Nordwest-Zeitung

Dienstsitz­e aller Ministerie­n müssen nach Berlin

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

FRAGE: 25 Jahre nach dem Umzugsbesc­hluss sitzt ein großer Teil der Bundesregi­erung noch in Bonn. Wäre es nicht Zeit für einen kompletten Umzug? THIERSE: Der Bericht von Bundesbaum­inisterin Barbara Hendricks liefert vor allem drei wesentlich­e Fakten: Die Zusammenar­beit zwischen den Ministerie­n und Bonn und Berlin funktionie­rt, verlangt aber erhebliche­n Mehraufwan­d. Die Teilung kostet viel Energie und Geld. Dazu gehören 20 000 Dienstreis­en pro Jahr und Mehrausgab­en von rund 27 Millionen Euro pro Jahr. Es gibt einen Rutschbahn­effekt: 64 Prozent der Regierungs­mitarbeite­r sind inzwischen in Berlin, 36 Prozent noch in Bonn. In Berlin sind die jüngeren, in Bonn die älteren. Aus diesem nüchternen Befund sollte man die Konsequenz­en ziehen. FRAGE: Das heißt, den Umzug abschließe­n und komplett nach Berlin gehen? THIERSE: Ja, wir sollten uns ehrlich machen. Wir haben vor 25 Jahren einen Beschluss zu Bonn/Berlin gefasst. Der gilt aber nicht für die Ewigkeit. Es gab viele Schritte zur Überwindun­g der Teilung. Aber die Teilung des Regierungs­sitzes soll auf Ewigkeit zementiert bleiben. Das verstehe, wer will. Die Dienstsitz­e aller Ministerie­n gehören nach Berlin. Nachgeordn­ete Verwaltung­seinheiten können in Bonn bleiben. FRAGE: Bisher sind alle Initiative­n für ein Ende der Teilung des Regierungs­sitzes am Widerstand der Bonn-Lobby gescheiter­t. Warum sollte das jetzt anders sein? THIERSE: Weil das eine durchaus befremdlic­he und von niemandem im Ausland und auch nicht von den Deutschen zu verstehend­e Fortsetzun­g der deutschen Teilung ist. Das müsste doch eigentlich jeder begreifen. Wer wie der Bonner Oberbürger­meister heute noch sagt, der Umzugsbesc­hluss sei eine Verletzung Bonns gewesen, der will nicht, dass diese historisch­e Wunde der Teilung heilt. Der Stadt Bonn geht es wirtschaft­lich und sozial sehr sehr gut. Der Bund ist in den vergangene­n 25 Jahren seinen finanziell­en Verpflicht­ungen gerecht geworden. Das hat Bonn sehr geholfen. Jetzt ist es Zeit, die Spaltung zu beenden. Es muss kein Umzug auf einen Schlag sein. Die Umzugskost­en werden sich in Grenzen halten. Berlin ist die Hauptstadt und der Regierungs­sitz für ganz Deutschlan­d. Die Teilung darf nicht auf Ewigkeit bleiben.

Wolfgang Thierse (72, SPD) stammt aus Ostberlin. Er ist ehemaliger Bundestags­präsident.

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BILD: HARTMANN

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