Das Geschäft mit der Krise
Flüchtlingskomödie „Welcome to Norway“läuft am Donnerstag an
Regie führte Rune Denstad Langlo. Im Zentrum seines Spielfilms steht ein rassistischer Hotelier, der an den Geflohenen verdienen will – und sich kräftig verrechnet.
HAMBURG – „Das lohnt sich mit den Negern“, sagt Primus zu seinem Kumpel. Der Kumpel guckt skeptisch. Wenn einer schon Primus heißt. Anders Baasmo Christiansen spielt Primus. Einen Mann voller Ideen. Und voller Versagen. „Vor jedem Fischangeln müssen die sogar beten“, weiß Primus, meint die Muslime und schaut wieder zum einlaufenden Personenzug.
Dort, in der norwegischen Einöde, kommen gerade 50 Flüchtlinge an. Primus wird sie mitnehmen, das Hotel betreiben, mit dem er eben noch pleite gegangen ist, und in dem jetzt die Flüchtlinge hausen sollen. Primus will richtig abkassieren. Der Staat soll blechen.
Der norwegische Spielfilm zur europäischen Flüchtlingsmisere? Eher die Tragikomödie zur Krise.
Wie ein Töffel
Im Chaos der Hotelunterbringung in seiner Bruchbude hat sich Primus unter den Flüchtlingen einen Übersetzer rausgesucht. Abedi, gespielt von dem Kongolesen Slimane Dazi, soll vermitteln. Abedi übersetzt gern und vorlaut. Das schockt Primus, der eher wie ein Töffel guckt: Wo ist das Buffet?, rufen die Flüchtlinge.
Primus tappt in den Keller und sägt mit der Kreissäge erst mal gefrorenes Brot auf. Man muss sparen, wo man kann. Irgendwo liegt auch noch gefrorener Fisch rum. Indes, es steht die Zimmerverteilung an, und da setzt sich offenbar der Nahostkonflikt fort: Primus muss Sunniten von Schiiten trennen, Muslime und Christen, Männer und Frauen sowieso, Araber und Asiaten auch.
Zu allem Unglück pubertiert die Tochter von Primus heftig, und die Gattin meckert ewig. Dass die Flüchtlinge unerhörterweise Türen für ihre Zimmer verlangen und im strengen norwegischen Winter auf eine Heizung bestehen, stürzt den mürrischen Primus in Depressionen. Der bekannte Satz „Wir schaffen das“bekommt so eine ganz eigene Bedeutung. Als Flüchtlinge das neue Zuhause mit einem Guantanamo-Schriftzug verzieren, platzt Primus der Kragen.
Der Grundton von „Welcome to Norway“ist herrlich erfrischend, wenn auch politisch völlig unkorrekt. Doch jede Dummheit entlarvt sich in diesem Film irgendwann selbst.
Schlitterpartie
Wann immer es geht, zoomt die Kamera an Hauptdarsteller Christiansen heran, in dessen weit aufgerissenen Augen sich der Zusammenprall der Kulturen spiegelt. Mit Primus hat Regisseur Rune Denstad Langlo eine Figur geschaffen, die dem Drehbuch Struktur gibt. Mit ihm hasten wir durchs Heim, mit ihm hören wir alle nur möglichen Vorurteile über Flüchtlinge. Und mit ihm erleben wir eine emotionale Schlitterpartie durchs Schneegestöber europäischer Gegenwart. Primus ist kein Sieger, und manchmal hat der arme Kerl zwar 180 Volt im Arm, aber oben brennt das Birnchen nicht.
Es braucht nicht viel für so einen schrägen, schönen, schwarz-humorigen Film: Einige Gebäude fernab jeder Stadt, unverbrauchte Darsteller, eine durchdachte Geschichte, die auf engstem Raum funktioniert. Und einen Filou, der letztlich ein großes Herz hat. Warum können eigentlich Deutsche nicht so leichte Filme über angeblich so schwere Themen drehen?