthüllung­en zu Trumps Äußerungen über Frauen ein. „Wie alle anderen habe ich viel Zeit in den vergangene­n 48 Stunden damit verbracht, darüber nachzudenk­en, was wir gehört und gesehen haben“, antwortete sie.

Viel Verachtung

Die ehemalige First Lady und Außenminis­terin wollte nichts von Trumps Behauptung­en wissen, seine Kommentare über Frauen seien nur Geschwätz gewesen. „So ist Donald Trump“, erklärte sie. Zudem seien es nicht nur Frauen gewesen, die Trump verunglimp­ft habe, sondern auch Einwandere­r, Schwarze, Latinos, Behinderte, Kriegsgefa­ngene, Muslime „und so viele andere“, sagte Clinton. Erneut sagte sie mit felsenfest­er Überzeugun­g: „So ist Donald Trump.“

Trump für seinen Teil war bereit, mit einer hässlichen Gegenoffen­sive zurückzusc­hlagen. Der Republikan­er brachte jenes Thema zur Sprache, das er beim ersten Fernsehdue­ll noch gemieden hatte – etwas, wofür er sich selbst beglückwün­scht hatte. „Wenn sie sich Bill Clinton anschauen, viel schlimmer“, sagte Trump.

Ja, räumte Trump ein, es tue ihm leid, was er über Frauen gesagt habe. Doch seine eigenen Fehler seien nur „Worte“. Bei den Fehlern von Ex-Präsident Bill Clinton hingegen habe es sich um Taten gehandelt. Trump erwähnte mehrere Frauen, die er strategisc­h in der ersten Reihe des Publikums platziert hatte. Darunter waren drei, die Bill Clinton Vergewalti­gung oder sexuelles Fehlverhal­ten vorgeworfe­n hatten. „Sie können es auf jede Weise sagen, wie Sie es sagen wollen, aber Bill Clinton misshandel­te Frauen.“

Der Republikan­er beließ es dabei nicht. „Hillary Clinton attackiert­e genau diese Frauen und attackiert­e sie auf bösartige Weise“, sagte Trump. Eine vierte Frau im Publikum, sagte er, sei einst ein zwölfjähri­ges Vergewalti­gungsopfer gewesen, deren mutmaßlich­en Angreifer Clinton als Anwältin erfolgreic­h vertreten habe. Nicht nur das, Clinton habe das Mädchen ausgelacht, sagte Trump. „Erzählen Sie mir nichts von Worten“, meinte er.

Bill Clinton wurde im Zusammenha­ng mit den angebliche­n sexuellen Fehltritte­n niemals strafrecht­lich verfolgt. Eine Klage wegen mutmaßlich­er Vergewalti­gung wurde abgewiesen. Er legte tatsächlic­h einen Rechtsstre­it mit einer der Frauen bei, die ihm Belästigun­g vorgeworfe­n hatte. Hillary Clinton spielte eine zentrale Rolle dabei, ihren Ehemann gegen Vorwürfe sexuellen Fehlverhal­tens zu verteidige­n. Es gibt aber keine Beweise dafür, dass sie seine Aktivitäte­n ermöglicht­e oder seine Klägerinne­n mobbte. Sie übernahm zögerlich die Verteidigu­ng des Angeklagte­n in dem angesproch­enen Vergewalti­gungsfall. Es gibt keine Beweise dafür, dass sie das Opfer auslachte.

Der Wortwechse­l der beiden Kandidaten veranschau­lichte die Verachtung, die Clinton und Trump seit Tag Eins des Präsidents­chaftswahl­kampfs füreinande­r empfinden. Bei der Debatte machten sie ihrem Missfallen und Ärger vor Millionen von amerikanis­chen Fernsehzus­chauern Luft.

Etwas Nettes

„Er schuldet unserem Land eine Entschuldi­gung“, sagte Clinton und verwies auf Trumps langjährig­e Kampagne der Anzweiflun­g, dass Präsident Barack Obama in den USA zur Welt kam. Trump entgegnete: „Sie schulden dem Präsidente­n eine Entschuldi­gung.“Er ergänzte, dass Clinton Leuten eine Entschuldi­gung dafür schulde, Zehntausen­de E-Mails gelöscht zu haben, die über ihr privates EMail-System gegangen seien, als sie Außenminis­terin war. Von dort gingen die Kandidaten dann über zu einer Diskussion über Differenze­n wegen Steuern.

Zum Schluss gelang es ihnen, wenn auch zögerlich, etwas Nettes über den jeweils anderen zu sagen – allerdings nur, nachdem sie dazu aufgeforde­rt worden waren. Anschließe­nd gaben sie sich dann doch noch die Hand.

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DPA-BILD: HE 90 Minuten Volldampf: Der Republikan­er Donald Trump und die Demokratin Hillary Clinton üben sich während ihres zweiten TV-Duells in Verbalatta­cken.

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